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Menschlich reifen in der Beziehung
zum ganz Anderen
ОглавлениеBeim Beten verstehe und spüre ich mich wie in einem mentalen Raum, der unendlich ist. In diesem Gebetsraum befinde ich mich in Beziehung zu Jesus, zum Vater, zum Geist.
Die Beziehung zu Jesus ist eine Beziehung zu einem Freund. Auf ihn trifft zu: „Mein ganzes Glück bist du allein“ (vgl. Psalm 16,2). Ihm sage ich: Ich möchte dich so, so wie du bist! Sei du für mich der, der du bist! Ich finde dich als den, den die Evangelien mir zeigen und der mir im Hören und Lesen und Nachsinnen über das Gehörte und Gelesene gegenwärtig wird. Ich gebe mich ihm mit Leib und Seele, mit Haut und Haaren. Ich lebe mit Ihm.
Im Beten trete ich in Beziehung zum Vater, mit Jesus sage ich zu Gott „Abba“. Ich bin mit der ganzen Seele bei Jesus, wenn ich mich innerlich in Richtung Vater vortaste.
Die Beziehung zum Vater kann auch geschlechtsspezifische Akzente haben: Stacy Eldredge (Colorado Springs, USA) erzählt – als Frau – von ihrer Erfahrung mit Gott: „Nach Jahren in meiner christlichen Existenz begann ich mich danach zu sehnen, Gott als meinen Vater besser zu begreifen. Ich bat ihn, mir mehr davon zu zeigen, wie er mein ‚Dad‘ ist. Gott lud mich ein, eine Reise in die Tiefen meines Herzens zu unternehmen. Ich bin immer noch dabei und habe dabei überraschende Wendungen erlebt. Zunächst brachte mich Gott dazu, dass ich mich gründlicher mit meinem irdischen Vater beschäftige. Wer war er wirklich? Was dachte er wirklich über mich? Woran konnte ich mich überhaupt erinnern? Gott führte mich zu den verborgenen Plätzen in meinem Herzen, die immer noch wund waren und von Verletzungen schmerzten … Ich habe mich überhaupt nur auf diese Reise in mein Inneres eingelassen, weil ich wusste, dass ich nicht allein sein würde. Gott ging mit. Er würde mein Herz halten. Und ich hatte inzwischen gelernt, seinem Herzen zu vertrauen.“ (Eldredge S. u. J., Weißt du nicht, wie schön du bist? 146f)
John Eldredge sieht – als Mann – seine Beziehung zu Gott als Aufbrechen, als Abenteuer: „Unser falsches Selbst fordert immer erst ein Erfolgskonzept, bevor es einen Finger krumm macht. Es will eine Versicherung gegen drohendes Scheitern – und eine derartige Versicherung gibt es nicht. Also kommt im Leben eines Mannes unvermeidlich der Tag, an dem er alle Sicherheiten hinter sich lassen und mit Gott ins Unbekannte aufbrechen muss … Gott hat Adam aber sehr wohl etwas angeboten, und zwar seine Freundschaft. Adam musste das Leben nicht allein meistern; er konnte mit Gott in der Abenddämmerung spazieren gehen, und da tauschten sie sich aus …“ (Eldredge J., Der ungezähmte Mann, 270f)
Beten vollzieht sich auch als Beziehung zum Geist: Ich bin „im Geist“ bei den Leuten und bei den Aufgaben, die sich mir stellen. Der Geist – die Liebe – durchformt mich, ist mit dem Menschen, an den ich gerade denke. Ich hülle die Leute, die sich meinem Gebet empfehlen, in den Geist und sein Wirken. In einem Hymnus beten wir: „O Geist, vom Vater ausgesandt, o Kraft, vom Sohn verheißen: Ergieße dich in unser Herz und nimm es ganz zu eigen! Wo du bist, flammt die Liebe auf, und Liebe will lobsingen. Die Liebe öffnet Herz und Hand, sie will sich ganz verschwenden“ (Stundenbuch).
Esther Maria Magnis berichtet gegen Ende ihres Erfahrungsbuches über die Beziehung zu Gott: „‚Nur noch Gott‘, schrieb ich in mein Tagebuch. Nur noch Gott. Und so dachten und beteten wir uns nicht in einen Himmel hinein, sondern wir litten und freuten uns, wir warteten und liebten in seiner Gegenwart hier unten, wo wir Menschen alle sind. In der Welt. Die vollkommen offen war“ (Magnis E. M., Gott braucht dich nicht, 235f). Ich erlaube mir eine Anfügung: Nicht in den Himmel hinein, doch in seiner Gegenwart hier unten ist das, was wir Himmel nennen, in aller Verborgenheit schon da. Der Beter erfährt sich als voller, ganzer, für die Wirklichkeit in all ihren Dimensionen offener Mensch.