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1.7.5.2 Voraussetzungen und Durchführung

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Das mittelbare Bezugsrecht ist gem. § 186 Abs. 5 S. 1 AktG in dem Kapitalerhöhungsbeschluss (vgl. Wortlaut des § 186 Abs. 5 S. 1 AktG: „nach dem Beschluss“) festzusetzen.[245] Das reguläre Bezugsrecht wird im Kapitalerhöhungsbeschluss ausgeschlossen, ohne dass dabei die Voraussetzungen des § 186 Abs. 3 und 4 AktG zu beachten wären.[246] Zuständig für den Beschluss über das mittelbare Bezugsrecht ist weiterhin ausschließlich die HV.[247]

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Der Kapitalerhöhungsbeschluss, in dem das mittelbare Bezugsrecht festgesetzt wird, muss weiterhin festlegen, dass die Bank vom Vorstand der AG verpflichtet werden muss, die neuen Aktien den Aktionären zum Bezug anzubieten. Durch die Verpflichtung der Bank müssen die Aktionäre letztendlich so gestellt werden, als würde ihnen ein unmittelbares Bezugsrecht zustehen. Der Vertrag, den die AG und die Emissionsbank bzw. das Emissionskonsortium abschließen, ist nach allgemeiner Ansicht als echter Vertrag zugunsten der Aktionäre als Dritte i.S.v. § 328 BGB auszugestalten.[248] Der Vertrag zugunsten Dritter muss sich dabei auf alle neuen Aktien beziehen und jedem Aktionär eine Bezugsmöglichkeit verschaffen. Die Weitergabe der Aktien muss unverzüglich erfolgen (§ 186 Abs. 5 AktG).[249]

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§ 186 Abs. 5 AktG macht zum sonstigen Inhalt des Kapitalerhöhungsbeschlusses keine weiteren Vorgaben. Die HV kann in dem Beschluss den Emissionskurs bzw. den Ausgabekurs gegenüber dem Emissionsinstitut und den Bezugskurs für den Bezug der Aktien durch die Aktionäre von der Bank festlegen.[250] Zulässig ist auch, die Kompetenz für diese Festlegungen auf den Vorstand zu übertragen und dabei einen Mindest- und einen Höchstbetrag festzulegen.[251] Der Bezugskurs, d.h. der Kurs, zu dem die Aktionäre schließlich die Aktien bei der Bank zeichnen, darf – wenn mit der Bank nicht bereits eine feste Provision vereinbart ist – jedoch nur soweit über dem Emissionskurs liegen, als damit eine angemessene Vergütung für die Dienstleistung der Bank gewährt wird.[252] Dies folgt aus § 186 Abs. 5 AktG, welcher nur der technischen Vereinfachung dient. Wäre die Marge der Bank unangemessen hoch, so würde das mittelbare Bezugsrecht hauptsächlich deren wirtschaftlichen Interessen und nicht mehr denen der AG dienen. Konsequenterweise müsste ein solches Vorgehen als faktischer Bezugsrechtsausschluss angesehen und müssten die Vorschriften der §§ 186 Abs. 3 und 4 AktG angewendet werden.[253] Liegt der von den Aktionären zu zahlende Bezugspreis über dem tatsächlichen Wert der Beteiligung und verpflichtet sich die Bank, den Emissionserlös, welcher über ein angemessenes Entgelt hinausgeht, an die AG wieder zurückzuführen, so ist dieses Verfahren zulässig und der zurückgeführte Erlös wie ein sonstiges Aufgeld in die Kapitalrücklage der Gesellschaft einzustellen (§ 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB).[254]

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Soweit die HV keine Festlegung zum Emissions- und Bezugskurs trifft, ist der Vorstand im Rahmen vorgenannter Grenzen zu deren Bestimmung berechtigt.[255]

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Die Abwicklung des mittelbaren Bezugsrechts darf als Emissionsgeschäft i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 KWG nur von Emissionsinstituten durchgeführt werden, die der Aufsicht der BaFin unterliegen.[256] § 186 Abs. 5 AktG bestimmt deshalb, dass Emissionsinstitute nur Kreditinstitute oder nach § 53 Abs. 1 S. 1 oder § 53b Abs. 1 S. 1 oder Abs. 7 KWG tätige Unternehmen sein dürfen. Übernimmt ein anderes Unternehmen die Aktien mit der Verpflichtung, diese den Aktionären zum Bezug anzubieten, liegt ein Bezugsrechtsausschluss vor und die Voraussetzungen des § 186 Abs. 3 und 4 AktG müssen erfüllt sein.[257] Zudem ist der Vorstand der Gesellschaft gem. § 186 Abs. 5 S. 2, 2. Hs. AktG verpflichtet, dieses Bezugsangebot unter Angabe des Bezugskurses und der Annahmefrist in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen.

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Wenn die Voraussetzungen des § 186 Abs. 5 AktG vorliegen, ist die AG bzw. deren Verwaltung verpflichtet, mit dem Emissionsinstitut einen Zeichnungsvertrag über den Kapitalerhöhungsbetrag abzuschließen. Der Zeichnungsvertrag unterliegt den Bestimmungen des § 185 AktG. Die Bank wird verpflichtet, alle Pflichten eines Zeichners zu übernehmen.[258] Die Kapitalerhöhung ist durchgeführt, wenn die Bank bzw. das Konsortium die Aktien gezeichnet hat. Eine Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung kann erfolgen, sobald die Bank die Mindesteinlage von 25 % und das Agio geleistet hat, §§ 188 Abs. 2, 36a Abs. 1 AktG. Bei der Bestimmung der 25 % ist auf den geringsten Ausgabebetrag abzustellen und beim Agio auf den Ausgabekurs (nicht den Bezugskurs), d.h. insgesamt auf den Betrag, welchen die Bank für die Zeichnung der Aktien an die AG zahlt.[259] Die Kapitalerhöhung wird mit ihrer Eintragung wirksam, die zeichnende Bank zunächst Aktionär. Der Bank stehen folglich auch zunächst die Aktionärsrechte zu; jedenfalls solange, bis die Aktien an die mittelbar bezugsberechtigten Aktionäre weitergegeben worden sind.[260]

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Der Vertrag zwischen der AG und der Emissionsbank als echter Vertrag zugunsten der Aktionäre als Dritte gem. § 328 BGB[261] gewährt den Aktionären der Gesellschaft einen unmittelbar gegen die Emissionsbank gerichteten Anspruch auf den Bezug einer ihrem bisherigen Aktienbesitz entsprechenden Anzahl neuer Aktien.[262] Der Vertrag zwischen dem Emissionsinstitut und dem Aktionär ist ein Kaufvertrag, da die Aktionäre die Aktien von der Bank als Zeichner derivativ erwerben.[263] Der Bezugspreis ist folglich als Kaufpreis und nicht als Einlageschuld i.S.v. §§ 54, 63 ff. AktG zu qualifizieren.[264] Das Bezugsangebot der Emissionsbank ist gem. § 186 Abs. 5 S. 2, 1. Hs. AktG vom Vorstand der Gesellschaft unter Angabe des berechneten Bezugskurses und der Annahmefrist in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen.

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Das mittelbare Bezugsrecht wird wegen der Regeln zum Bezugsrechtsausschluss fiktiv wie ein gesetzliches, direktes Bezugsrecht behandelt. Tatsächlich ist es dies nicht. Der Ausschluss des Bezugsrechts bewirkt, dass kein konkreter Bezugsanspruch des Aktionärs aus seinem allgemeinen Mitgliedschaftsrecht entsteht. Stattdessen gewährt das mittelbare Bezugsrecht aufgrund des Vertrages zwischen AG und Emissionsbank dem Aktionär einen selbstständigen Anspruch. Der Anspruch ist unabhängig von der Aktie gem. §§ 398, 413 BGB durch einfache Abtretung übertragbar.[265] Er ist darüber hinaus verpfändbar, pfändbar und vererblich.[266] Ist die Ausübung des mittelbaren Bezugsrechts von der Vorlage eines Gewinnanteilsscheins abhängig, so ist dieser Schein ein Inhaberpapier i.S.v. § 793 BGB, auf das die sachenrechtlichen Übereignungsgrundsätze für echte Wertpapiere Anwendung finden.[267] In der Praxis ist der Handel mit mittelbaren Bezugsrechten von großer Bedeutung, da zumindest größere Aktiengesellschaften häufig Banken oder Bankenkonsortien für die Durchführung der Kapitalerhöhung einschalten.[268]

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