Читать книгу Migräne & Co. - Hanspeter Hemgesberg - Страница 28
Chronische/Chronifizierte Migräne
ОглавлениеFür viele Betroffene mit einer chronischen Migräne bedeutet das eine extreme Belastung, denn eine Migräne-Attacke folgt nahezu ohne Pause auf die nächste.
Definition
Laut der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft/ICS ist eine Migräne chronisch, wenn an 15 und mehr Tagen pro Monat (über mehr als drei Monate hinweg) Migräne-Kopfschmerzen auftreten.
Außerdem müssen in diesem Zeitraum an acht oder mehr Tagen die Kriterien einer Migräne ohne Aura oder mit Aura erfüllt sein.
Verlauf, Vorkommen und Folgen
Bei einigen Migräne-Patienten – hinsichtlich der Häufigkeit und weiterer sozialer Faktoren liegen keine Studien vor; bekannt ist, dass Frauen etwa 4-4,5x häufiger als Männer daran erkranken; das Durchschnittsalter der Kranken liegt bei 42 Jahren / im Vergleich dazu: Bei Menschen, die an episodischer Migräne leiden, ist das durchschnittliche Alter etwa 4-5 Jahre niedriger – nehmen die Attacken über die Jahre hinweg so stark zu, dass sie fast jeden Tag unter Migräne leiden.
Eine derart schwere Form hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Lebensqualität, da Betroffene häufig bei der Arbeit ausfallen oder am Familienleben weniger teilhaben können.
Ätiologie (Ursachen)
Da oft mehrere Familienmitglieder eine schwere Migräne haben, vermuten Forscher einen genetischen Zusammenhang.
Wie auch bei episodischer Migräne sind die Ursachen der chronischen Form bisher noch nicht abschließend geklärt.
Sie kann als eine Komplikation der episodischen Migräne angesehen werden.
Davon abgesehen haben Mediziner Risikofaktoren entdeckt, die in Zusammenhang mit der chronischen Migräne gebracht werden. Dazu gehören
Übergewicht/Adipositas
Depressionen
Angststörungen
emotionale und verhaltens-bezogene Störungen
Schlafstörungen
(zum Beispiel durch Obstruktive Schlafapnoe, eine Erkrankung bei der Betroffene nachts Atemaussetzer haben)
Daneben müssen die folgenden Merkmale zutreffen:
Bevor die Migräne chronisch wird, ist eine episodische Migräne bekannt.
Andere Gründe für die permanenten Kopfschmerzen sind ausgeschlossen (z.B. ein Abusus von Schmerzmitteln oder weitere Erkrankungen)
Dazu kommt es bei 80 Prozent der Patienten zu Begleit-Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen.
Fazit:
Wer nahezu jeden Tag unter Migräne leidet, kann seinen Alltag kaum noch bewältigen.
Die Betroffenen können den täglichen Verpflichtungen nur noch schwer nachkommen und werden von Schuldgefühlen gegenüber Kollegen, Familie und Freunden geplagt.
Symptome
Beschwerden der chronischen Migräne sind:
1. mittlere bis starke, pulsierende Kopfschmerzen
2. Überempfindlichkeit gegenüber Lärm und/oder Licht
3. Übelkeit bis hin zu Erbrechen
4. Sprachstörungen
5. Schwindel
6. Kribbeln oder Taubheit in Armen und Beinen
Nicht alle Symptome treten bei jedem Patienten auf. Weiterhin können die Ausprägungen ganz unterschiedlich ausfallen.
Diagnose einer chronischen Migräne
Bei der Diagnose muss die Migräne von anderen Kopfschmerzen, wie häufig auftretenden Spannungskopfschmerzen, abgrenzt werden.
Besonders die Einschätzung, ob die chronischen Kopfschmerzen auch Folge eines Schmerzmittelübergebrauchs (Abusus) sein können,
stellen die Mediziner oft vor eine Herausforderung. Denn die meisten Menschen, die sehr oft Migräne haben, greifen immer wieder zu Medikamenten, um die häufigen Schmerzen erträglicher zu machen. Viele Betroffene entscheiden sich unter anderem auch deswegen für eine Selbstmedikation, weil sie von erfolglosen, schulmedizinischen Behandlungsversuchen frustriert sind.
Diagnostisches Vorgehen
1. Anamnese
Wie schon für die Diagnose der Migräne generell, so ist es auch hier immens wichtig, eine akribische Anamnese zu erheben und ein ausführliches Patientengespräch zu führen.
[Anamnese s. v. unter Migräne]
(dabei zusätzlich:
a) „Schmerzmittel-Gebrauch“:
wieoft nehmen Sie Schmerzmittel ein?; wieviele Tbl/Kps/Tr im Monatsmittel?; wielange nehmen Sie schon Schmerzmittel regelmäßig bis ständig ein?; welche Schmerzmittel nahmen/ nehmen Sie ein (z.B. Acetylsalcylsäure, Paracetamol, Nicht-Steroidale Anti-Rheumatika/Analgetika (NSAR) wie Diclofenac, Ibuprofen, Opioide wie Tilidin/ Naloxon, Tramadol, Cannabinol oder auch Buprenorphin, Codein, Fentanyl, Hydromorphon, Morphin, Oxycodon, Tapentadol?; haben Sie die Schmerzmittel-Dosis zuletzt steigern müssen, wenn ja auf aktuell wieviele und welche? –
Zusatzfrage:
Wie hoch ist der Migräne-Schmerzgrad auf einer Skala von 0-10 bei Ihnen im Mittel, am heftigten und am geringsten?
b) „Leistungsfähigkeit/Leistungsvermögen“:
wieviele Tage im Monat (im Mittel) geht es Ihnen aufgrund der Schmerzen so miserabel, dass Sie Ihrer Tätigkeit in Schule/Studium/Beruf/Haushalt nicht oder nur geringfügig nachkommen können?
c) „Schmerz-Freiheit“:
wieviele Tage im Monat sind Sie (im Mittel) völlig/weitgegend beschwerdefrei?
Hinweis:
Das Führen eines „Migräne-Tagebuchs ist auch hierbei ein wertvoller Helfer]
2. Weitere Diagnostik
Sowohl, was die einzelnen Untersuchungen durch Ärzte verschiedener Fachdisziplinen angeht, als auch die Labordiagnostik sowie die techn.-apparativen Untersuchungs-Optionen, so gelten die Vorschläge wie unter ‚Migräne‘.
Therapie der chronischen/chronifizierten Migräne
Gleich vorweg ein wichtiger Hinweis:
„Die Behandlung einer chronischen bzw. chronifizierten Migräne ist kein kurzer 100-Meter-Sprint, sondern vielmehr zumindest ein Marathon und oftmals ein Triathlon!“
Das verlangt vom Teilnehmer, dem Kranken, ein zähes Durchhalten. Das verlangt aber auch von seinem/seinen Behandler/-n Geduld und Zuwendung für diese Langzeit-Behandlung.
Mein Rat:
Hat sich die Diagnose einer „chronischen Migräne bzw. chronifizierten Migräne“ – das ist zweifelsfrei eine „Schmerzkrankheit“ () – bestätigt, dann sollte, nein, darf, vom bisher untersuchenden Arzt nicht gezögert werden, den an chronischer/chronifizierter Migräne leidenden Kranken umgehend entweder einem spezialisierten „Migräne-Neuro-Zentrum“ oder „Migräne-Ambulanz“ zuzuweisen.
In vielen Fällen wird eine v.a. längere stationäre Behandlung – optimalerweise in einer speziellen „Migräne-Kopfschmerz-Klinik“ – erforderlich sein. Vielmals nachgehend eine stationäre Rehabilitationsbehandlung und stets anschließend eine längere Zeit benötigende ambulante Nachbehandlung.
Zur Therapie selbst will und werde ich hier aus sicherlich nur allzu verständlichem Grund keine Empfehlungen niederschreiben.
Prognose
Wie bei jeder anderen durch einen Missbrauch (Abusus) – z.B. Alkohol, Drogen – verursachten „Abhängigkeits-Krankheit“, so verhält es sich auch bei einer chronischen Schmerzkrankheit, also auch bei einer chronischen/chronifizierten Migräne.
Bis zur völligen Wiederherstellung – physisch, psychisch, kognitiv-mental – braucht es seitens des Kranken einen „langen Atem“, ein „mehr als gutes Durchhaltevermögen“, insbesondere einen „eisernen Willen“ und eine „allerbeste Compliance“ (Therapietreue/Mitarbeit) in allen Belangen!
Das ist „conditio sine qua non!“
[ohne diese Bedingung geht nicht (in der Behandlung)]
Dazu die Einsicht, dass diese Behandlung – so sie von Erfolg gekrönt sein soll – kein „Ex-und-Hopp“ ist, sondern ein steiniger steiler und strapaziöser Bergaufweg.
Rückschläge auf diesem Weg sind ‚einprogrammiert‘, dürfen aber nicht zur Resignation führen.
Fazit:
Wer diese – zugegeben – ‚Tortour‘ durchhält, durchsteht, der kann danach als „Geheilter“ wieder sein Leben und ein Migräne-schmerzfreies genießen.