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Dynastische Sammlungen und Schatzkammern

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Als profanes Gegenstück zum Kirchenschatz wirkte die Ausstattung der weltlichen Residenzen. Die zahlreichen dynastischen Sammlungen in den Schatzkammern und Gewölben der Herrscherhäuser waren für deren Identitätswahrung fast noch wichtiger. Sie waren angefüllt mit Memorialobjekten und Reliquien, aber vor allem mit Silberpokalen, Tischaufsätzen, Gold- und Tafelsilber, Fayencen und Porzellan, schließlich mit Huldigungssilber, aber auch mit Porträts und Heiligenbildern. Sie wurden nicht aus einer ästhetischen Wertschätzung heraus gesammelt, sondern ihre meist ungeordnete und zufällige Aufbewahrung oder Aufnahme in eine Gesamtausstattung einer Residenz entsprang dem adligen Selbstverständnis und der Präsentation des dynastischen Vermögens wie der herrschaftlichen Machtbehauptung. Dass dem Silberschatz, der oft aus den zeremoniellen Akten des Geschenketausches bei Hofe durch Stände und Gesandte stammte, neben der Demonstration des Herrschaftsgeflechts auch eine materielle, ökonomische Funktion für den Not- und Bedarfsfall zukam, beweist allein schon die Tatsache, dass für die Silberschätze seit dem 17. Jahrhundert eigene, gut bewachte und geschützte Schatzkammern errichtet wurden, um sie im Kriegs- und Notfall zu veräußern oder einzuschmelzen. Das Grüne Gewölbe in Dresden stellte eine besonders kostbare Form eines Staatstresors dar, der allerdings seit seiner Gründung 1732 immer mehr ein Schatzkammermuseum darstellte, das ausgewählten Besuchern und nicht nur Staatsbesuchen zugänglich war. Dass die Juwelen und anderen Preziosen, Diamanten, Bergkristallgefäßen oder Porzellan, Prunk- und Zeremonialwaffen aus dem Grünen Gewölbe immer Objekt der feindlichen Begehrlichkeiten wie in schlechten Zeiten Notgroschen waren, die man verpfänden und in besseren Zeiten wieder auslösen konnte, zeigt die wechselvolle Geschichte der Sammlung Augusts des Starken.

Wie der Klerus war auch der weltliche Fürst allein schon aus seinem Amtsverständnis heraus zum Sammeln von Kostbarkeiten und Objekten des herrschaftlichen Prunks gleichsam verpflichtet. Eine klare Trennung von geistlicher und weltlicher Sammlung gab es, bezogen auf die Objekte des Sammelns, dabei nicht; nur dass im Staatsschatz des weltlichen Herrschers Herrscherinsignien ein Übergewicht besaßen. Auch gab es kaum eine Unterscheidung von persönlichem und dynastischem Besitz, auch wenn der eine oder andere Herrscher, vor allem im 14./15. Jahrhundert, zu erkennen gab, dass er die Schatzsammlungen als sein persönliches Eigentum betrachtete und für einzelne Objekte daraus auch eine besondere Wertschätzung entwickelte. Weltliche wie kirchliche Schatzkammern erfüllten dieselben Aufgaben: sie horteten Objekte von materiellem und kultisch-repräsentativem Wert. Sie demonstrierten das Vermögen eines Herrscherhauses wie eines Domkapitels oder Klosters. Ihre Aufgabe der Repräsentation erfüllten die Objekte bei kirchlichen und weltlichen Zeremonien, indem sie Teil eines Rituals waren und damit vor allem dessen Sinn verdeutlichen und gewährleisten sollten. Dazu gehörte auch die Präsentation der Fürstenschätze, wenn deren Besitzer unterwegs waren. Dann wurde das bewegliche Kunsthabe mit auf Reisen genommen, in Kisten verpackt oder zusammengerollt. Viele Transporte dieser Art kamen überhaupt nicht oder nur bruchstückhaft an ihrem Zielort an oder fanden den Weg zurück ins „Depot“. Wichtiger als der sorgfältige Umgang auch mit künstlerisch wertvollen Objekten war der symbolische Wert der Kunstwerke. Der kam erst in der Nähe der fürstlichen Besitzer zum Tragen, wenn sie als Teil der Herrscherrepräsentation zu dessen politischer Legitimation mitgeführt und gezeigt wurden. Kirchliche wie weltliche Schatzkammern und die darin gesammelten Objekte erfüllten vor allem institutionelle, an das Amt gebundene Zwecke und waren nicht Ausdruck des individuellen Selbstverständnisses und der persönlichen Neigungen des Besitzers. Sie entsprechen mithin nicht den Kriterien, auf denen eine neuzeitliche Sammlung gründet, und stellen allenfalls deren Vorläufer dar.


Abraham Jamnitzer: Daphne als Trinkgefäß, um 1600. Dresden, Grünes Gewölbe. Kostbare Trinkgefäße gehörten zu den Schaustücken einer fürstlichen Sammlung. Abraham Jamnitzer aus Nürnberg hatte für den sächsischen Hof das goldene Trinkgefäß mit Korallen verziert, um den Augenblick darzustellen, in dem sich die Nymphe Daphne durch ihre Verwandlung in einen Lorbeerbaum der Werbung Apolls entzieht.

Für beide Typen der Schatzhäuser und -kammern galt freilich, dass es seit dem 16. Jahrhundert auch fließende Übergänge zu einem neuzeitlichen Sammlungsverständnis gab. Die ersten fürstlichen Sammlungen, die im heutigen Verständnis dieser Bezeichnung entsprechen oder deutliche Ansätze eines veränderten Welt- und Kunstverständnisses zeigen, wurden im französischen Herrscherhaus der Valois bereits im 14. Jh. angelegt. In den Residenzen von König Johann (1319–1364) und seinem Nachfolger Karl V. wie bei Louis von Anjou, dem späteren König von Neapel, befanden sich Büchersammlungen, Kunstwerke und Produkte des Kunsthandwerkes, die nicht mehr nur aus Prunk- und Machtsucht und auch nicht als bloße Kuriositäten angehäuft waren, sondern die in ihrer Zusammenstellung eine eigene Handschrift erkennen ließen. Sicherlich besaßen sie nach wie vor die Aufgabe, die besondere Macht bzw. die ordnungsstiftenden Fähigkeiten des Herrschers zu repräsentieren. Neben ihrer Legitimation von Herrschaft besaßen sie jedoch eine gleichsam zweckfreie Bedeutung. Sie wurden allein aus der Freude an künstlerischen Formen und ihres Wertes als Kuriosität zusammengetragen und geordnet. Sie waren in Notzeiten auch nicht mehr in klingende Münze umzusetzen. Bereits in den Studierzimmern von Karl V. von Valois, König von Frankreich, die er sich im Louvre hatte anlegen lassen und die ihm den Rückzug in ruhige Räume erlaubten, wurden die Objekte annäherungsweise nach Sachgruppen geordnet. Darunter befanden sich Gemmen und Halbedelsteine, Prunkgefäße und Damaszenerware, astronomische Geräte, Statuetten, Duftstoffe und natürlich Bücher. Die Anordnung ergibt sich aus den Inventaren, die zum ersten Mal von fleißigen Intendanten der Valois angelegt wurden. Noch deutlicher tritt das Neue in den Sammlungen des dritten Sohns von König Johann, dem Herzog Jean de Berry, hervor. Auch er zeigte, ganz Kind seiner Zeit, Freude am Stofflichen und am Prunk. Daneben aber schimmern deutliche Züge einer Kennerschaft und auch Liebe zu den Sammlungsgegenständen durch. Die Objekte waren in den Inventaren nun nicht mehr nur nach Sachgruppen geordnet, sondern auch nach Untergruppen und deren Provenienz aufgelistet, was auf eine große Detailkenntnis des Herzogs oder seines Intendanten schließen lässt. Die religiösen Kleinodien waren beispielsweise in Kreuze, Kelche, Leuchter und Ähnliches unterteilt. Herkunftsregionen wurden genannt und als Merkmal eines Kunststils oder einer Kunstlandschaft gekennzeichnet. Auch sind, freilich sehr grobe, Ansätze einer chronologisch orientierten Zuordnung der Gemälde erkennbar. Schließlich wurden die Gold- und Silberschätze nicht mehr nur rein nach ihrem Gewicht bemessen, sondern nach ihrer Herstellungstechnik und ihren Verzierungen.

Dass das Sammeln für Jean de Berry zu einer wirklichen Leidenschaft, auch mit ihren unangenehmen zu Fälschungen und Erpressungen führenden Seiten geworden war, hat schon Julius von Schlosser, einer der ersten Historiker der Kunst- und Wunderkammern, erwähnt. Gerne vergaß es der Herzog, Bücher, die er zu Studienzwecken entliehen hatte, zurückzugeben und ließ sie, wie dies mit einem Exemplar einer „Chronique de France“ aus der Abtei von St. Denis geschehen war, schließlich in sein eigenes Inventar aufnehmen. Erst der Beichtvater konnte Jean de Berrry auf seinem Totenbett dazu bewegen, dieses Buch und einige andere Kunst- und Bibliotheksstücke, die sich der Herzog „entliehen“ hatte, den eigentlichen Besitzern zurückzugeben. Um die Sammlerlust zu befriedigen und den Herzog günstig zu stimmen, hatten überdies Verwandte dem Herzog auch zwei Nachbildungen einer berühmten antiken Gemme, der Gemma Augustea, geschenkt und mit einem Bildnis des Herzogs schmücken lassen. Auch diese tauchten neben anderen wirklich antiken Stücken, aber auch neben anderen Nachbildungen und Fälschungen in den Inventaren Jean de Berrys auf.

Während das Kunstsammeln und auch das Mäzenatentum im frühneuzeitlichen Frankreich vor allem Sache der Fürsten und des Staates waren, entwickelte sich Italien seit dem 15. Jahrhundert zum auserwählten Land der privaten Sammlungen, auch weil es hier keinen Zentralstaat gab. Privatsammler entfalteten sich in vergleichsweise großer Zahl in Mailand, Bologna, Verona, Venedig, Florenz und Rom und wurden dort zu Kristallisationspunkten stadtbürgerlicher Kultur und städtischen Patriotismus. Wer dort etwas auf sich hielt oder Einfluss in seiner Stadt gewinnen wollte, widmete sich seiner privaten Kunst- und Naturaliensammlung und richtete sich dafür einen eigenen Raum oder eine kleine Galerie ein. Wer zu der Prominenz von Kunstfreunden und -förderern gehörte, konnte nach einem langen Sammlerleben schließlich auch die städtische Verwaltung dazu bringen, dass diese sich der privaten Sammlung annahm bzw. sie übernahm.

Vorbild für die privaten Sammlungen der vornehmen Bürger und humanistischen Gelehrten waren jedoch die fürstlichen Sammlungen, die auch das städtische Kulturleben bestimmten. Ihre Sammlungen umfassten Objekte, die sich nur Männer von Rang und Vermögen leisten konnten: Kunstwerke, vornehmlich Plastiken der römischen oder griechischen Antike, wie sie eigentlich nur die Päpste besaßen, aber seit dem 15. Jahrhundert ein wahres Besitzergreifungsfieber auslösten und deren Aneignung vorwiegend Sache der Aristokratie und ihrer Demonstration von Rang und Geschmack war.

In dieser Zeit zeigten die Sammlungen italienischer Fürsten selten eine Tendenz zu einer durchdachten Spezialisierung, sondern sie waren bestimmt von dem eher zufälligen Nebeneinander von Naturalien und Kunstprodukten. Kunst und Natur lagen hier gewissermaßen im Wettstreit. Die Geschichte der Medici-Sammlungen zeigt exemplarisch und mit einer weiten Ausstrahlung auf andere europäische Fürstenhäuser die ständige Ausweitung und Systematisierung der Objekte, die die Vorfahren jeweils angehäuft hatten. Schon Cosimo der Ältere (1389–1464) und Piero de’ Medici (1416–1469) hatten Objekte von ganz unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichem Wert gesammelt. Darunter waren Münzen, Antiken und kostbare Handschriften. Lorenzo de’ Medici (1449–1492) hat dann die Sammlungen des Vaters und Großvaters um wichtige Stücke bereichert und durch ein Inventar auflisten lassen. Lorenzo erwarb und besaß handgeschriebene Bücher, Münzen, antike Skulpturen und Gemmen, Silbergefäße und Waffen. Hinzu kamen Gemälde, die er geerbt oder erworben hatte, teilweise auch unrechtmäßig; darunter befanden sich Schlachtenbilder von Paolo Uccello. Die aufwendig gearbeiteten Metallgefäße, von denen einige islamischer Herkunft waren, überstiegen nach Ausweis des Inventars den Wert der Gemälde. Den prachtvollsten und auch finanziell wertvollsten Teil seiner Sammlungen bildeten antike Steinvasen, darunter Gefäße aus Bergkristall, Vasen aus Lapislazuli oder Porphyr, eine Schale aus Jade und zwei große Amethystschalen, die übereinandergelagert eine Dose bildeten und mit einem reich verzierten Goldrahmen versehen waren. Der obere Abschluss des Gefäßes besteht aus einem Ring mit einem pyramidal geschnittenen Diamanten, ein Zeichen für Stärke, Klarheit und Ewigkeit, das die Medici schon seit den Zeiten des älteren Cosimo zum Sinnbild ihrer Familie erkoren hatten. Die Pracht des Materials und seiner Anfertigung kommt in der Feinarbeit des Diamantrings, der aus drei miteinander verschränkten Ringen gebildet war, besonders zum Ausdruck. Die Kraft der Natur und ihre Beherrschung durch menschliche Kunstfertigkeit sollten sich mit der Stärke und dem Geschick der Familie symbolisch verbinden. Seine teilweise äußerst kostbaren Sammlungsstücke hatte Lorenzo in seinen Privatgemächern, aber auch in den Nebenräumen seiner Palastkapelle untergebracht. Sein Nachfolger, der zum Herzog der Toskana aufgestiegene Cosimo I. (1519–1574), hat dieses Erbe nicht nur um südamerikanische und afrikanische Objekte sowie um eine Waffensammlung erweitert und systematisch rekonstruiert, nachdem es durch die Vertreibung der Familie 1494 vorübergehend konfisziert war; er hat die in geographischer wie in thematischer Hinsicht erheblich gewachsene Sammlung wirkungsvoll in eigens dafür geschaffenen Räume, wie die Guardaroba delle Carte Geografiche im Palazzo Vecchio, untergebracht. Diese waren durch ein ikonographisch ausgeklügeltes Bildprogramm geschmückt, das vor allem mit ästhetisch anspruchsvollen Deckengemälden den Zusammenhang zu dem Inhalt der Sammlungsschränke herstellte. Damit wurden die Einrichtung und die Präsentation der Sammlungen als zentrales Element einer dynastischen Geschichtspolitik wirkungsvoll in Szene gesetzt. Daraus entstanden später die Tribuna in den Uffizien. Francesco I. (1541–1587) versuchte schließlich den vielen und disparaten Sammlungsstücken eine Ordnung zu geben, indem er sich auf Anregung seiner Berater an dem Konzept des Studiolo orientierte. Die Vielfalt der natürlichen und der artifiziellen Welt sollte sich en miniature abbilden. Eine symbolische Ordnung, in der der ordnende und forschende Mensch im Mittelpunkt stehen sollte. Zugleich näherten sich damit die fürstlichen Sammlungen und die privaten Sammlungen humanistischer Gelehrter und Bürger konzeptionell, wenn auch nicht in ihren Größenordnungen und in der Kostbarkeit der Sammlungsstücke einander an.

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