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3.2.1 Existenzvernichtungshaftung
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Die Fallgruppe der Existenzvernichtungshaftung unterlag in den letzten 30 Jahren einem stetigen Wandel. Zunächst wählte der BGH (für die GmbH) mit dem sog. qualifiziert faktischen Konzern einen konzernrechtlichen Ansatz.[35] Danach haftete der herrschende Gesellschafter, wenn dieser seine Leitungsmacht in einer Weise ausübte, „welche das Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft nachhaltig beeinträchtigt“, und diese dauerhaft „wie eine Betriebsabteilung“ führte. Dieser am Konzernrecht ausgerichteten Rechtsprechung kehrte der II. Zivilsenat mit der sog. „Bremer Vulkan“-Entscheidung[36] den Rücken und stützte einen Haftungsdurchgriff in der Folgezeit auf die Grundsätze der Existenzvernichtung. Diese Grundsätze konkretisierte der BGH dahingehend, dass sich ein Gesellschafter dann nicht auf die Haftungsbeschränkung berufen kann, wenn er „auf das der Gesellschaft überlassene und als Haftungsfonds erforderliche Vermögen“ zugreift und die Gesellschaft damit in eine Lage bringt, in der diese ihren Verbindlichkeiten nicht mehr vollständig nachkommen kann,[37] mithin bei der Gesellschaft eine insolvenzrechtliche Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt.[38] Soweit diese Voraussetzungen vorlagen, haftete der Gesellschafter dann ohne jede Haftungsbeschränkung, wenn er nicht nachweisen konnte, dass die der Gesellschaft insgesamt zugefügten Schäden nicht nach anderen Regeln konkret ausgeglichen werden können.[39] Zudem stand dem Gesellschafter die Nachweismöglichkeit offen, dass bei rechtmäßigem Alternativverhalten ebenfalls ein Schaden eingetreten wäre. In diesem Fall wäre der Schadensersatzanspruch gegen den Aktionär auf die Differenz zwischen tatsächlicher Vermögenslage und derjenigen begrenzt, die bestanden hätte, wenn sich der Aktionär rechtmäßig verhalten hätte. Es musste folglich in einer Intensität und Dichte in das Vermögen der Gesellschaft eingegriffen werden, die einem Einzelausgleich nicht mehr zugänglich ist. Mithin handelte es sich um echte Ausnahmekonstellationen und klare Missbrauchsfälle, bei denen oftmals auch Ansprüche aus § 826 BGB in Betracht kamen.[40]
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Nunmehr hat der II. Zivilsenat auch diese eigenständige Rechtsfigur der existenzvernichtenden Haftung ausdrücklich aufgegeben. Solche Fälle werden nunmehr allein nach § 826 BGB behandelt, so dass auch keine unmittelbare Außenhaftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft besteht.[41]
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Existenzvernichtungshaftung sollen aber trotz der neuen dogmatischen Grundlage weitgehend unverändert fort gelten. Klargestellt wurde allerdings, dass nunmehr wenigstens bedingter Vorsatz des Anspruchsschuldners erforderlich ist, mithin keine verschuldensunabhängige Haftung mehr besteht.[42] Diesbezüglich reicht indessen die Kenntnis des Gesellschafters von den Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass sein Handeln dazu führt, dass die Gesellschaft faktisch dauerhaft ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen kann.[43]
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Auch der Begriff „existenzvernichtender Eingriff“ soll weiterhin – nunmehr allerdings als gesonderte Fallgruppe des § 826 BGB – verwendet werden.[44]