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Überlegungen zur Beratungsmethode

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Im Folgenden werde ich die beratungsmethodischer Seite der Team-Supervision ausleuchten. Bei Supervisionskollegen und auch bei mir selbst stelle ich immer wieder fest, wie schwer es ist, die eigenen Interventionsstrategien durch Hypothesen abzusichern, so dass sie nichts Zufälliges oder Willkürliches bleiben. Als Gruppenleiter – egal in welcher Form von Gruppe – wird jedem das Problem vertraut sein, welche Schwierigkeiten es bereitet, die vielfältigen Botschaften der Teilnehmer wahrzunehmen, zu verstehen und in entsprechende Leiteraktivitäten umzusetzen. Ich bin mir fast sicher, dass kaum ein Gruppenleiter im Moment sein Interventionen immer sehr klar und nachvollziehbar begründen kann, aufgrund welcher Einschätzung er zu seiner Intervention gekommen ist was sie bewirken sollte. Die Signale in dieser Phase des Gruppenprozesses setze sich aus dem zusammen, was die Teilnehmer verbal äußern, was sie atmosphärisch dabei ausstrahlen, ferner, wie der Gruppenleiter dieses geschehen aufgrund seines theoretischen Wissens und seiner Erfahrung einschätzt. Schließlich spielt noch eine Rolle, was der Gruppenleiter in dem Moment gefühlsmäßig wahrnimmt und welche Bilder sich bei ihm verdichten – also alles das, was wir psychoanalytisch unter Gegenübertragung verstehen.

Ich glaube, es gibt keinen Widerspruch, wenn ich behaupte, dass die Gefahr der selektiven Wahrnehmung durch den Leitergerade in Gruppen besonders groß ist. Bezogen auf Supervisionsgruppen kann man sich jetzt vorstellen, wie kompliziert die Leitung des Reflexionsprozesses ist, denn wir werden nicht nur mit der Dynamik einer ‚normalen‘ Gruppe konfrontiert, sondern in der Supervisionsgruppe spiegeln sich zusätzlich die institutionellen Bedingungen der jeweiligen Arbeit und die Wünsche und Erwartungen der Klienten. In Arbeitsteams finden wir eine sehr ausgeprägte Widerspiegelung der Institutionsdynamik wider, weil alle Mitarbeiter in die selbe Institution eingebunden sind.

Um sich als Team-Supervisor – und dies gilt in abgeschwächter Form natürlich auch für den Gruppen-Supervisor – durch dieses Geflecht von verwobenen Gruppenbeziehungsebenen nicht allzu sehr verwirren zu lassen, hat sich für mich das Suchen nach einem ‚Gruppenthema‘ bewährt. Unter Gruppenthema verstehe ich in Ablehnung an Stock und Lieberman (1976) eine übergreifende Erklärung, die alle Erfahrungen in der Gruppe als Einheit fasst. In vielen, ich möchte eigentlich sagen, fast allen Fällen, lassen sich scheinbar sehr heterogene Gruppenphänomene auf ein gemeinsames – oft unbewusstes – Anliegen zurückführen. Auch wenn die einzelnen Elemente des Teamprozesses auf den ersten Blick sehr verschiedenartig, ja gegensätzlich und untereinander beziehungslos erscheinen, so kann man doch eine gewisse Kohäsion annehmen. Dies liegt zum Beispiel in der Team-Supervision dadurch auf der Hand, dass sich alle Mitarbeiter schon länger kennen und sie durch den gemeinsamen Arbeitsbezug einen ähnlichen Erfahrungshintergrund teilen. „Diese Einheit in der Verschiedenheit ist in einem doppelten Sinn zu verstehen:

· Sie eint die Beiträge mehrerer, ja manchmal aller Gruppenmitglieder;

· Sie eint die verschiedenen Ebenen des Gruppenlebens, die man auch als Ausdrucksebenen oder die Sprachen der Gruppe nennen kann,“ Pagés 1974, 83);

· Weiterhin eint sie sie unterschiedlichen Einschätzungen, wenn zwei Supervisoren die Gruppenleiter.

Um das Spezifische dieser Gruppenmethode hervorzuheben, scheint mir die Abgrenzung verschiedener Gruppenmodelle hilfreich. Sinnvoll bietet sich hier die Klassifikation von Foulkes (1974) an, die er erstmals zur Charakterisierung unterschiedlicher methodischer Vorgehensweisen für die analytische Gruppentherapie herausarbeitete. Übertragen auf die Supervision von Gruppen können wir hier ebenfalls drei Modelle abgrenzen:

Modell A: Supervision ‚in‘ der Gruppe

Hier findet wie eh und je Einzelsupervision statt. Im Mittelpunkt steht der einzelne Supervisand, der sein Problem einbringt. Die zuhörenden Gruppenteilnehmer bringen sich höchstens durch kurze Beiträge oder Rückmeldungen ein. Als eigenständige Qualität spielt die Gruppe keine Rolle, d.h. der Supervisor setzt die Reaktionen und Beiträge der Gruppe nicht als Material zum Verständnis der Fallbearbeitung ein.

Modell B: Supervision ‚mit‘ der Gruppe

Die gesamte Gruppe wird wie eine einzelne Person behandelt. Im Mittelpunt der Arbeit steht entweder die Fallarbeit oder die Beziehung der Gesamtgruppe zur Supervisor. Argelander (1972) ist der wichtigste Vertreter dieser Richtung in Deutschland. Er wendet das Freudsche Strukturmodell auf die Gruppe an und spricht deshalb von Gruppen-Ich, Gruppen-Überich und Gruppen-Es.

Mit Einschränkungen würde ich auch Kutter und Roth (1981) mit ihrer analytischen Supervision, dem Balintmodell entlehnt, hier einordnen.

Modell C: Supervision ‚ mit‘ und ‚in‘ der Gruppe

Dies ist die von mir bevorzugte und hier diskutierte Methode. Der einzelne Supervisand als auch die ‚Supervisionsgruppe als Ganzes‘ werden hier in ihrer eigenen Dynamik gesehen. Beide gleich wichtigen Dimensionen sind untrennbar miteinander verwoben, bilden ein einheitliches Ganzes. So drückt jeder höchst persönliche Gedanke eines Supervisionsteilnehmers auch immer etwas über die gesamte Gruppensituation aus.

Dieser methodische Ansatz – eine Synthese aus Gestalttheorie und Psychoanalyse – wurde meines Wissens zuerst von Foulkes (1974) praktiziert. Neben den beretis erwähnten Gruppenanalytikern Stock und Lieberman (1976) zählt auch die französische Sozioanalytiker Pagés (1974) zu dieser Richtung.

Unter Gruppentheoretikern und –praktikern wird die Einschätzung über die Angemessenheit der einzelnen Modelle durchaus unterschiedlich diskutiert. Die kontroversen Positionen machen sich besonders daran fest. Ob man dem individuellen Anliegen des einzelnen Gruppenteilnehmers durch das Konzept der ‚Gruppe als Ganzes‘ – wie es in unterschiedlicher Ausprägung die Modelle B und C repräsentieren –gerecht wird. Ich will diese heikle Diskussion hier nicht vertiefen. Für mich hat sich aus der Perspektive des Gruppenteilnehmers wie auch als Gruppenleiter das ‚Modell C‘ als das realitätsgerechteste erwiesen. Ich bin mir dabei durchaus darüber bewusst, dass die Frage, welches Gruppenmodell denn nun die soziale Realität am wirklichkeitsgetreuesten wiedergibt, nur schwer zu untersuchen ist. Denn wie wir aus der sozialwissenschaftlichen Forschung wissen, stoßen wir immer auf das Dilemma, dass man in der Praxis die Ergebnisse wiederfinden kann, die man zuvor als hypothetische Annahmen formuliert hat.

In Bezug auf das von mir in der praktischen Supervisionsarbeit favorisierten Modell C – also Supervision ‚ in‘ und ‚mit‘ der ganzen Gruppe – ergeben sich theoretische Probleme ganz anderer Art. Es gibt nämlich, soweit ich das überblicke, bisher keine befriedigenden Erklärungen, wie sich das Gruppenunbewusste in der Gruppen- oder Teamsupervision konstituiert. Bezogen auf Arbeitsteams sehe ich drei Quellen, die dafür Hinweise geben könnten, und zwar:

1. Das je individuelle Unbewusste der einzelnen Mitarbeiter:

So nimmt Foulkes beispielsweise an, dass jedes Individuum seine lebensgeschichtlich wichtigen Familien- und Gruppenerfahrungen, die er „verinnerlichte Gruppenmatrix“ nennt, in jede neue Gruppe einbringt. Unbewusst versucht jedes Gruppenmitglied seine verinnerlichte Rolle zu spielen und die anderen Gruppenmitglieder in die Rolle der früher erlebten Mitglieder hineinzudrängen. So entsteht gleich zu Beginn jeder Gruppenbildung ein sehr feines spezifisches Gefecht aus Übertragungen und Gegenübertragungen.

2. Die unbewussten Anteile der Klienten:

In der sozialpädagogischen Arbeit identifiziert sich der Sozialtätige oft unbewusst mit seinen Klienten. Dieser unbewusste Identifikationsprozess ist oft die Voraussetzung für das gefühlsmäßige Verstehen der Probleme des Rat- und Hilfesuchenden. Für die Supervisionsarbeit hat Michael Balint diese Erkenntnis zuerst methodisch fruchtbar gemacht. In der sogenannten Fallbesprechung eines Sozialtätigen in der Gruppe von Berufskollegen (Balint-Gruppe) entfaltet sich die unbewusste Beziehung zwischen Helfer und Klient szenisch. In dem der Sozialtätige seinen Klienten schildert, reproduziert er in der Gruppe sein inneres Bild, das er von seinem Klienten hat. So wird in der Balintgruppe der Klient ein Stück weit lebendig. Die Kollegen reagieren auf den Bericht des Vortragenden im Sinne einer Gegenübertragung, sodass die unbewusste Beziehung zwischen Helfer und Klient durch entsprechende Interpretationen des Balintleiters transparent wird.

3. Das Unbewusste der Institution

Nach Pagés übernimmt die Institution insbesondere durch Hierarchisierung unbewusst eine Abwehrfunktion für ihre Mitglieder gegen Angst vor Isolation und Trennung.

Ich bin mir durchaus bewusst, dass es nicht unproblematisch ist, Foulkes und Pagés nebeneinander zu stellen, denn Pagés grenzt sich ausdrücklich von Foulkes ab, weil er dessen Übertagungskonzept als Motor der Gruppenbildung ablehnt. Für unser Anliegen stellen die kurz erläuterten drei Quellen zur Konstitution eines komplexen Gruppenunbewussten erst mal einen vorsichtigen Versuch dar, überhaupt Hypothesen in dieser Richtung zu formulieren.

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