Читать книгу Türen - Harry Flatt-Heckert - Страница 15

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Und nun sollte ich für immer tot sein. (Ich weiß gar nicht, ob ich hinter diesen Satz ein Ausrufe- oder Fragezeichen machen soll. Darum habe ich sicherheitshalber nur einen Punkt gesetzt.) Sei es drum. Nun also tot. Gut. Ich war einverstanden. Wenn auch nur schweren Herzens. Was blieb mir in diesem Moment auch anderes übrig? Ich wusste ja auch nicht, ob mir das Totsein gefallen würde. Für immer. Ich wusste nur, dass ich nicht für immer hierbleiben konnte. In diesem erstarrten und allmählich kälter und kälter werdenden Äußeren, in dem mein Inneres keine Heimstatt mehr haben konnte. Es wurde Zeit für mich. Zeit, die Sicherheit meines Äußeren aufzugeben und mich mit meinem Inneren auf Neues einzulassen. Nun denn, also. Ich zog die Hände vorsichtig, ganz vorsichtig aus beiden Armen, umschlang mich im Innersten selbst, um mir etwas Wärme zu bewahren. Aber je länger es dauerte, desto klarer wurde mir, dass mein Äußeres und mein Inneres sich nun bald voneinander verabschieden mussten. Mir wurde schlagartig klar, dass das nicht nur eine Frage der Temperatur war, nein, es war die Frage danach, wie lange mein Äußeres und mein Inneres überhaupt noch so etwas wie ein Zusammengehörigkeitsgefühl hatten. Aber hatten wir das jemals? Waren wir jemals eine Einheit? Ich hatte Angst, mir diese Frage zu beantworten. Wahnsinnige Angst. Sicher, ab und zu gelang mir diese Einheit. Wenn ich es schaffte, das Glück einfach so in den Abfluss zu schleudern und mein Unglück tatenlos danebenstand. Mein Unglück, meine Schuld und mein Ich, das mir in solchen Momenten oft so fremd war.

Ich wusste, dass ich gehen musste. Dass ich nicht mehr viel Zeit hatte, um diesen leblos vor sich hin liegenden Körper, der so oft wie ein Gefängnis für mich war, zu verlassen. Und ich wollte ihn auch verlassen. Er schien mir irgendwie nicht mehr passend. Aber wie sollte ich hier überhaupt herauskommen? Wie groß musste die Öffnung sein, um in Gänze hier heraus zu kommen? Wie groß war die Gänze meines Inneren überhaupt? Was war denn überhaupt die Gänze meines Inneren? Es war wie verhext. Was ist ganz, was ist die Gänze? Wenn ich hier raus wollte, raus musste, wie? Es schien mir absurd, dass ich mit der Gänze meines Inneren durch so kleine Öffnungen wie mein Ohr, meinen Mund oder, noch schlimmer, durch meinen After entkommen müsste. Das fand ich am schlimmsten. Damit hatte ich immer Schwierigkeiten. Aber darüber möchte ich nicht reden. Der Gedanke, dass ich durch die Nase entfleuchen müsste, schien mir noch verrückter. Dann müsste ich mich teilen, weil ich ja zwei Nasenlöcher hatte. Und ich erlebte mich ja ohnehin oft als geteilte, wenn nicht sogar als gespaltene Persönlichkeit. Und das sollte jetzt vorbei sein. Ich wollte eins sein. Nase schied also aus. After auch. Das war klar. Definitiv. Also Mund oder Ohr. Schön war der Gedanke an beides nicht. Aber was blieb mir? Also, wo sollte es hinausgehen?

Es war ja vorhin kein Problem, meine Hand oder auch meinen Blick in mein Innerstes zu richten, aber ich wusste nur noch allzu gut, wie sehr mich der Anblick meines Innersten verstörte. Und gehörten mein Gehirn, meine Speiseröhre und mein Magen und all das andere, was sich innerhalb meines Körpers befand, nun eigentlich noch zu meinem Inneren oder waren sie doch nur Teil meines Äußeren? Ich hoffte nicht. Ich war extrem verunsichert. Wie sollte ich den Weg in die Freiheit finden? Und was hieß überhaupt Freiheit? Vor allem, wenn man tot ist? Und davon, dass ich tot sein musste, war ich mittlerweile überzeugt. Ja, ich war tot. Zweifelsohne. Und eigentlich machte mir Freiheit ja eher Angst, als dass sie mich reizte. Ich sammelte mich, sah mich noch einmal kurz in mir selbst um, stellte mit einiger Genugtuung fest, dass mich wirklich nichts mehr in mir hielt und machte mich vorsichtig auf den Weg. Vorsichtig und ängstlich. Aber auch entschlossen.

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