Читать книгу Türen - Harry Flatt-Heckert - Страница 9

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Ich war also gestorben und offenbar wohl schon eine ganze Weile tot, als ich erwachte. Eine andere Erklärung fiel mir beim besten Willen nicht ein. Ich musste schon deshalb tot gewesen sein, weil ich, seit ich wach war, überhaupt nichts vom Sterben mitbekommen hatte. Wenigstens das Sterben hätte ich doch registrieren müssen. Als eine Tür vom Hier ins Dort. Oder so. Aber nein, ich habe nichts gemerkt. Wie immer. Nur, dass alles so anders war, so merkwürdig. So befremdlich, dass ich es für einen Traum hielt. Für einen Traum, den ich vielleicht wie die Zeit einfach aushalten musste. Wie die Zeit, wie den Tunnel. Einfach durch. Aber das hatte ich ja versucht. Erfolglos. Also war ich wohl tot. Einfach tot.

Wenigstens außen. Innen fühlte ich mich indes ziemlich lebendig. Das war schon eine Ausnahmesituation für mich. Das kannte ich nicht. Woher auch? Ich war ja noch nie tot. Einfach aufwachen und tot sein? Damit hatte ich keinerlei Erfahrung. Gar keine. Damit hatte ich auch nicht gerechnet. Aber nun schien es so zu sein. Einfach so. Ich hatte so etwas immer für unmöglich gehalten. Ich dachte, man müsste es doch irgendwie merken, dass es zu Ende geht. Dass man stirbt. Ich merkte nichts. Ich war einfach tot. Bloß so. Und außer mir wusste noch niemand etwas davon. Vermutete ich. Wie auch? Mir war es ja selbst gerade erst aufgefallen. Fing gerade erst an, mich mit diesem Gedanken vertraut zu machen, mich an diesen Gedanken zu gewöhnen. Bisher hatte ich mir über den Tod oder das Totsein auch noch überhaupt keine Gedanken gemacht. Warum auch? Natürlich hatte ich hier und da schon mal ans Sterben gedacht, ich war ja nun auch mittlerweile vierundsechzig Jahre alt. Da kann so was schon mal ganz schnell gehen. Fällt einfach um, wird schwer krank. Hörte man ja immer wieder. So etwas. Natürlich hatte ich schon mal darüber nachgedacht. Aber nur so am Rande. Ganz kurz und oberflächlich. Und natürlich gehofft, dass es schnell und ohne große Schmerzen vor sich gehen würde. Und mir diese Gedanken ganz schnell wieder aus dem Kopf geschlagen. Und nun war es offensichtlich so. Und es ging, wie erhofft, schnell und sogar völlig unbemerkt. Ja, ich musste mich selbst erst einmal an diesen Gedanken gewöhnen.

Ich wusste auch nicht, wie ich ihn finden sollte. Diesen Gedanken. Eigentlich hätte er mir Angst machen müssen. Dieser Gedanke. Dass ich tot war. Aber zu meinem Erstaunen ging es mir bei diesem Gedanken nicht so schlecht, wie zu erwarten war. Wie ich erwartet hatte. Ich hatte nämlich erwartet, dass mich die Gewissheit, dass ich tot war, in tiefe Verstörung stürzen würde, in heillose Panik versetzen oder mich wenigstens in tiefe Trauer werfen würde. Ich dachte zumindest, dass es so sein würde. Dass es so sein müsste. Aber jetzt, da mir klar wurde, dass ich wohl tot war, stellte sich das ganz anders dar. Keine Panik, keine Angst, keine Bestürzung, Trauer oder Verwirrung. Nichts davon. Im Gegenteil. Die Stunden vorher, als ich hilflos und unsicher durch meinen Körper streifte und das alles für einen bösen, für einen besonders perfiden Traum hielt, empfand ich als viel verwirrender. Auch mein Leben setzte mich oft viel mehr unter Stress. Jetzt, da ich wusste, dass ich höchstwahrscheinlich tot war, machte mir das deutlich weniger Schwierigkeiten. Im Gegensatz zu vorher herrschte jetzt wenigstens wieder eine, wenn auch merkwürdige, Ordnung.

Tot zu sein war vielleicht kein besonders anzustrebender Zustand. Sicher nicht. Aber er bot mir zumindest wieder eine gewisse Struktur an. Die verstörende Situation der letzten Stunden war dagegen reinstes Chaos. Und ich hasste Chaos. Immer schon. Wenn ich etwas partout nicht leiden konnte, dann war das Chaos. Falsch einsortiertes Besteck in der Küchenschublade. Nicht korrekt zusammengelegte Unterwäsche im Kleiderschrank. Naturbeete. Am meisten hasste ich Naturbeete. Ja. Wo einfach alles durcheinander wachsen durfte, wie es wollte. Ohne Ordnung, ohne Struktur und ohne erkennbaren Plan. Wie gesagt, der Gedanke, tot zu sein, war nicht schön, aber immerhin einigermaßen ordentlich. Das beruhigte mich. Wenn es mich auch nicht glücklich machte.

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