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5. Entscheidungskriterien für die Rechtsformwahl
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Die Entscheidungsparameter für die Wahl einer bestimmten Rechtsform für eine Unternehmung sind vielgestaltig und sehr subjektiv geprägt. Oftmals wird als Hauptargument für die Rechtswahl die durch die Ausgabe von Aktien bestehende Möglichkeit der Kapitalbeschaffung genannt. Die kleine Stückelung des Eigenkapitals der AG – der Nennbetrag bzw. der bei Stückaktien auf die einzelne Aktie entfallende anteilige Betrag des Grundkapitals beträgt nur mindestens 1 EUR (§ 8 Abs. 2, 3 AktG) – ermöglicht die Beschaffung von Kapital von einem großen Anlegerkreis (Kapitalsammelbecken).[68] Die Attraktivität der Aktien für die Anleger ist wiederum durch die hohe Fungibilität der Aktie gesichert, da Aktien grundsätzlich formlos durch Übereignung der Urkunde oder Abtretung des Mitgliedschaftsrechts übertragen werden können. Auch mit Blick auf eine spätere Börsennotierung kann diese Rechtswahl angezeigt sein.[69] Ein weiterer Vorteil der AG gegenüber der GmbH liegt in ihrer dreigliedrigen Organisationsstruktur (Vorstand, Aufsichtsrat, Hauptversammlung) und der damit verbundenen Trennung von Gesellschafterstellung und Management.[70] Der Vorstand hat die Gesellschaft gem. § 76 Abs. 1 AktG unter eigener Verantwortung zu leiten und ist damit als das die Gesellschaft vertretende Organ weisungsunabhängig, was zu einer Verselbstständigung der Unternehmensführung von den Gesellschaftern führt.[71] Schlussendlich bringt die Rechtsform der AG – verglichen mit der GmbH – einen Imagevorteil mit sich, denn sowohl der – im Vergleich zur GmbH – engere rechtliche Rahmen der AG als auch der Umstand, dass ein Großteil der größten deutschen Unternehmen als AG organisiert sind,[72] bietet jedenfalls in der allgemeinen Wahrnehmung eine gewisse Gewähr für die Sicherheit und Seriosität der Gesellschaft.[73]
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In den letzten Jahren hat sich die Auswahl der für Unternehmungen in Deutschland zur Verfügung stehenden Rechtformen exponentiell erhöht. So kann in Deutschland nach den Entscheidungen des EuGH „Centros“[74], „Überseering“[75] und „Inspire Art“[76] auf sämtliche Gesellschaftsformen der einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zurückgegriffen werden, so dass die AG rein rechtlich im Wettbewerb zu sämtlichen in der Europäischen Union zur Verfügung stehenden Gesellschaftsformen steht. Gleichwohl haben sich ausländische Gesellschaftsformen jedenfalls in der Praxis noch nicht zu einer ernstzunehmenden Alternative zur AG entwickelt. Anders verhält es sich hingegen bei der durch den europäischen Gesetzgeber geschaffenen Europäischen AG (Societas Europaea, SE), die auch von der Praxis zunehmend als europäische Alternative zur deutschen AG wahrgenommen wird.[77]
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Die Einführung der SE war lange Zeit vornehmlich an den unterschiedlichen Auffassungen zur Mitbestimmung in den einzelnen Mitgliedstaaten gescheitert, so dass die im Dezember 2000 in Nizza plötzlich erreichte Einigung über diese Frage überraschte. Noch im Oktober 2001 wurden die Verordnung zum gesellschaftsrechtlichen Statut (SE-VO)[78] und die Richtlinie zur Mitbestimmung (SE-RL)[79] verabschiedet. Die SE-VO wird durch nationale Ausführungsgesetze – in Deutschland das SEAG[80] – ergänzt, die Umsetzung der SE-RL erfolgte in Deutschland im SEBG.[81] Seit dem Inkrafttreten der SE-VO am 8.10.2004[82] steht die SE in allen Mitgliedstaaten der EU[83] zur Verfügung. Bis Juli 2015 wurden europaweit bereits 2 399 SE gegründet. Hiervon sind 346 operativ tätig, 170 davon mit Sitz in Deutschland (49 %).[84] Die Vorteile der SE gegenüber anderen Gesellschaftsformen bestehen einerseits in der durch Vereinbarung regelbaren unternehmerischen Arbeitnehmermitbestimmung sowie andererseits in dem Wahlrecht zwischen monistischem und dualistischem Leitungssystem. Letzteres bedeutet, dass die Satzung der SE entweder das Trennungsprinzip zwischen Vorstand und Aufsichtsrat vorsehen (dualistisches System) oder eine dem angloamerikanischen Boardsystem entsprechende Struktur mit einem einheitlichen Verwaltungsrat etablieren kann, in dem Leitungs- und Kontrollfunktionen gebündelt werden (monistisches System). Das monistische System bietet den Vorteil, dass eine stärkere Einbindung der Aktionäre und des Verwaltungsrats in die operativen Prozesse möglich ist, was effektive und flexible Führungsstrukturen mit einem starken CEO ermöglicht.[85] Die Möglichkeit der Wahl des monistischen Systems macht die SE auf der einen Seite für Unternehmen interessant, die im Rahmen eines dual listing auch in London oder New York eine Börsennotierung anstreben, und auf der anderen Seite für kleine, bisher in der Rechtsform der GmbH inhabergeführte Unternehmen, die unter Beibehaltung ihrer Steuerungsmöglichkeiten die aktienrechtlichen Optionen der Kapitalbeschaffung nutzen möchten. Im Unterschied zur AG beträgt das in Aktien zerlegte Grundkapital der SE jedoch 120 000 EUR (Art. 4 SE-VO) und ist daher mehr als doppelt so hoch wie das Grundkapital der AG. Wie bei der AG muss aber auch bei der SE der Nennbetrag oder der auf die Aktie entfallende anteilige Betrag am Grundkapital nur mindestens 1 EUR betragen, da sich in der SE-VO und im SEAG keine weiteren Vorschriften finden und somit bezüglich der Arten und Gattungen der Aktien das nationale Aktienrecht, insbesondere § 8 Abs. 2, 3 AktG, Anwendung findet.[86]
2. Kapitel Grundlagen › I. Wesen der Aktiengesellschaft › 6. Erscheinungsformen der Aktiengesellschaft