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1 Die Anreise

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In der Kommandozentrale glitt der in eine lange hellgraue Robe gekleidete Wachhabende vor einer riesigen holografischen Darstellung, die sich von der Decke bis zum Boden erstreckte, hin und her. Die nur geringe Schwerkraft, die hier im mittleren Teil des Schiffes noch schwach spürbar war, ließ alle Bewegungen des Wesens fließend und mühelos erscheinen. Das gewaltige Hologramm zeigte einen Ausschnitt des Orion-Arms. Das Wesen mit dem auffallend länglichen Schädel und den tiefschwarzen mandelförmigen Augen hob abwechslungsweise seine Arme und ›berührte‹ mit den vier langgliedrigen Fingern seiner Hand die Lichtpunkte. Bei jedem Kontakt veränderte sich die Helligkeit des jeweiligen Sternes.

Plötzlich neigte der Alien seinen Kopf leicht zur Seite, weil etwas seine Aufmerksamkeit erregte. Das Detektorsystem hatte einen bestimmten Bereich grün aufleuchten lassen. Das Wesen vergrößerte mit einer Handbewegung das markierte Gebiet. Ein System mit einem Zwergstern, um den acht Planeten unterschiedlicher Größe ihre Bahnen zogen, wurde sichtbar. Die vier inneren waren Felsplaneten, die vier äußeren waren um ein vielfaches größere Gasplaneten. Aber etwas ganz bestimmtes erregte die Aufmerksamkeit des Aliens, nämlich die Bahnen des dritten und vierten Planeten. Beide befanden sich in der habitablen Zone und besaßen ein Magnetfeld sowie eine Atmosphäre, wobei der kleinere, nur halb so große vierte Planet am äußeren Rand der Lebenszone seine Runden drehte. Die beiden Planeten sind heute bekannt als Erde und Mars.

Da sich das Raumschiff mittlerweile dem Sonnensystem bereits bis auf wenige AE - eine astronomische Einheit sind rund 150 Millionen Kilometer - genähert hatte, wurde die Geschwindigkeit kontinuierlich verringert. Der Kommandant war als erster automatisiert aus seinem Tiefschlaf geholt worden und wurde nun vom Wachhabenden auf telepathischem Weg über die Entdeckung des Sonnensystems informiert. Die Aliens hatten schon vor langer Zeit die Fähigkeit perfektioniert, mittels Gedankenübertragung zu kommunizieren. Die Möglichkeit der akustischen Kommunikation in einem umfangreichen Frequenzbereich hatten sie aber beibehalten.

Eine erste Spektralanalyse der Atmosphäre beider Planeten zeigte einige Übereinstimmungen, jedoch war die Atmosphärendichte des kleineren Planeten deutlich geringer. Um genauere Resultate zu erzielen, war die Distanz zu den Planeten immer noch zu groß. Deshalb musste abgewartet werden, bis sich das Raumschiff in einem parallel verlaufenden Orbit über dem jeweiligen Planeten positioniert hatte.

Der Kommandant entschied aufgrund der Flugbahn zuerst den kleineren, äußeren Planeten zu erforschen. Dafür wurden drei Zweierteams gebildet. Jedes Team erhielt einen Bioroboter zur Unterstützung bei schweren körperlichen Arbeiten sowie ein hochentwickeltes Waffensystem zur Verteidigung gegen mögliche Gefahren.

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Das gigantische tiefschwarze Raumschiff befand sich nun nach mehreren Steuermanövern in einem parallel zum Mars verlaufenden Orbit 15.000 Kilometer über dem Nordpol des Planeten. Die beiden heute als Phobos und Deimos bekannten Monde waren aus dieser Position in der Ferne noch schwach erkennbar. Der Kommandant eröffnete mit einer Handbewegung ein neues Hologramm, das einen riesigen Hangar mit einem Dutzend runder Landekapseln zeigte. Überwacht von mehreren Besatzungsmitgliedern machten sich unzählige Roboter an den tiefschwarzen Kugeln zu schaffen. Eine nach der anderen wurde mit Hilfe von Greifarmen langsam und mit äußerster Vorsicht auf einer Art Transportplattform eingeklinkt und auf einer Magnetschiene in einen langen Tunnel befördert. Am Ende des Tunnels befand sich ein zweiter Hangar mit mehreren riesigen kreisrunden Schleusentoren.

Die drei Erkundungsteams bereiteten sich in einem Nebenraum des Hangars auf die Expedition vor. Aus Sicherheitsgründen war vorgesehen, dass vorerst nur die Roboter den bislang noch unbekannten Planeten betreten sollten. Da die Detektoren in einigen Regionen spontane Vulkanausbrüche registriert hatten, wollten die Aliens zunächst in den schützenden Landekapseln abwarten. Alle drei Kapseln würden zwar weniger aktive Zonen ansteuern, aber man wollte das Risiko so gering wie möglich halten. Die Roboter bestanden größtenteils aus einer speziellen Metalllegierung und waren somit vor äußeren Einflüssen gut geschützt. Einzig die hochentwickelte künstliche Intelligenz und die großen Nervenbahnen funktionierten größtenteils auf biologischer Basis. Der massive Kopf der Roboter war dem der Aliens nachempfunden. Der restliche Körperbau wirkte sehr robust und war mit einer Körpergröße von knapp drei Metern eine beeindruckende Erscheinung.

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Gemächlich bewegten sich die gewaltigen Schleusenklappen. Die kreisrunden Öffnungen wurden immer größer, bis sie den Durchmesser der zwanzig Meter messenden Landekapseln erreicht hatten. Es dauerte jedoch noch eine Weile, bis die Kapseln in den Öffnungen erschienen und kurz verharrten. Wie auf ein Kommando lösten sich alle drei Kapseln gleichzeitig vom Raumschiff und entfernten sich langsam in unterschiedliche Richtungen. Als sie einen sicheren Abstand zum Mutterschiff eingenommen hatten, begannen sie mit dem Sinkflug. Im unteren Drittel der Kapseln bildeten sich ringsum lamellenähnliche Düsenöffnungen. Jede der Landekapseln bewegte sich auf eine andere Landeregion zu. Zwei waren für die Äquatorialgegend programmiert, die dritte hatte die nördliche Polregion zum Ziel und somit den kürzesten Weg.

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Eine der beiden Landekapseln, die in der Äquatorregion landen sollten, klappte rund hundert Meter über dem Grund die gewaltigen Landebeine aus. Die sechs gleichmäßig um die untere Kugelhälfte angeordneten Stützen sollten auf unebenem Grund einen stabilen Stand der Landekapsel gewährleisten. Jede der Stützen würde die Länge vollautomatisch nachregulieren und dem Untergrund anpassen.

Vorsichtig näherte sich das Raumschiff dem Marsboden und wirbelte durch die Bremstriebwerke eine große Menge Staub auf. Kurz nach dem Aufsetzen und einer minimalen Lageregulierung wurden die Triebwerke deaktiviert und die Lamellenöffnungen verschlossen. Bereits in der mittleren Atmosphärenschicht hatte eine erste Analyse ergeben, dass vier Hauptbestandteile, darunter Stickstoff und Kohlenstoffdioxid zu annähernd gleichgroßen Teilen vorhanden waren.

Die genaue Zusammensetzung der Bodenatmosphäre wurde nach der Landung nochmals analysiert und die Resultate umgehend an das Mutterschiff weiter geleitet. Die Untersuchungsergebnisse deuteten eindeutig darauf hin, dass sich der Sauerstoffanteil zukünftig konstant verringern und der Kohlenstoffdioxidanteil hingegen zunehmen würde. Die Gravitation des Planeten wurde gemessen, damit die Roboter in allen Landekapseln entsprechend umprogrammiert werden konnten, um die Bewegungsabläufe der geringen Anziehungskraft anzupassen.

Am untersten Punkt der Kugel fuhr eine offene Hebebühne aus dem Boden des Raumschiffes. Auf der runden Plattform, die von zwei hydraulischen Teleskoparmen bis auf den Grund abgesenkt wurde, stand ein Roboter. Kurz nachdem die Plattform den staubigen Marsboden erreicht hatte, löste sich der Roboter aus der Halterung. Er schwankte kurz, bis die automatische Lageregelung die optimale Einstellung gefunden hatte. Mit langsamen Schritten stapfte er aus dem Schatten des Raumschiffs hervor. Auf seinen krallenbewehrten Füßen bewegte er sich auf einen mit kleinen Felsbrocken umsäumten Krater zu. Geschickt kletterte er über den Kraterrand und rutschte Schritt für Schritt langsam in Richtung Kraterboden. Die Krallen an seinen Füssen bohrten sich tief in den Marssand und bremsten seine Bewegung ab. Am Ziel angekommen beugte er sich vor und streckte einen seiner Arme senkrecht zum Boden. Mit einer federnden Bewegung klappte seine Greifhand um neunzig Grad nach hinten und ein bohrerähnliches Instrument fuhr aus dem Unterarm. Es drehte sich langsam in das rötliche Regolith des Kraters und entnahm so eine erste Bodenprobe.

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An Bord der Landesonde schauten sich die Aliens die vom Roboter übermittelten Resultate der verschiedenen Bodenproben genau an. Abgesehen von ein paar Flechten und diversen Mikroorganismen wurde nichts außergewöhnliches festgestellt. Einzig die feuchten Stellen am tiefsten Punkt des Kraters deuteten auf Restwasser hin. Nach Rücksprache mit dem Mutterschiff wurde entschieden, den Roboter auf eine etwas weiter entfernte Bergkuppe zu schicken. Von dort konnte das Gelände besser sondiert und nach geologischen Auffälligkeiten gesucht werden. In der umfangreichen Datenbank befanden sich bereits unzählige Vergleichsmuster von bisher besuchten Planeten.

Wie auf den meisten der anderen Planeten passten auch hier nicht alle Komponenten zusammen, um eine perfekte Grundlage für die Entstehung von höher entwickelten Lebensformen zu bilden. Zudem ließ die vom Bordrechner erstellte Langzeitprognose auf einen langsamen, aber kontinuierlichen Rückgang der Temperaturen schließen. Nach Absprache mit den anderen Landeteams und dem Kommandanten auf dem Mutterschiff wurde beschlossen, nach der Rückkehr der Roboter von weiteren Exkursionen vorerst abzusehen.

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Gerade als der Roboter auf dem Rückweg von der Bergkuppe war, geschah etwas völlig unerwartetes. Zwei Meter vor ihm öffnete sich der Boden mit einem Ruck zu einem zentimeterbreiten Spalt. Daraus entwich mit hohem Druck eine extrem heiße schwefeldioxidhaltige Dampfwolke. Seine Sensoren erkannten die drohende Gefahr und die künstliche Intelligenz ließ ihn sofort einen großen Schritt zur Seite machen. Diese Aktion brachte ihn aber nur scheinbar aus der unmittelbaren Gefahrenzone, denn genau hinter ihm sprudelte plötzlich dünnflüssige Lava aus dem Boden. In Sekundenschnelle wurden seine Krallenfüße umspült. Der Roboter versuchte einen Fuß zu heben und geriet dabei aus dem Gleichgewicht. Zwar reagierte die KI sofort mit einer Gegensteuerung, indem sich der Oberkörper auf die andere Seite beugte, aber das Eigengewicht brachte ihn trotzdem zu Fall. Schwer krachte die gigantische Maschine in die sich rasch ausbreitende Lavapfütze.

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Im Mutterschiff wurde mit wachsender Besorgnis zur Kenntnis genommen, dass die Expeditionen durch unerwartete Vorgänge stark gefährdet wurden. Ein Team hatte soeben einen Roboter verloren und das andere berichtete ebenfalls von bedrohlichen Lavaströmen in der Nähe der Landekapsel. Einzig das Team, das in der Polgegend gelandet war, meldete keine unmittelbare Bedrohung. Zwar wurden auch dort schwache Beben registriert, aber es waren keine sichtbaren Vulkanausbrüche zu verzeichnen.

Der Kommandant hatte alle Verantwortlichen zur Besprechung in die Zentrale befohlen. Die Kommunikation erfolgte wie üblich auf telepathischem Weg. Die Nutzen/Risiko-Analyse der Expeditionen sprach eindeutig dafür, die Erkundungen nicht fortzusetzen und alle Landekapseln sofort zurückzurufen. Die bisherigen Erkenntnisse haben deutlich gemacht, dass aufgrund der geophysikalischen Vorgänge auf diesem Planeten die Wahrscheinlichkeit für eine Entwicklung höheren Lebens praktisch ausgeschlossen war. Warum also wertvolle Ressourcen opfern? Alle waren sich einig, dass man den Roboter oder dessen Überreste nicht bergen sollte. Die Möglichkeit, dass in naher Zukunft irgendeine raumfahrende Zivilisation auf Überbleibsel des Roboters stoßen würde, wurde als höchst unwahrscheinlich eingestuft. Man beschloss, das Interesse auf den zweiten zur Auswahl stehenden Planeten zu fokussieren. Dieser versprach aufgrund seiner zentralen Lage im habitablen Raum um den Mutterstern herum und der vielversprechenden Spektralanalyse seiner Atmosphäre eindeutig bessere Resultate.

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Nachdem alle drei Teams mit ihren Kapseln wieder zum Mutterschiff zurückgekehrt waren und sicher auf ihren Plattformen angedockt hatten, wurden alle wissenschaftlichen und technischen Mitarbeiter umgehend in die Zentrale gebeten. Der Kommandant hielt eine ›Ansprache‹, die sinngemäß wie folgt lautete:

»Die Detektoren haben die Landegebiete untersucht und diese wurden von unseren Analytikern als gefahrenfrei eingestuft. So ein spontaner Vulkanausbruch war in diesem Gebiet nicht vorhersehbar. Die Teams haben aber korrekt reagiert und der Verlust eines Roboters ist akzeptabel. Trotzdem darf so etwas nicht noch einmal passieren. Deshalb wird der nächste Planet trotz der bisher positiven Voraussagen vorgängig einer Langzeitanalyse unterzogen.«

Der Kommandant übergab das Wort dem wissenschaftlichen Leiter.

»Das Magnetfeld muss früher stärker gewesen sein und hat den roten Planeten vor dem Sonnenwind geschützt. Nach und nach wird die Atmosphäre durch das immer schwächer werdende Schutzschild reduziert. Die abschließenden Analysen der Bodenproben haben ergeben, dass bis vor kurzem höher entwickeltes organisches Leben auf diesem Planeten existiert haben muss. Es wurde jedoch vor kurzem durch eine unbekannte Infektion zerstört.«

Unruhe breitete sich in dem Raum aus. Der wissenschaftliche Leiter wurde telepathisch mit Fragen überschüttet. Er hörte sich das eine Weile an und verschaffte sich dann - diesmal auf akustische Weise - Gehör.

»Eure Bedenken sind berechtigt, aber es ist trotzdem unnötig sich Sorgen zu machen. Sämtliche Proben wurden direkt nach der Analyse vor Ort vernichtet, die Sammelinstrumente, die Landeeinheiten und die Roboter wurden bestrahlt und auch alle Expeditionsteilnehmer wurden bereits gründlich dekontaminiert, wie es nach jeder Planetenexkursion üblich ist.«

Die Briefingteilnehmer begaben sich wieder auf ihre Stationen, um den Weiterflug zum nächsten Ziel, dem blauen Planeten mit der anscheinend vielversprechenderen Atmosphäre in die Wege zu leiten.

Operation Sandmann Band 1

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