Читать книгу Gedankenpiraten - Hardy Richard - Страница 8
Kapitel 6
ОглавлениеPaul stand, frisch geduscht und rasiert, vor dem Badspiegel, stütze sich am Marmorwaschbecken seines Bades ab und musterte sich. Dass er gut aussah wusste er. Die strahlenden grünen Augen und die dazu im Kontrast stehenden dunklen Haare machten es ihm leicht bei Frauen zu landen. Langsam fuhr er sich mit den Fingern durch die struppig gestylten Haare und schüttelte den Kopf. Susanne lag noch im Bett und schlief. Seit er denken konnte kannte er Susanne. Mit ihren 22 Jahren war sie zwar 5 Jahre jünger als er selbst, aber immer schon war sie diejenige, die vernünftiger war und ihn stets auf den Boden zurückbrachte. Seit ihrer Kindheit war sie immer an seiner Seite. Als sich seine Freunde von ihm abwendeten und er überall als Freak beschimpft wurde, ließ sie ihn nicht im Stich. Sie war immer seine beste Freundin, sein Kumpel, sein Vertrauter. Susanne war die Konstante in seinem Leben. Auch wenn sein Vater immer versucht hatte für ihn dazu sein, so war ihm Susanne doch näher. Allerdings, wie es im Leben oft so läuft, hatten sie sich irgendwann aus den Augen verloren. Das begann, als Paul anfing sich für das andere Geschlecht zu interessieren. Da war die kleine Susanne zwar noch die nette Nachbarstochter, aber wenn er den Mädchen in seinem Alter gefallen wollte, dann konnte er sich nicht mehr mit der Kleinen abgeben. Aber Susanne war hartnäckig. Immer wieder stand sie vor der Wohnungstür der Familie Schwarz, legte den Kopf zur Seite, blinzelte Paul mit ihren strahlend blauen Augen an und fragte ob er nicht mit ihr spielen wolle. Paul sah sich dann meist erst um, um sich zu vergewissern, dass ihn auch wirklich niemand sah. Und oft ließ er sich erweichen und spielte mit Susanne Lego oder Monopoly. Doch ganz langsam verlor auch Susanne das Interesse an diesen Spielen und auch an Paul.
Paul hatte einige Freundinnen und machte so langsam seine ersten Erfahrungen. Während dieser Zeit lernte er mit seiner Gabe umzugehen und sie zu steuern. So langsam fand er Spaß daran, sich in, wie er es nannte, andere Köpfe einzuloggen. Das Ereignis mit seiner Lehrerin, Frau Neumann, zeigte ihm zu was er imstande war. Doch welche Macht er auf einmal hatte, mit der er sogar das Schicksal anderer Menschen beeinflussen konnte, wurde ihm erst nach dem Arztbesuch richtig bewusst.
Es war etwa eine Woche nach der Kernspinuntersuchung. Wie so oft saß Paul mit seinem Vater beim Frühstück. Während Paul an seinem Toast knabberte verschaffte sich sein Vater einen kurzen Überblick in der Tageszeitung. Und wenn jemand eine Zeitung liest und man ihm gegenüber sitzt, so muss man, ob man will oder nicht, automatisch mitlesen. So ging es auch Paul. Gedankenverloren las er in der aufgeschlagenen Seite bis sein Blick bei einer Schlagzeile hängen blieb: „Arzt wegen sexueller Nötigung angezeigt“. Paul stutzte – dann las er weiter: „Wegen sexueller Nötigung ist ein bekannter Radiologe aus München von der Tochter des Star-Anwaltes Heiner Hold, angezeigt worden. Bei einem Vorstellungsgespräch in den Praxisräumen des Dr. W. wollte er eine Anstellung der jungen Ärztin davon abhängig machen, wie freizügig sie sei. Dabei habe er ihr eindeutige Anweisungen gegeben, was sie zu machen habe. Unter anderem sollte sie ihm zeigen, welche Unterwäsche sie trägt. Die Polizei hat nun die Ermittlungen aufgenommen“. Paul wurde es schlagartig übel.
Er konnte also in den Kopf von anderen Menschen einsteigen und den Körper übernehmen. Das war es also, warum er diese Kopfschmerzen und die irren Träume hatte. Er musste also nur noch lernen damit umzugehen. Er versuchte zwar mit seinem Vater und ein paar Freunden darüber zu reden, doch keiner wollte ihm glauben. Die meistens grinsten ihn dann nur mitleidig an und klopften ihm auf die Schulter. Sie dachten, dass er da irgendwie einen coolen Hypnose-Trick erlernt hatte. Vielleicht hatten sie auch einfach nur Angst vor ihm. Paul bekam es nie heraus. Jedenfalls sprach er nicht mehr darüber und versuchte alles in den Griff zu bekommen. Doch je mehr er sich gegen sein Talent sträubte, umso öfter kamen die Kopfschmerzen. Und die gingen dann meist darin über, dass er in irgendwelchen Köpfen landete. Manchmal machte es ihm dann Spaß als Fremder Dinge zu erleben, die ihm sonst verwehrt geblieben wären. So konnte er Kino-Filme sehen, ohne sich eine Karte kaufen zu müssen. Eintritt brauchte er von da ab nicht mehr zu bezahlen. Auch gab es für ihn keine Altersbeschränkungen mehr. Anfangs landete er auch in Personen, zu denen er keinerlei Verbindung hatte. Es geschah einfach. Mit der Zeit aber lernte er es zu steuern. Und wenn er sich nur genug konzentrierte, dann hatte er dabei auch keine Schmerzen mehr.
Eines Tages, Paul stand kurz vor dem Abschluss an der Universität, war Paul mit ein paar Freunden in einer In-Disco mitten in München. Sie waren dort Stammkunden und feierten immer lange und ausgiebig an der Bar und auf der Tanzfläche. Paul war gerade damit beschäftigt eine hübsche Blondine auf einen Drink einzuladen als er Susanne sah. Sie tanzte ausgelassen mit einer Freundin und schien dabei rund um sich herum alles zu vergessen. Paul konnte seine Augen nicht mehr von Ihr lassen. Beleidigt zog die blonde Schönheit mit ihrem Drink ab - Paul war nicht mehr ansprechbar und sie vergessen. Es saß auf seinem Hocker an der Bar, hielt seine Cola in der Hand und war fasziniert was aus dem kleinen Mädchen von Nebenan geworden ist. Jetzt war sie eine attraktive verführerische Frau. Sie hatte ein schwarzes, kurzes Kleid an, das sich um ihren schlanken Körper wie eine zweite Haut schmiegte. Beim Tanzen warf sie wild ihr langes rotes Haar zum Takt der Musik hin und her. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gästen auf der Tanzfläche war es Susanne egal, ob sie cool wirkte. Sie hatte einfach nur Spaß daran sich zur Musik zu bewegen und das sah man ihr auch an. Paul konnte nicht anderes, er musste sie ansprechen. Und obwohl sie sich schon ewig kannten und Paul auch schon tausende Male Hallo zu ihr gesagt hatte, war er jetzt irgendwie nervös. Auf einmal schien alles anders zu sein. Sein Magen krampfte sich zusammen und seine Hände wurden unangenehm feucht. Was war denn nur mit ihm los? Sonst war er immer der Coole, der alles im Griff hatte und dem die Frauen zu Füßen lagen. Und jetzt, wo er doch nur einer alten Freundin schnell Hallo sagen wollte, wurde er nervös? Paul war verwirrt und zugleich freudig erregt. Also stellte er sein Glas auf dem Tresen ab und ging langsam auf die Tanzfläche ohne Susanne dabei aus den Augen zu verlieren. Er stellte sich hinter Susanne, nickte ihrer Freundin zum Gruß zu, die Paul noch nicht kannte, und klopfte Susanne auf die Schulter. Wie in Zeitlupe drehte sie sich zu ihm um. Und da stand sie vor ihm und sah ihm für einen unendlich langen Augenblick in die Augen. In diesem Moment schien für die beiden die Welt stehen zu bleiben. Sie standen sich gegenüber und vielen sich wortlos in die Arme. Alles um sie herum schien im Nichts zu versinken. Es gab weder laute Musik noch irgendwelche Menschen. Paul spürte Susannes aufregenden Körper. Sie war nun wirklich kein Mädchen mehr. Ihre weiblichen, sanften Rundungen und der betörende Duft ihres Parfums raubten ihm fast die Sinne. Dann – nach einer weiteren Unendlichkeit, nahm Susanne ihn bei der Hand und zog ihn von der Tanzfläche nach draußen. Hier konnten sie sich wenigstens unterhalten. „Paul“ hauchte sie, „wie schön dich hier zu treffen. Gut siehst du aus.“ Paul wurde etwas verlegen, trat von einem Fuß auf den anderen und fixierte dabei den Boden. „Was machst du denn so, wir haben uns ja seit Jahren nicht mehr gesehen“ sprudelte es weiter aus Susanne, die seinen Kopf in die Hände nahm um ihm in die Augen sehen zu können. „Ich studiere noch und wollte einfach mit ein paar Kumpels etwas abhängen“ stammelte Paul. Susanne strahlte ihn an, umarmte ihn mit einer Heftigkeit die Paul fast die Sinne raubte. Dann, Paul war völlig überfahren, sah sie ihm tief in die Augen und sagte mit fast schmollender Stimme „Ich habe dich so vermisst. Warum hast du dich nicht mehr gemeldet?“ „Ich weiß es nicht – ich wusste ja nicht…“ Paul stockte. „Was?“ grinste Susanne und legte dabei den Kopf neckisch zur Seite. „Dass du so …“ „Also Paul, du musst deine Sätze schon beenden, sonst können wir ja nie heiraten“ feixte Susanne jetzt und grinste Paul breit an. Ihr Lächeln raubte Paul fast den Verstand. Die strahlend blauen Augen, ihre Sommersprossen, alles das kannte er seit er ein Kind war. Doch jetzt stand nicht mehr das zahnlückige Mädchen vor ihm, sondern ein Traum von Frau. Er konnte nicht anders, er nahm vorsichtig ihren Kopf in seine Hände und küsste sie sanft auf ihre samtig weichen Lippen. Susanne lächelte, strich ihm sanft durch die Haare und hauchte ihm leise „endlich“ ins Ohr. Paul nahm sie bei der Hand und meinte nur „Lass uns von hier verschwinden“. Susanne nickte wortlos.
„Wie bist du hier?“ fragte er. „Mit einem Taxi“. „Willst du mit zu mir kommen?“ hörte Paul sich sagen. Wie blöd, dachte er sich, noch plumper geht es wohl nicht. Doch auch dieses Mal nickte Susanne wieder ohne etwas zu sagen. Paul kam es vor, als ob sie sich nie aus den Augen verloren hätten. Es gab nie einen anderen Menschen im seinen Leben, der ihm so nah war. Und zu dem Gefühl dieser tiefen Freundschaft gesellte sich jetzt eine große Menge an Testosteron, was ihn alle seine Zweifel schnell vergessen lies. Er wollte diese tolle Frau jetzt haben, sie riechen, ihre Erregung spüren und den wundervollen Körper erkunden. „Da vorne steht mein Auto, wollen wir fahren?“ Susanne grinste jetzt nicht mehr, sie sah Paul mit einem tiefen, leidenschaftlichen Blick an und sagte mit leiser, erotischer Stimme „Ja Paul, das will ich sehr gerne“.
Pauls Wohnung war vielleicht 10 Minuten von der Disco entfernt. Doch diese kurze Zeit kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Susanne hatte es sich in dem SUV-Porsche bequem gemacht und beim Hinsetzen schob sie das kurze Kleid ein wenig nach oben, dass Paul sehen konnte, dass sie halterlose Strümpfe trug. „Nicht schlecht, die Kiste“ grinste Susanne und legte den Kopf in den Nacken. Paul konnte nicht anderes, er musste jetzt ihren Oberschenkel streicheln. Susanne rutsche noch tiefer in den ledernen Sitz und öffnete dabei leicht, fast unmerklich, ihre Beine ohne Paul dabei anzusehen. Paul schluckte. Er spürte, wie sein Hormonspiegel stieg.
„Konzentrier dich aber jetzt erst mal aufs Fahren“ gluckste Susanne, die genau wusste, wie sie auf den jungen Mann wirkte. „Für den Rest haben wir später noch viel Zeit“.
Von diesem Tag an waren Paul und Susanne ein unzertrennliches Paar. Und obwohl sie jede freie Minuten zusammen verbrachen und auch die Nächte ohne den anderen öde und leer waren, wollte Susanne nicht ganz zu Paul ziehen. „Erst, wenn du dein Leben wirklich lebst“ war dann immer ihre Antwort, wenn Paul sie wieder davon überzeugen wollte, dass eine gemeinsame Wohnung doch viel schöner und auch günstiger wäre. Er fragte dann immer, was sie damit meine. Schließlich lebe er doch schon lange sein Leben. Immerhin war er mit 18 Jahren von zu Hause ausgezogen, studierte erfolgreich und auch sonst hatte er deutlich mehr erreicht, als die meisten Jungs in seinem Alter. Doch Susanne sagte dann nichts weiter und lenkte sofort vom Thema ab.
Jetzt war Paul 27 Jahre und hatte so ziemlich alles, was man sich nur wünschen konnte. Er besaß eine geräumige 5 Zimmer-Eigentumswohnungen mitten in München, in bester Lage, am Englischen Garten. In der Doppelgarage standen sein Porsche Cayenne und wenn Susanne bei ihm war dann auch ihr VW Polo. Paul wollte ihr zwar schon öfter etwas Schnittigeres kaufen, doch Susanne lehnte immer wieder ab. Inzwischen hatte Paul seinen Abschluss in Medienwissenschaften gemacht und arbeitete bei einem privaten TV-Sender als Programmchef. Susanne hatte eine kleine Mietwohnung in Schwabing, vielleicht eine viertel Stunde von Pauls Wohnung entfernt. Dort lebte sie zwar kaum noch, aber sie wollte die Wohnung nicht aufgeben solange Paul nicht sein Leben lebte. Ihre Arbeit als Arzthelferin machte ihr zwar Spaß, aber leider war der Verdienst nicht gerade berauschend. Und um in einer Stadt wie München leben zu können suchte sie sich einen Nebenjob als Verkäuferin in einem Sportgeschäft. Dort arbeitete sie dann ab und zu an Samstagen um sich etwas mehr leisten zu können.
Jetzt stand Paul in seinem Luxusbad und irgendwie war ihm nicht wohl bei der Sache. Sollte er Susanne nicht einweihen? Wie lange wollte er dieses Spiel noch treiben und wie lange würde er es noch aushalten ein solches Doppelleben zu führen? Wieder schüttelte er den Kopf. Er konnte es ihr nicht sagen. Sicher würde Susanne ihn sofort verlassen.