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Kapitel 7
ОглавлениеEr ging aus dem Bad ins angrenzende Schlafzimmer, beugte sich über Susanne und küsste sie zärtlich auf den Mund. Susanne lächelte mit geschlossenen Augen und knarzte mit verschlafener Stimme „Musst du wirklich schon los? Lass uns doch einfach noch ein wenig kuscheln.“ Zu gerne wäre Paul dieser Aufforderung nachgekommen, doch das konnte er jetzt nicht. Schließlich hatte er einen Plan und der begann eben schon in der Früh. Also küsste er sie noch einmal und antwortete „Ich muss leider zur Arbeit. Wir haben heute viele Meetings und ich muss noch einiges vorbereiten. Bleib ruhig noch liegen. Ich hab dir schon einen Kaffee gemacht und frische Semmeln stehen auch auf dem Esstisch. Bis heute Abend“ „Schade, bis heute Abend, Schatz“ antwortete Susanne und zog dabei einen Schmollmund.
Dann setzte Paul sich in seinen Sportwagen und fuhr los. Im Gedanken ging er alles noch einmal durch. Aber warum sollte es diesmal nicht klappen? So oft hatte er schon ähnliche Coups gelandet und nie war etwas dabei passiert. Immerhin war er, seit er einmal fast erwischt worden wäre, sehr vorsichtig geworden. Lieber hatte er sein Vorhaben vorher abgebrochen, als dieses Risiko noch einmal einzugehen. Damals hatte ihn eine Überwachungskamera aufgezeichnet und die Polizei stellte ihm unangenehme Fragen. Als man ihm aber schließlich nichts nachweisen konnte, wurde er wieder freigelassen. Zu der Zeit war er gerade 17 Jahre alt und noch viel zu unreif.
Nach dem Vorfall beschloss Paul aus der Wohnung seines Vaters auszuziehen. Hannes Schwarz wurde damals sehr misstrauisch und fragte Paul immer wieder, wo er das Geld für die ganzen Sachen her hatte, die er sich als Jugendlicher schon leisten konnte. Paul wollte seinen Vater nicht immer anlügen und auch nicht in seine Machenschaften mit reinziehen. Deshalb beschloss er, ab diesem Zeitraum ein eigenes, unabhängiges Leben zu führen. Anfangs war Pauls Vater strickt gegen diesen Plan. Wie sollte Paul sich das leisten können? Eine eigene Wohnung – und das noch als Schüler. So etwas ist undenkbar. Doch Paul erklärte ihm, dass er neben der Schule arbeiten und es sich alleine verdienen würde. Schließlich, schweren Herzens, willigte Pauls Vater ein. Aber nur unter der Bedingung, dass er nicht so weit weg ziehen dürfte und sich mindestens einmal pro Woche bei seinem Vater sehen lassen müsste. Paul versprach es ihm und er hielt sein Versprechen. Zumindest das erste Jahr.
Seine erste eigene Wohnung war nicht weit von der seines Vaters gelegen, das hatte er ihm schließlich versprochen. Inzwischen war Paul jedoch noch einmal umgezogen und jetzt war der Abstand zumindest so groß, dass Paul seine Vorhaben in Ruhe und ohne schlechtes Gewissen planen konnte.
Susanne schlief noch weiter als Paul sich auf den Weg machte. Er war circa eine halbe Stunde unterwegs, bis er in dem westlich von München gelegenen Ort Fürstenfeldbruck angekommen war. Hier lag sein Ziel. Seinen Wagen parkte er in einer kleinen Nebenstraße, schließlich wollte er jetzt nicht auffallen. Alles sollte sehr diskret ablaufen. Nur so war sichergestellt, dass er unentdeckt bleiben würde. Keiner sollte sich später an ihn erinnern. Paul hatte sich extra unauffällige dunkle Kleidung angezogen. Er vermied es ein auffälliges Parfum zu tragen, oder besonders gut gestylt zu wirken. Er trug eine unauffällige, getönte Brille die perfekt in jede Fielmannwerbung passen würde. Er trug einen schwarzen, dezenten Koffer bei sich. Zu Fuß ging er zielstrebig zum BMW Händler im nahegelegenen Gewerbegebiet. Dort lag heute sein Ziel. Er ging in das Autohaus und sah sich nur kurz um. Dabei vermied er Augenkontakt zu Mitarbeitern. Niemand sollte ihn wahrnehmen oder sogar ansprechen. Den Koffer stellte er unauffällig hinter einem Werbeplakat des neuesten 7er. Dann verließ er schnell wieder das Geschäft. Etwa 50 Meter vor dem Autohaus blieb er stehen und beobachtete unauffällig wer dort ein- und ausging. Dann setzte er sich in ein Buswartehäuschen direkt an der Straße vor dem Geschäft. Vorher vergewisserte er sich am Fahrplan, dass in der nächsten halben Stunde kein Bus hier ankommen würde. Schließlich würde er sonst Gefahr laufen, dass jemand versuchen könnte den schlafenden Mann zu wecken damit er seinen Bus nicht verpasst. Er zog sich den Kragen seiner Jacke hoch und lehnte sich bequem auf der Wartebank zurück. Der Rest war für ihn mittlerweile Routine.
Paul konzentrierte sich kurz und dann sog ihn der wohlbekannte Wirbel aus seinem Körper. Einen kurzen Moment später sah er sich im Autohaus wieder. Er blickte an sich hinunter und sah zufrieden, dass er ein Kleid mit großem floralem Druck trug. Er befand sich in einem neuen Auto. Neben ihm, auf dem Beifahrersitz, saß ein freundlicher junger Mann, der im Moment damit beschäftigt war ihm die Funktionen des Autos zu erklären. Genau diesen Moment wollte er abpassen. Er entschuldigte sich bei dem Verkäufer, dass er für einen Moment ins Badezimmer müsste, aber gleich wieder kommen würde. Er stieg aus dem Wagen, ging kurz auf die Kundentoilette und blickte in den Spiegel. Dort sah er eine knapp 60 Jahre alte, gepflegte Frau, die etwas zu viel Make Up aufgetragen hatte. Ansonsten war alles recht geschmackvoll durchgestylt. Die Dame hatte sicher genug Geld zur Verfügung um sich eine größere Limousine leisten zu können. Doch das wusste Paul bereits alles. Schließlich hatte er seine Hausaufgaben erledigt und schon im Vorfeld recherchiert. Er besuchte im Laufe der Zeit immer wieder verschiedene Geschäfte in unterschiedlichen Gegenden und suchte sich professionell und beharrlich seine neuen Opfer aus. So belauschte er vor einer Woche, wie die Dame, in deren Körper er jetzt steckte, in dem Autohaus mit einem freundlichen Verkäufer über den Kauf eines BMW X6 mit Vollausstattung sprach. Heute sollte die Übergabe des Autos sein. Die Dame wollte den Betrag in bar bezahlen. So sollte sie nochmal einen guten Preisnachlass bekommen.
Von der Bushaltestelle aus hatte Paul, bevor er sich in die Dame umloggte, genau den Zeitpunkt abgewartet bis die Kundin dem Verkäufer eine Geldtasche übergeben hatte. Der ging mit einer Sekretärin zum Tresor und gemeinsam sperrten sie die Tasche weg. Jetzt waren also mindestens 120.000 Euro im Geldschrank. Paul, der jetzt im Körper der Kundin eingeloggt war, sah sich kurz um und checkte die Lage. Alles lief nach Plan. Er setzte sich wieder in das neue Auto der Dame und machte es sich im Sitz bequem. Sie sollte gar nicht merken, dass sie für kurze Zeit „übernommen“ wurde. Er bat den Verkäufer mit der Erklärung weiter zu machen. Dann gab Paul den Körper wieder frei um sogleich in die Sekretärin umzusteigen. Etwas benommen fand er sich auf einem Bürodrehstuhl wieder. Eine Mitarbeiterin der Verkaufsabteilung bemerkte jedoch sofort, dass mit ihrer Kollegin etwas nicht stimmte.
Sie ging zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter „Ist mit dir alles in Ordnung?“ fragte sie mitfühlend. „Ja, ich habe heute nur etwas Kopfschmerzen“ antwortet Paul als Sekretärin. „Liegt wohl am Wetter“ meinte die freundliche Kollegin und ging zurück zu ihrem Arbeitsplatz.
Paul atmete tief durch. Solche Situationen hasste er. Leicht konnte er sich so verraten. Keiner würde zwar darauf kommen, dass er diesen Körper übernommen hatte, doch trotzdem war es riskant für ihn. Und schließlich musste alles ganz schnell gehen. Er hatte nur wenig Zeit, sonst würde sein Plan nicht funktionieren. Er wusste aus seinem vorhergehenden Besuch, dass der Tresor bis zum Abend nicht mehr verschlossen würde, da er nur mit zwei Schlüsseln – mit dem vom Geschäftsführer und der Sekretärin zusammen, geöffnet werden konnte. Das war im Alltag unpraktisch und so schlich es sich ein, dass er zwar zugemacht, aber nicht verschlossen wurde. Für einen Laien war dies nicht zu erkennen. Doch Paul hatte sich seit einigen Jahren genau auf dieses Gebiet spezialisiert. Fachmännisch hatte er es sofort erkannt, dass der Verschlussmechanismus nicht eingerastet war.
Er wusste genau, dass, sobald er einen Körper verlassen hatte und das Bewusstsein des ursprünglichen Besitzers wieder Einzug erhielt, der Körper sich im ersten Moment wehren und mit Kreislaufproblemen und Übelkeit reagieren würde. Natürlich bemerkte der einweisende Verkäufer, dass es der Kundin in ihrem neuen Fahrzeug nicht gut ging. Paul sah, dass die Dame benommen im Auto saß und kaum antworten konnte. Der Verkäufer rief um Hilfe und natürlich war er innerhalb kurzer Zeit von sämtlichen Mitarbeitern, die im Verkaufsraum anwesend waren, umringt. Auf diesen Moment hatte Paul gewartet. Er ging langsam und unauffällig zum Tresor, öffnete ihn und nahm die Geldtasche heraus. Er nahm sie an sich und legte sie in den bereitgestellten Koffer. Dann holte er schnell ein Glas Wasser vom nahegelegenen Wasserspender und gesellte sich zur leicht panischen Kollegschaft am X6 der Kundin. Er verließ wieder den Körper der Sekretärin, die daraufhin in sich zusammensank. Jetzt wurde die Aufregung im Autohaus noch größer. Zuerst wurde es der Kundin schlecht und nun kollabierte auch noch die Sekretärin. Paul übernahm sofort den Körper des Lagerverwalters, der hinter seinem Schalter stand und vertieft einen Prospekte wälzte. Er verließ den Schalter, nahm den Koffer an sich und marschierte langsam und bedacht aus dem Autohaus. Er ging nicht über den großen Platz vor dem Autohaus, sondern bewegte sich geschickt zwischen den geparkten Autos direkt in Richtung Bushaltestelle. Er überzeugte sich, dass ihn niemand sah, stellte den Koffer hinter dem Wartehäuschen ab und ging sofort wieder zu seinem Schalter, nahm den Prospekt, den er gelesen hatte, zur Hand und setzte sich so hin, dass es aussah, als ob er eingeschlafen wäre. Dann verließ er auch diesen Körper und landete schließlich wieder als Paul auf der Bank der Haltestelle. Sofort machte er sich auf den Weg, nahm den Koffer an sich und ging direkt, ohne Umweg zurück zu seinem Auto. Er warf den Koffer in den Kofferraum, setzte sich ans Steuer und fuhr los. Paul grinste sich selbst im Rückspiegel an. Kein schlechter Schnitt, dachte er sich. In nicht einmal einer halben Stunde 120.000 Euro zu verdienen lohnt sich doch immer wieder. Dann gab er Gas und machte sich auf den Weg zum Sender.
Er hatte noch etwas Zeit, da es im Autohaus so gut gelaufen war. Also fuhr er noch kurz in ein Café, das nicht weit von seinem Arbeitsplatz gelegen war. Er parkte seinen Porsche davor auf dem Parkplatz. Den Koffer mit dem Geld ließ er im Wagen liegen. Hier war er dank Alarmanlage und GPS-Fahrzeugortung am besten aufgehoben. Dann ging er ins Cafe und gönnte sich eine Latte-Macchiato und ein Mandelhörnchen. Die Verkäuferin am Tresen begrüßte ihn, wie fast jeden Morgen, überschwänglich freundlich. Sogar ein im Koma Liegender hätte bemerkt, dass die junge blonde Frau von Paul mehr als angetan war. Paul setzte sich an einen kleinen runden Tisch in einer Ecke und die Bedienung brachte ihm seine Bestellung. Sie stellte ihm den Kaffee auf den Tisch, grinste ihn mit einem breiten Lächeln an und fragte „Haben Sie heute gut geschlafen? Sie sehen so fröhlich aus.“ „Alles bestens“ war die kurze Antwort. Doch die Blondine wollte sich nicht so schnell geschlagen geben. „Arbeiten Sie hier in der Nähe?“ bohrte sie weiter. Paul merkte, dass er hier keine Chance auf Ruhe hatte, ohne ein kurzes Gespräch mit der Schönheit zu führen. Also legte er seine Zeitung, die er gerade zu lesen begonnen hatte, zu Seite und wandte sich der Bedienung zu. Zum ersten Mal, seit er in dem Cafe verkehrte, sah er sie bewusst an. Sie war eine hübsche Erscheinung. Strubbelige, halblange blonde Haare, eine nette Figur und lustige Sommersprossen rund um ihre Stupsnase. An sich fiel sie genau in Pauls „Beuteschema“, doch seit er mit Susanne zusammen war, hatte er sich auf kein Abenteuer mehr eingelassen. Und was das Beste war, er vermisste nichts und fühlte sich sogar gut dabei. Doch die fast schon aufdringliche Art dieser Frau weckte seinen Jagdinstinkt. Zwar hatte er kein echtes Interesse, dennoch war es für ihn schmeichelhaft, dass sich sein Marktwert anscheinend noch nicht verschlechtert hatte. „Wollen Sie sich nicht einen kurzen Moment zu mir setzen“ fragte er sie. Dabei deutete er auf den freien Stuhl neben sich. „Das darf ich leider nicht, da flippt der Chef gleich aus“ war die kleinlaute Antwort. „Sie können ja eine Bestellung aufnehmen, während wir uns ein wenig unterhalten“ schlug Paul vor. „Auf ihre Verantwortung“ lächelte sie ihn an und setzte sich neben Paul. „Ich bin die Elli“ hauchte sie und streckte Paul die Hand entgegen. Elli erzählte Paul, dass sie eigentlich Schauspielerin war und nur, solange sie keine Engagements hatte, sich ihren Lebensunterhalt als Aushilfskellnerin verdiente.
„Vielleicht kann ich da ein wenig helfen“ meinte Paul. „Wir planen gerade eine neue Serie für die, soweit ich informiert bin, noch Schauspieler gesucht werden.“ „Das würden Sie wirklich für mich machen?“ fragte Elli und sah Paul mit einem Augenaufschlag an, der einer alten Mumie wieder Leben eingehaucht hätte. Paul zog eine Visitenkarte aus seinem Sakko, gab sie Elli und während er aufstand grinste er sie an
„Mal sehen, rufen Sie mich doch einfach heute Nachmittag an. Dann weiß ich vielleicht schon etwas mehr“. Er bezahlte und ging aus dem Cafe zu seinem Sportwagen. Nachdem er seinen Kofferraum gecheckt und festgestellt hatte, dass noch alles da war, setzte Paul seinen Weg zum Fernsehsender fort.