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Funktionen des Sammelns

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Das führt zu einer wichtigen, wenn auch nicht der einzigen Quelle des Sammelns: die Aneignung von Objekten des Magisch-Religiösen, des Krieges, des Wissens und der Künste zum Zwecke der Repräsentation der Dominanz derer, die über sie verfügen. Die Vielfalt und die formalen bzw. ästhetischen Veränderungen dieser Machtsymbole, die sich im Laufe der Jahrhunderte verändert haben, zeigt die ganze historische Spannbreite von Sammlungen als Mittel der Herrschaftssicherung und Legitimation. An ihr lässt sich die Geschichte von Sammlern und Sammlungen bzw. deren Funktionen vom Mittelalter bis in die Gegenwart ablesen. Das bezieht sich auf die Akteure und Träger von Macht, die sich ebenso ändern wie die Objekte ihrer Begierden und die Präsentations- bzw. Ordnungsformen ihrer Sammlungen. Zugleich verdeutlicht die Vielfalt dieser Sammlungsgegenstände und Strukturphänome von Sammlungen, dass sich unsere Betrachtung in diesem Buch ausschließlich auf herausragende und spektakuläre Sammlungen konzentrieren muss und nicht auf die unzähligen kleinen, bescheidenen Sammlungen. Für sie gelten zwar viele der genannten Impulse, nicht aber die der Machtsicherung und Weltverfügung. Die Geschichte von „Herrschaftsspiegelung und Weltverfügung“ (Rehberg) als Grundmotiv der großen Sammler reicht cum grano salis freilich von der Ansammlung gegnerischer Herrschaftssymbole in Kriegergesellschaften, die durch die Präsenz der erbeuteten Herrschaftszeichen und militärischen Ausrüstungen in Triumphzügen die eigene Dominanz sichtbar und durch deren Zurschaustellung in Arsenalen und Rüstkammern auf Dauer sichern möchten, bis zu modernen Nationalmuseen und öffentlichen Privatsammlungen, die ihren sozialen Rang und ihre kulturelle Hegemonie verdeutlichen wollen. Die Struktur- und Formverwandlung dieser Sammlungen, die uns in dieser Darstellung vor allem beschäftigen soll, beginnt in dem Maße, in dem die „Präsenzsymbolik“ vormoderner Waffen- und Reliquiensammlungen zur Legitimation von Herrschaft im Laufe der „Entzauberung der Welt“, einem zentralen Phänomen der Neuzeit, abnahm und durch sublimere Formen der Herrschaftsspiegelung ersetzt wurde. Nun entwickelten die europäischen Fürstenhöfe mit ihren Experten (Gelehrten und Kunsthändlern) Formen der Repräsentation von Herrschaft und Weltverfügung, die den Anspruch des Erhabenen und der Aura des Schönen in den Mittelpunkt ihrer kulturellen Machtansprüche stellten. Die Studierstuben italienischer Renaissancefürsten wie die Kunst- und Wunderkammern nördlich der Alpen trugen das Unerwartete und Wunderbare, das Schöne und Wissenswerte zusammen und sicherten ihren Besitzern den Nimbus des Besonderen und Mächtigen. Die Museen, deren Wurzeln in fürstlichen Sammlungen, aber auch in Sammlungen von Patriziern und Bildungsbürgern lagen, wurden seit dem 19. Jahrhundert zur zentralen Institution einer neuen Repräsentation von sozialer und kultureller Dominanz. Die bürgerlichen Privatsammler der Moderne traten im 20. Jahrhundert an ihre Stelle, anfangs als Ergänzung, später als Konkurrenten und dominante Figuren des Kunstbetriebs, die ihre eigenen Museen errichteten und damit ihre Autonomie bzw. Unabhängigkeit von staatlicher Kulturpolitik demonstrierten.

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