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7 Der Fund
ОглавлениеAuf der Höhe des Yangudi Rassa National Parks in Äthiopien, etwa 20 Kilometer westlich der Route 18 gelegen, befindet sich inmitten eines ausgetrockneten Sumpfgebietes die Ausgrabungsstätte Bodo d'Ar. Sie ist benannt nach dem gleichnamigen Flüsschen, das einige Kilometer weiter in den Awash River mündet. Von 1975 bis 1978 wurden dort unter den vielen Wirbeltierfossilien bemerkenswerte Funde in Form von Teilen eines hominiden Schädels gemacht. Bei weiteren Ausgrabungen zwischen 1981 und 1990 wurden noch mehr Schädelteile sowie Teile eines Oberarmknochens gefunden.
Dies alles hatte die Entscheidung des Anthropologie-Professors Jens Nielsson von der Universität Sheffield in Großbritannien, im gleichen Gebiet erneut Ausgrabungen vorzunehmen, stark beeinflusst. Auch er war ein Opfer der weltweiten Pandemie gewesen. Nachdem er aber vom Covid-19 Virus genesen war und die fürchterliche Corona-Seuche weitgehend eingedämmt werden konnte, widmete er sich wieder vermehrt seinem Projekt. Seit längerem schon studierte er den sogenannten Langschädel-Kult. Demzufolge soll dieser Kult bereits vor Urzeiten auch in dieser Region aufgetreten sein.
Er stellte deshalb, nachdem ihm die Forschungszuschüsse zugesichert wurden, ein kleines Team zusammen. Neil Edwards, den er seit kurzem auf Empfehlung von ganz oben zu seinem Assistenten ernannt hatte, war in erster Linie zuständig für die Organisation der technischen Infrastruktur, die für das Unternehmen Bodo nötig war. Einer der wichtigsten Punkte war die Kommunikation, die in dieser gottverlassenen Gegend lebenswichtig sein konnte. Man wusste von den ersten Expeditionen, dass beispielsweise Schlangen und andere Kriechtiere in diesem Gebiet durchaus eine Gefahr darstellen konnten. Deshalb gehörten entsprechende Gegengifte zur Standardausrüstung für eine solche Unternehmung. Genauso wichtig war aber die Gewissheit, dass ein abgesetzter Notruf den Empfänger auch erreichte. Neil hatte aus diesem Grund Satellitentelefone geordert, die hauptsächlich in Gebieten ohne terrestrische Mobilfunkversorgung zum Einsatz kamen. Diese Telefone waren zwar keineswegs abhörsicher, erfüllten aber ansonsten ihren Zweck.
Auch die Beschaffung von geeigneten Waffen zum Schutz der Expedition fiel ebenso in den Zuständigkeitsbereich des Assistenten. Obwohl Raubtiere wie Löwen, Leoparden und Hyänen außerhalb der Nationalparks nur noch selten beobachtet werden können, durfte dieses Risiko nicht vernachlässigt werden. Neil entschied sich aus praktischen Gründen, die entsprechenden Gewehre erst vor Ort zu organisieren.
***
Bereits am zweiten Arbeitstag ereignete sich ein gefährlicher Zwischenfall. Eine der Studentinnen, die im Rahmen ihrer praktischen Abschlussarbeiten als sehr willkommene Abwechslung an der Expedition teilnahm, hatte sich entgegen den Anweisungen von Professor Nielsson alleine vom Expeditionslager entfernt. Sie hatte am Vorabend von einem der Kollegen, einem russischen Austauschstudenten, erfahren, dass sich eine der Ausgrabungsstätten aus den späten Siebzigerjahren gleich neben dem Camp befindet. Als sie die beschriebene Stelle erreichte, sah sie sich neugierig um. Von den damaligen Grabungsarbeiten war fast nichts mehr zu erkennen. Einzig eine quadratische Vertiefung und Überreste von Holzpfählen, die damals zur Markierung der Suchfelder dienten, waren noch sichtbar. Sie hatte eigentlich mehr erwartet. Enttäuscht machte sie sich auf den Rückweg zum Camp.
Sie hatte noch keine zwanzig Schritte zurückgelegt, als sie plötzlich neben einem kleinen Erdhügel im kniehohen Gras eine Bewegung wahrnahm. Eine etwa eineinhalb Meter lange rotköpfige Speikobra fühlte sich offenbar von ihrer Anwesenheit gestört und hatte sich bedrohlich aufgerichtet. Erschrocken machte die junge Frau einen Schritt zur Seite und wurde im selben Moment von einer warmen Flüssigkeit im Gesicht getroffen. Reflexartig hatte sie ihre Augen geschlossen und sich weggedreht. Blindlings lief sie einige Meter zur Seite und wischte sich mit dem Hemdärmel über das Gesicht. Das verspritzte Gift der Kobra brannte wie Feuer auf ihrer Haut. Glücklicherweise hatte die Schlange nicht das bevorzugte Ziel getroffen, denn wenn das Gift in die Augen gelangte, konnte dies das Opfer unter Umständen vorübergehend erblinden lassen. Aber auch so zeigte die toxische Flüssigkeit eine beeindruckende Wirkung. Während die Frau versuchte, so schnell wie möglich das Camp zu erreichen, schwoll ihr Gesicht zunehmend an.
***
»Wo zum Teufel ist Victoria?« Neil war außer sich. Er blickte mit seinen stechend blauen Augen in die Runde. »Niemand verlässt das Camp auf eigene Faust, ohne sich vorher bei mir oder Professor Nielsson abzumelden. Und schon gar nicht alleine. Verdammt nochmal, wir sind hier nicht in Disneyland, sondern in der freien Wildnis, falls es noch niemand bemerkt haben sollte. Der Professor und ich haben euch doch bereits vor der Abreise auf mögliche Gefahren und die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen hingewiesen. Haltet euch gefälligst daran!«
Die fünf Studenten machten ein betroffenes Gesicht. Professor Nielsson mischte sich ein. »Neil hat vollkommen recht. Schlussendlich bin ich für das Wohlergehen der Gruppe verantwortlich. Ich möchte, dass Ihr die Sicherheitsregeln genauso ernst nehmt, wie die Arbeit, die wir hier zu verrichten gedenken. Habe ich mich für alle verständlich ausgedrückt?«
»Ja, Sir!«, ertönte es wie aus einem Mund. Der Professor konnte sich trotz der ernsten Lage ein Schmunzeln nicht verkneifen. »Also, wer hat eine Ahnung, wo Victoria sein könnte?«
Der junge russische Student druckste herum und gab schließlich zu, am gestrigen Abend Victoria die Lage der Fundstelle 3 geschildert zu haben. Er hatte den Eindruck, dass Victoria diese unbedingt besichtigen wollte. Seine bevorstehende Doktorarbeit behandelte unter anderem die Fundstücke der siebziger Jahre-Expedition. Deshalb wusste er natürlich über die genaue Lage der damaligen Ausgrabungsstätte Bescheid, obwohl er selbst noch nie dort war.
»Ich habe Victoria angeboten, den Ort gemeinsam aufzusuchen, aber offensichtlich wollte sie auf eigene Faust…«
In diesem Moment wurde er durch laute Hilferufe unterbrochen. Victoria taumelte hinter einem der Zelte hervor. Ihre untere Gesichtshälfte war dick angeschwollen und an vielen Stellen stark gerötet. Einer der beiden einheimischen Begleiter kümmerte sich sofort um die Schwellungen und kühlte sie mit einer speziellen Paste. Der Professor und Neil befragten Victoria zu den Ursachen für ihren Zustand. Nach kurzer Rücksprache mit den äthiopischen Helfern wandte sich Nielsson an die Expeditionsteilnehmer.
»Es scheint sich anscheinend um den Angriff einer Speikobra gehandelt zu haben. Die kommt zwar in dieser Gegend nicht häufig vor, aber deren Attacken sind trotzdem gefürchtet. Außer dem normalen Zubeißen spritzen sie ihren Feinden das Gift aus mehreren Metern ins Gesicht. Victoria hat insofern Glück gehabt, dass sie offenbar nichts direkt in die Augen abgekriegt hat. Das soll für jeden von euch eine Warnung sein, dass die Natur durchaus wehrhaft sein kann und dass trotz allem Enthusiasmus für unsere Aufgabe bestimmte Regeln eingehalten werden müssen…«
***
Vorsichtig wischte Erol mit einem Handwischer über das Objekt, das er in den letzten Stunden in einer flachen eineinhalb Meter tiefen Mulde teilweise freigelegt hatte. Er war der jüngste Teilnehmer der Expedition. Durch seinen Fleiß und vor allem durch seine rasche Auffassungsgabe hatte er beim Professor ein beachtliches Vertrauen verdient. Deshalb wurde er mit der Freilegung des Objektes, das sich in etwas über einem Meter Tiefe abgezeichnet hatte, beauftragt.
Die Unternehmung war mit modernstem Equipment ausgerüstet und konnte schon am zweiten Tag mittels einem speziellen Georadar, der bis in eine Tiefe von fünf Metern detaillierte Unregelmäßigkeiten in der Bodenbeschaffenheit anzeigte, den ersten Treffer melden. Sogar in festen Gesteinsschichten konnten so Fremdkörper detektiert werden. Der einzige Nachteil des Gerätes war der Umstand, dass es sehr energiehungrig war. Deshalb war es unerlässlich, stets Reserve-Akkus mitzuführen, wenn man sich weiter vom Camp entfernte.
Erol kratzte mit einem Metallspatel die fast steinharte Erde um die halbkugelförmige Versteinerung weg. Mit einem Pinsel wischte er fortlaufend die Staubschicht an den Stellen, wo das versteinerte Objekt aus der Erde ragte, weg und benutzte den Spatel für härtere Erdschichten. Einmal musste er einen Skorpion verscheuchen, der sich in die Grube verirrt hatte und ihm unangenehm nahe kam. Er wischte sich mit dem Handgelenk den Schweiß weg, der trotz seines Stirnbandes in die Augenbrauen und über den Nasenrücken lief. Konzentriert arbeitete er weiter.
Plötzlich rutschte der Spatel trotz aller Vorsicht von der erstaunlich glatten Fläche der kuppelförmigen Versteinerung ab und stieß bis zur Grifffläche in eine weichere Stelle ein. Erstaunt befreite Erol die entstandene Vertiefung von den verhärteten Erdrückständen. Eine Aushöhlung kam zum Vorschein. Das war doch nicht etwa…? Er konnte es nicht glauben.
»Professor! Professor, kommen Sie schnell! Hier bin ich!«, winkte Erol, als der Professor den Kopf hob und suchend um sich schaute.
»Schauen Sie sich das mal an«, sagte Erol mit unverhohlenem Stolz, als der Expeditionsleiter zu ihm in die flache Mulde gestiegen war. »Sieht doch aus, wie der Teil eines menschlichen Schädels, meinen Sie nicht auch?«
Der Professor betrachtete das Fundstück aus verschiedenen Blickwinkeln und meinte dann beschwichtigend: »Nicht so vorschnell, mein Junge. Bevor das Fundstück nicht ganz freigelegt ist, wollen wir uns mit Prognosen doch noch etwas zurückhalten. Im Moment sieht das hier aber wirklich wie ein Piratenkopf aus; würde mich also nicht wundern, wenn Sie auch noch die dazu passende Augenklappe ausbuddeln…«
Nielsson musste über seinen eigenen Scherz grinsen. »Machen Sie einfach weiter. Wenn Sie Unterstützung benötigen, melden Sie sich direkt bei mir.«
Tüchtiger Junge, dachte Nielsson. Tatsächlich hatte auch er beim Betrachten des Fundstückes als erstes an ein hominides Schädelfragment gedacht, was aber erst nach der kompletten Ausgrabung und dem Entfernen des verhärteten Erdreiches verifiziert werden konnte. Abgesehen davon schien es sich - wenn es sich wirklich um ein menschliches Schädelfragment handeln sollte - wohl eher um neuzeitliche Überreste eines Hominiden zu handeln. Über der vermeintlichen Augenhöhle fehlte nämlich der typische Stirnwulst, der bis zum Auftreten des Homo sapiens deutlich ausgeprägt war.
Bereits nach einer halben Stunde wurde Nielsson von Erol wieder zu der Fundstelle gerufen. Diesmal war es der Professor, der erstaunt auf das Objekt blickte. Zwei leere Augenhöhlen starrten ihn an. Er beugte sich vor und betrachtete den Fund lange, bevor er zu Erol sagte: »Haben Sie den Nasenansatz bemerkt? Und hier, das Jochbein? Ich hoffe, Sie sind nicht allzu enttäuscht. Der Fund dürfte im besten Fall ein paar tausend Jahre alt sein.«
Bis zum Sonnenuntergang hatte Erol das größte Fragment des versteinerten Schädels komplett freigelegt und zusätzliche Knochenstücke gefunden und markiert. Es sah ganz so aus, als ob die einzelnen Stücke alle zu dem Schädel passen würden. Genaueres konnte aber erst nach dem 3-D Puzzle, wie Erol den Vorgang des Zusammenfügens von einzelnen Knochenstücken salopp bezeichnete, festgestellt werden.
Der Professor untersuchte bereits das größte Fundstück. Wie er sich schon Erol gegenüber geäußert hatte, war er fest davon überzeugt, dass die Knochen trotz der totalen Versteinerung einem neuzeitlichen Menschen zugeordnet werden mussten. Die ganze Gesichtsfront, die vom Oberkiefer über die Stirne bis zum Ansatz des Hinterkopfes in einem Stück geborgen werden konnte, entsprach durchaus dem heutigen Homo sapiens, einzig der Übergang zum Hinterkopf machte Nielsson stutzig. Er wartete ungeduldig auf weitere Schädelfragmente, die Erol auf seine Anweisung hin sofort in das Arbeitszelt bringen sollte, sobald sie von den gröbsten Verunreinigungen befreit worden waren.
»So, das ist im Moment alles«, sagte Erol, als er das Zelt betrat. Er legte die einzelnen Bruchstücke, die an Tonscherben eines Kruges erinnerten, vorsichtig auf die Arbeitsfläche. »Morgen nach Sonnenaufgang grabe ich gleich weiter. Da kommt bestimmt noch einiges ans Tageslicht.«
Nielsson bedankte sich bei seinem Schützling. Dieser hatte praktisch den ganzen Tag in der brennenden Sonne nur von einem kleinen Sonnendach geschützt in einem flachen Erdloch kniend und liegend gearbeitet. Neil, der Assistent des Professors, war schon damit beschäftigt mit einer Knetmasse die einzelnen Schädelfragmente passend an das Hauptstück zu setzen. Erstaunlicherweise gab es nur ein paar maximal fingernagelgroße Lücken, ansonsten passten die einzelnen Stücke an den Bruchstellen millimetergenau aneinander.
»Professor, schauen Sie mal. Ich bin zwar noch nicht ganz fertig, aber man kann bereits die Schädelform und Größe erahnen. Zuerst dachte ich, es wären zu viele einzelne Stücke, aber die Teile waren absolut passend und auch die große Wölbung am Hinterkopf stimmt nach dem Einpassen perfekt. Die Schädelform kommt mir irgendwie seltsam vor, aber ich komme einfach nicht drauf, wo ich so was schon mal gesehen habe.«
»Aber ich!« triumphierte Nielsson. »Stichwort Ägypten. Um genau zu sein: Pharaonen. Na, klingelt es bei Ihnen?«
Neils ratloser Blick amüsierte Nielsson. »Schauen Sie mich nicht so an wie ein Weltwunder. Rufen Sie einfach mal vor Ihrem geistigen Auge zum Beispiel den Pharao Echnaton auf und stellen sich seinen Kopf im Profil vor. Und nun entfernen Sie in Gedanken seine Königshaube. Was sehen Sie?«
Neil dachte kurz nach und meinte dann lächelnd: »Nun ahne ich, worauf Sie hinaus wollen. Sie spielen wohl auf die künstliche Verformung der Schädelknochen an, die in einigen Kulturen angewendet wurde. Was aber hat dieser Fund wohl damit zu tun?«
»Das, mein lieber Neil, weiß ich auch noch nicht genau. Es war nur so ein Gedankenblitz. Aber die Parallelen sind doch frappierend, nicht wahr?«
Neil war sich da nicht so sicher. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass der Professor ihm etwas verheimlichte.
»Professor, vordringlicher wäre doch zu wissen, wie alt diese versteinerten Knochen wirklich sind. Darf ich Sie fragen, wie Sie auf die relativ geringe Alterseinschätzung kommen? Nur alleine die an einen heutigen Menschen anmutende Gesichtsform des Schädels kann Sie doch nicht darauf gebracht haben, oder?«
Nielsson winkte Neil näher zu sich, obwohl niemand in der Nähe war und sagte mit verschwörerisch gedämpfter Stimme: »Sie wissen doch genau so gut wie ich, dass eine derartige Versteinerung abhängig von den Umgebungsbedingungen erst nach einer gewissen Dauer erfolgen kann. Meiner tatsächlichen Meinung zufolge ist dieser Schädel auch deutlich älter, als ich es die anderen Expeditionsteilnehmer wissen lassen möchte. Aber einen Hype können wir jetzt nicht gebrauchen, das würde nur die weiteren Arbeiten behindern. Durchaus zu denken gibt mir jedoch die Form des Hinterkopfes.«
Sollte es sich da wirklich um die Überreste eines Langschädel-Kults handeln? Nielsson hielt inne und griff nach seinem Laptop. Er öffnete Google und gab einen Suchbegriff ein. Nach kurzer Zeit fand er, was er suchte.
»Hier, schauen Sie«, wandte er sich an Neil. Dieser blickte dem Professor über die Schulter. Auf dem Bildschirm sah er eine fast exakte Abbildung des Schädels, der neben ihnen auf dem Arbeitstisch lag. Einzig die Nasenöffnung auf dem Bild war etwas kleiner. Ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden, fragte Neil den Professor: »Das ist doch eine Illustration, das erkennt ja wohl jeder. Aber was soll es denn genau darstellen?«
Auch Nielsson wandte seinen Blick nicht vom Display seines Laptops, als er antwortete: »Dies ist die künstlerische Darstellung eines Alien-Schädels. Sie denken nun bestimmt, ich hätte zu viel Wüstensonne erwischt.«
Bei einem Blick über die Schulter registrierte Nielsson aber, dass Neil keinen Muskel seines Gesichts verzog. »Ich könnte Ihnen diesen Gedanken nicht mal übel nehmen. Übrigens, was halten Sie eigentlich von dem äußerst umstrittenen Wissenschaftszweig Prä-Astronautik?«
Neil war sich nicht ganz im Klaren, worauf Nielsson mit dieser unerwarteten Frage hinaus wollte. Einerseits hatte er den Professor als fachlich kompetenten Wissenschaftler kennengelernt, andererseits war er jedoch immer wieder für Überraschungen gut. Er entschied sich also für eine eher zurückhaltende Antwort.
»Wie Sie schon sagten, eine äußerst umstrittene Sache, die meines Wissens von der allgemein geltenden Lehrmeinung abgelehnt wird.«
»Das beantwortet aber nicht meine Frage. Mich würde interessieren, wie Sie dazu stehen.«
Neil überlegte einen Moment. Sollte das eine Fangfrage sein? Er entschloss sich für eine offene Antwort.
»Also gut. Einige Pseudo-Wissenschaftler und Bücherschreiber behaupten, dass vor Urzeiten außerirdische Zivilisationen die Erde besucht haben und den damaligen Urmenschen zum Menschen gemacht haben. Meiner Meinung nach völliger Blödsinn.«
Der Professor schmunzelte und sagte zu Neil: »Ich danke Ihnen für die ehrliche Antwort. Dass wir unsere diesbezüglichen Ansichten nicht teilen, soll unsere Zusammenarbeit keinesfalls negativ beeinflussen, aber ich kann Ihnen versichern, dass Sie Ihre Meinung noch überdenken werden.«
Er wurde plötzlich todernst. »Ich möchte Sie nun um etwas Wichtiges bitten. Sorgen Sie dafür, dass die Resultate unserer Forschungsexpedition äußerst diskret behandelt werden und keinesfalls in falsche Hände geraten. Zudem möchte ich nicht, dass unsere Forschungsgruppe wild über den Fund spekuliert, bevor ich eine genaue Altersbestimmung vorgenommen habe.«
Neil sicherte dem Professor seine Unterstützung zu und hob den zusammengesetzten Schädel vorsichtig in einen ausgepolsterten und abschließbaren Stahlbehälter. Professor Nielsson nahm den Schlüssel an sich und sagte: »So, für heute machen wir Feierabend. Schlafen Sie gut und denken Sie daran: Die Realität sieht immer anders aus, als man sie sich vorstellt…«
Neil zog sich in sein Zelt zurück und dachte lange nach. Schließlich schaute er auf die Uhr, holte sein Satellitentelefon aus einem Rucksack und wählte eine bestimmte Nummer in Übersee.