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3 Feuer und Sand

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Vor rund 150.000 Jahren kam es zu einer ersten direkten Konfrontation zwischen den mittlerweile zum Homo sapiens mutierten Erdbewohnern und den Bio-Robotern aus dem All. In einem Seitental der Loire im heutigen Frankreich hatte einer der Roboter eine Gruppe der Urmenschen lokalisiert. Nach einem Datenaustausch mit dem Mutterschiff, das wie beim ersten Besuch im Erdorbit kreiste, begann der Roboter mit der vorsichtigen Annäherung an die Hominidengruppe. Noch hatten sie nichts bemerkt. Sie saßen um ein offenes Lagerfeuer, das von ihnen als etwas besonders wertvolles behütet wurde. Die Fähigkeit, selber ein Feuer zu entfachen, war ihnen noch nicht bekannt und so wurde jedesmal, wenn nach einem Blitzeinschlag ein Schwelbrand entstand, das glimmende Brennmaterial eingesammelt und am Leben erhalten. Nach ihrem Verständnis war Feuer etwas lebendiges und bedurfte besondere Hege und Pflege.

In den frühen Morgenstunden geschah dann das unvermeidliche. Ein Gewitter war über das Tal hinweg gezogen und hatte das Feuer mit einem heftigen Platzregen zum Erlöschen gebracht. Zwar hatten die Hominiden bereits den Zusammenhang zwischen Wasser und Feuer begriffen, aber derjenige, der mit dem Schutz des Feuers beauftragt worden war, hatte einen unverzeihlichen Fehler begangen. Er hatte die Feuerstelle nicht mit einer flachen Steinplatte vor den Witterungseinflüssen geschützt. Deshalb wurde die nur noch leicht glimmende Glut von dem sintflutartigen Regenguss ausgelöscht. Die Aufregung der Gruppe war dementsprechend groß. Der unachtsame Mann wurde unter lautem Gebrüll in den Wald gejagt, wo er sich nach einem durch Blitzeinschläge ausgelösten Brand umsehen sollte. Natürlich hatte er bereits erkannt, dass die Wahrscheinlichkeit, im regennassen Unterholz einen Glimmbrand zu entdecken, äußerst gering war, aber die Gruppe wollte es so.

Grimmig dreinblickend stapfte er durch das Unterholz, ohne zu bemerken, dass ihn zwei laserverstärkte Sehorgane beobachteten. Der Roboter hatte das ganze Schauspiel aus der Ferne beobachtet und folgte ihm nun unauffällig. Die künstliche Intelligenz ließ zwar so gut wie keine Emotionen zu, aber auf irgendeine Art tat ihr der kleine Kerl doch leid. Also entschied sich die KI ihm zu helfen.

Immer tiefer drang der kleine Hominide in das Dickicht ein und schnupperte regelmäßig in die feuchte Waldluft hinein, ob er wider Erwarten etwas riechen würde, was auf ein rettendes Feuer schließen ließ. Plötzlich schoss ein dünner grellgrüner Lichtstrahl zwischen den Bäumen hindurch und traf auf einen kleinen moosbewachsenen Hügel, der sich auf einer Lichtung erhob. Nach wenigen Augenblicken quoll Rauch aus dem Moos. Der kleine Hominide gab einen Schreckenslaut von sich und wich einige Schritte zurück. Unvermittelt traf ein zweiter länger dauernder Lichtstrahl das Moos und brachte es endgültig zum glimmen.

Der Kleine blickte verwundert um sich und folgte mit den Augen dem grünen Lichtstrahl, als dieser unvermittelt nochmals aufleuchtete. Als er sah, was dort stand, wo der Lichtstrahl endete, ließ er sich vor Schrecken auf den Boden fallen und schlang seine Arme um den Kopf. Eine aus seiner Position riesig wirkende Gestalt mit dunkelrot leuchtenden Augen hatte einen gewaltigen Arm ausgestreckt und richtete einen Finger, aus dem der grüne Lichtstrahl zu kommen schien, auf den Mooshügel. Der Kleine zitterte vor Angst und konnte sich nicht von der Stelle rühren, bis eine innere Stimme ihm befahl, sich aufzurichten.

Er folgte dem Befehl widerwillig und rannte zu dem Mooshügel. Dort angekommen stach er mit einem abgebrochenen Baumrindenstück in das Moos und schob eine Portion der glimmenden Masse darauf. Dann lief er so schnell wie es die soeben angebrochene Morgendämmerung zuließ durch das Dickicht zu seiner Sippe zurück. Der Roboter verfolgte ihn mit seinen optischen Sensoren. Seine künstliche Intelligenz ließ jedoch die Schlussfolgerung nicht zu, dass er mit seiner Aktion gerade den Anstoß zur Entstehung von Götteranbetungen gegeben haben könnte...

***

Die verantwortlichen Aliens im Mutterschiff diskutierten besorgt die Auswertungen der letzten Roboterbesuche auf dem blauen Planeten.

»R024 hat nur helfen wollen, ohne jedoch die Folgen seiner Aktion zu verstehen.«, meinte einer der zuständigen Ingenieure.

»Dessen sind wir uns bewusst, aber genau das zeigt doch, dass die KI die Tragweite von solchen Kontaktaufnahmen nicht korrekt einschätzen und kombinieren kann. Es war unvorhersehbar, dass genau dieser Roboter, der als Prototyp für den vollwertigen Ersatz eines biologischen Gehirnes umgebaut wurde, in eine solche Situation geraten ist.«

»Erlaube mir, dass ich widerspreche.«, unterbrach ihn der oberste Ingenieur. »Auf einem unbekannten Planeten mit größtenteils unbekannten Lebensformen muss mit allem gerechnet werden. Eben auch mit solch außergewöhnliche Situationen. R024 wurde dahingehend programmiert, dass er die Abfolge von bestimmten Parametern aufgrund seiner Wahrnehmungen selbständig bestimmen kann. In diesem spezifischen Fall ist also aufgrund einer Unaufmerksamkeit des Hominiden das wärmende Feuer durch äußere Einflüsse erloschen. Die Gruppe hat auf diesen Vorfall wütend reagiert und folglich die KI von R024 dazu veranlasst, dem Hominiden zu helfen. Genau an diesem Punkt hat die KI aber eine Fehlentscheidung getroffen, denn das Vorgehen der Hilfe wurde zu wenig durchdacht. Wenn er nämlich das Feuer völlig unbeobachtet entfacht hätte…«

An dieser Stelle mischte sich der Kommandant ein.

»Richtig. Dann hätte er ihn aber genauso unbemerkt an die Stelle leiten müssen, wo er das Feuer entfacht hat. Und das, meine Lieben, ist der Punkt. Die KI ist offenbar noch nicht in der Lage, solch komplexe Gedankengänge und Schlussfolgerungen, zu denen unser Gehirn befähigt ist, auszuführen.«

Der Kommandant blickte mit den schwarzen Augen in die Runde und fuhr mit seinen Gedanken fort.

»Die korrekte Vorgehensweise wäre gewesen, zuerst den wahrscheinlichen Weg des Hominiden zu berechnen und dann das Feuer unbemerkt dort zu entzünden, wo er aufgrund der Hindernisse unweigerlich vorbei gehen muss. Das bedarf aber wiederum der Kunst der Voraussage und Vorhersehbarkeit und genau in diesem Punkt sind wir der KI immer noch um einiges überlegen. Also müssen wir uns selber um die direkten Beobachtungen kümmern und die Roboter vorerst wie damals bei den ersten Expeditionen nur helfende Funktionen ausführen lassen. Aber zuerst starten wir das umfassende Experiment mit den genologischen Impfungen. Wie ist der aktuelle Stand?«, fragte er den obersten Biotechniker.

»Es ist mir eine Ehre, dem Gremium die Ergebnisse unserer Arbeit bekannt geben zu dürfen.«, erwiderte der angesprochene Alien mit blumigen Worten. »Der Impfstoff wird diejenigen Lebensformen, die damit in Kontakt kommen, in der geistigen Evolutionsstufe nochmals einen extremen Schritt nach oben katapultieren. Dies funktioniert natürlich nur bei den Individuen, die jetzt schon die Voraussetzungen für eine entsprechende Manipulation des Denkorganes mitbringen. Das ist bei der auf diesem Planeten schon länger beobachteten Lebensform der Fall.«

Er blickte ringsum in aufmerksame Gesichter und fuhr mit seinen Erklärungen fort.

»Es sind uns mikrotechnische Meisterwerke gelungen, welche ich euch hier gerne vorstellen möchte.«

Mit diesen Worten zog er einen kleinen Behälter aus seinem bodenlangen Umhang und öffnete ihn vor den erwartungsvollen Gesichtern der anwesenden Wissenschaftler und Techniker. Eine elegante Bewegung seines Armes ließ den Inhalt bedingt durch die reduzierte Schwerkraft im Raumschiff ganz langsam in die andere Hand rieseln.

»Das sieht genau so aus, wie der Sand aus der Wüste, die wir hier vor langer Zeit betreten haben.«, mutmaßte der Kommandant.

»Das hier ist mit diesem Sand zumindest optisch absolut identisch.«, sagte der oberste Biotechniker nicht ohne Stolz. »Das eigentliche Geheimnis dieses, ich darf es ohne zu übertreiben sagen, technischen Meisterwerkes, kann man allerdings erst in der fünfhundertfachen Vergrößerung erkennen.«

Mit diesen Worten eröffnete er durch eine Handbewegung ein Hologramm, welches eine Kugel darstellte. Mit eleganten Bewegungen seiner langen Finger drehte der Biotechniker das Hologramm so, dass auf der Oberfläche der Kugel eine kreisrunde Öffnung zu sehen war. Mit einer weiteren Fingerbewegung zoomte er in das Innere der Kugel, so dass die zylindrische Aushöhlung deutlich im Querschnitt zu sehen war.

»Faszinierend!«, entfuhr es dem Kommandanten, diesmal auf Grund seiner Begeisterung akustisch formuliert. »Das ist wirklich eine großartige technische Leistung. Ich nehme an, diese Vertiefung ist für den Impfstoff vorgesehen?«

»Korrekt, Kommandant. Darin wird das hochkonzentrierte Serum sicher untergebracht. Diese miniaturisierten Kugeln werden zielgerichtet auf die jeweiligen Probanden abgeschossen und verursachen nur minimalste Hautirritationen. Ausgenommen ist natürlich der empfindliche Kopf, in den nach Möglichkeit keine ›Sandkörner‹ eindringen sollten.«

***

Alle global operierenden Teams, bestehend aus je zwei Aliens und einem Roboter hatten die exakt gleich lautenden Anweisungen erhalten und machten sich umgehend an die Arbeit. Direkte Kontakte mit den Hominiden waren auf ein Minimum zu beschränken und sollten nur im unvermeidbaren Fall stattfinden. Die Verbreitung des genetischen Wirkstoffes wurde den Robotern aufgetragen. Sie waren entsprechend modifiziert worden, so dass sie kleinste Portionen des ›Sandes‹ mit einer in der Hand integrierten Druckluftpistole aus größerer Entfernung auf die Hominiden schießen konnten.

***

Die Landung einer Expeditionskapsel mitten in der Nacht wurde nur von ein paar Hyänen, die sich gerade mit einem Löwen um die Beute stritten, wahrgenommen. Während zwei der Aasfresser weiterhin um die Raubkatze schlichen, schauten die anderen wie erstarrt nach oben. Mit einem fast unhörbaren, aber für die Hyänenohren durchdringenden Sirren senkte sich eine riesige Kugel auf die mondbeschienene Steppe hinunter. Hier in der Region des heutigen Äthiopien waren diese Aasfresser zwar noch nicht lange heimisch, hatten sich aber in der Rangliste der Jäger bereits ganz oben angesiedelt. Unvermittelt stoben sie in alle Richtungen davon.

Nachdem sich die sechs gigantischen Landestützen dem unebenen Untergrund angepasst hatten, senkte sich von der Unterseite der Kugel die runde Plattform bis auf den Boden. Der Roboter sondierte und sicherte als erstes die nähere Umgebung. Gleich darauf ließen sich die beiden Aliens, welche diesmal in eng anliegende hellgraue Overalls gekleidet waren, hinunter fahren. Mit den Wärmebildsensoren an Bord hatten sie ganz in der Nähe eine größere Gruppe von Hominiden lokalisiert.

Das Ziel der Aktion war, soviel Hominide wie möglich mit dem Serum zu ›beschießen‹, um heraus zu finden, wie sich eine sprunghafte Veränderung der geistigen Entwicklung in einer Gemeinschaft zeigte. Es war zwar nicht zu erwarten, dass sich die sogenannte Schwarmintelligenz schon zu Anfang entfalten würde, andererseits war in ihrer eigenen Evolutionsgeschichte genau diese Eigenschaft ausschlaggebend gewesen für das Erreichen ihrer jetzigen Hochkultur.

»Ich habe mich bei unserem obersten Biotechniker über bestimmte Eigenschaften des Serums informiert. Bei einer versehentlichen Doppelimpfung sollten keine unerwarteten Nebenwirkungen auftreten. Eine Überdosierung ist praktisch ausgeschlossen, da die Wirkstoffträger, also die einzelnen ›Sandkörner‹, wie unser Kommandant sie einmal bezeichnet hat, sofort die maximale Konzentration im Blut feststellen und dadurch eine weitere Impfstoffabgabe verhindern.«

»Dann kann unser Roboter also wahllos in die Gruppe feuern?«, fragte der andere Alien.

»Natürlich nicht!«, antwortete der Gefragte mit gespielter Entrüstung, weil er genau wusste, dass die Frage nicht ernst gemeint sein konnte. »Er registriert mit Hilfe seiner KI genau, wen er schon beschossen hat. Falls er jedoch wider Erwarten den gleichen Probanden zweimal trifft, wird er deshalb nicht automatisch doppelt so intelligent.«

Wie sehr sich der Alien mit genau dieser Aussage täuschte, konnte er nicht ahnen, denn die ersten Auswirkungen des Serums sollten sich erst nach mehreren Dekaden zeigen...

Operation Sandmann Band 1

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