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4.5.1 Die Beheimatung der Flüchtlinge und der Vertriebenen279
ОглавлениеWie die anderen Bereiche der Seelsorge war auch die Jugendseelsorge des Kommissariates in der Nachkriegszeit vor allem Vertriebenenseelsorge. Die weitaus größere Zahl der katholischen Jugendlichen entstammte hier unterschiedlichen landsmannschaftlichen Traditionen, die infolge der Kriegswirren und der Deportationsvereinbarungen280 aus ihrer Heimat in die Fremde geflohen und vertrieben waren. „Folgt man zeitgenössischen Beobachtern, so waren 1948 viele Vertriebene nicht nur objektiv unerwünschte und abgelehnte Fremde, zugleich herrschte subjektiv unter Vertriebenen selbst ein ‚Gefühl des Fremdseins’ vor.“281 Das betraf auch den religiösen Bereich.282 In ihrer Enttäuschung suchten die Flüchtlinge und Vertriebenen vor allem bei ihren Leidensgenossen und Landsleuten Halt in ihrer Bedrängnis. Dieser Rückzug in ein „Ghetto“ war in der SBZ nicht erwünscht und infolge der Politik der SMAD nur bedingt möglich. Da die sowjetischen Gebietsforderungen für die Vertreibung der Deutschen aus Gebieten östlich von Oder und Neiße hauptursächlich war, versuchte die sowjetische Besatzungsmacht durch gezielte Propaganda die Folgen ihrer Politik zu kaschieren.283 Aus diesem Grunde war es in der SBZ den Vertriebenen zu keiner Zeit möglich, sich landsmannschaftlich zu organisieren. Folglich kam es in der SBZ schon bald zu einer relativ erfolgreich umgesetzten „Privatisierung dieser Vertriebenenidentität“.284 Allein die Kirchen, die sich um die Beheimatung der Flüchtlinge und Vertriebenen bemühten, konnten einen institutionellen Schutzraum als Alternative anbieten. Als eine der wichtigsten organisatorischen Aufgaben stand vor der sich entwickelnden Jugendseelsorge in Magdeburg, noch mehr als die Frage nach den Konzepten, das Erfassen der Jugendlichen im gesamten Bereich des Kommissariates. Die bisher vereinzelte Diasporajugend und die über das gesamte Kommissariat verstreute katholische Jugend der Vertriebenen sollte sich als eine Jugend mit eigener, neuer Identität zusammenfinden.
Nachdem bereits 1944 und 1945 infolge der Bombardierung der westdeutschen Großstädte eine große Zahl von Westflüchtlingen in das Gebiet des Kommissariates geströmt war, erreichte vor und nach dem Ende des Krieges eine ungleich größere Flut von Flüchtlingen und Vertriebenen aus dem ehemaligen Osten des Deutschen Reiches den mitteldeutschen Raum. Im November 1949 waren es über 1 Million Flüchtlinge und Vertriebene, die in Sachsen-Anhalt registriert waren.285 Die Westflüchtlinge während der Zeit des Krieges waren noch von geringer Relevanz für die Pastoral der Diasporagemeinden gewesen, denn sie kamen oft als Schulklassen in die dörflichen Gebiete und nur für eine kurze Zeit. Zudem beschäftigten sich eher die Ortsseelsorger mit ihnen, als dass sie von der Gemeinde wahrgenommen wurden. Mit dem Zustrom der Flüchtlinge und der Vertriebenen aus dem Osten aber ergab sich eine ganz neue Situation, die von den Gemeinden nicht ausgeblendet werden konnte. Der neuerliche Zustrom war auch nicht vergleichbar mit dem üblicherweise wirtschaftlich bedingten Zuzug von Katholiken in den vorausgegangenen 100 Jahren in das Gebiet der mitteldeutschen Diaspora. Seit dem 19. Jahrhundert kamen Katholiken meist nur als „Saisonarbeiter“ in die Zentren der Industrie oder als „Schnitter“ in die Landwirtschaft. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich mit dem Zuzug katholischer Familien wieder die ersten katholischen Gemeinden im Ursprungsland der Reformation gebildet. In dieser Zeit verdoppelte sich die Zahl der Katholiken in diesen katholischen Gemeindezentren jeweils erst nach ca. 50 Jahren.286 Nach Ende des Zweiten Weltkrieges erhöhte sich die Zahl der Gemeindemitglieder um ein Vielfaches innerhalb von nur zwei Jahren. Auch wenn die vorliegenden Statistiken stark variieren, kann von einer vier- bis fünffachen Zahl der Nachkriegskatholiken in Mitteldeutschland im Vergleich zur Zeit der Weimarer Republik ausgegangen werden.287 Die verschiedenen Ströme von volkskirchlich geprägten Vertriebenen mit den beheimateten Diasporachristen zusammenzuführen, stellte eine bedeutende Herausforderung dar. Erschwerend wirkte sich dabei aus, dass die Assimilation der ankommenden Massen in relativ kurzer Zeit bewältigt werden musste. Notwendigerweise gab es nun viele volkskirchlich aufgewachsene Katholiken selbst in Orten, in denen seit der Reformation keine katholischen Gemeinden mehr existiert hatten. Die Verteilung der Katholiken erfolgte flächendeckend über das gesamte Kommissariat hinweg und war nicht mehr, wie noch im 19. Jahrhundert, regional begrenzt. Aber Gemeinden formierten sich nicht automatisch aus einer genügend großen Anzahl von katholischen Vertriebenen. Viele der ortsansässigen Priester waren mit deren Betreuung überfordert und die ebenfalls vertriebenen „Rucksackpriester“ pendelten zwischen den Orten, ohne bereits in ein neues Bistum inkorporiert zu sein. Die russische Besatzungsmacht wie auch die westlichen Alliierten waren bestrebt, die Vertriebenen nicht als geschlossene Gruppen entsprechend der Herkunftsorte neu anzusiedeln. So wurde verhindert, dass sich der Unmut über das zugefügte Unrecht bündeln konnte. Auch die Integration der Neuankömmlinge in die neuen Lebenszusammenhänge ist durch die Vereinzelung beschleunigt worden. Dabei wurde von den Besatzungsmächten in Kauf genommen, dass das den Vertriebenen zugefügte Schicksal von ihnen als noch belastender empfunden wurde. Durch die Vermischung der verschiedenen deutschen Volksgruppen kam es zu eigenartigen Gemeindekonstellationen. Mitten im evangelischen Kernland mussten Schlesier, Sudetendeutsche, Ostpreußen und Karpato-Ukrainer gemeinsam mit den Diaspora-Katholiken versuchen, eine katholische Gemeinde zu bilden. Trotz der gemeinsamen Taufe waren sie in ihren religiösen Bräuchen sehr heterogen. Dennoch sollte der gemeinsame katholische Glaubensvollzug eine sehr wichtige Rolle bei der Integration der Vertriebenen in die Gemeinden bekommen.
Rein statistisch nahm mit den ankommenden Vertriebenen der Anteil der Jugendlichen in den Gemeinden zwar sehr schnell zu. Doch es dauerte einige Zeit, bis sie, obwohl numerisch dominant, in den Pfarreien auch wahrgenommen wurden, bzw. dort in Erscheinung traten.288 Das hing wohl damit zusammen, dass die Vertriebenen in der ersten Zeit nicht damit rechneten, dass der Aufenthalt in der Fremde eine Dauerlösung werden würde. Sie hofften noch auf die Rückkehr in ihre Heimat. Aber es lag wohl auch in den wechselseitigen Vorbehalten der jeweils unterschiedlich religiös sozialisierten Jugendlichen der Diasporagemeinden auf der einen und der Jugendlichen aus den katholischen Gebieten Ostdeutschlands auf der anderen Seite gegenüber dem jeweils Fremden. Für den Bereich der Jugendseelsorge gab es noch eine andere Gruppe unter den ankommenden Jugendlichen, auf die das Augenmerk gerichtet werden musste. Neben den in vielen Zügen und Trecks aus dem Osten kommenden Jugendlichen waren es ja auch noch die aus der Kriegsgefangenschaft oder den Arbeitseinsätzen zurückkehrenden älteren Diaspora-Jugendlichen, die sich in ihren Heimatgemeinden wieder einfanden. Deren Zahl war zwar deutlich geringer, die ihnen entgegengebrachte Zuwendung aber war ungleich höher. Von ihren Jugendgruppen wurden sie sehnsüchtig erwartet. Sie waren oft Vorbilder der zu Hause gebliebenen Jugendlichen gewesen, an denen diese sich in den vergangenen Monaten und Jahren orientiert hatten.289
Wie die restliche einheimische Bevölkerung waren auch deren Jugendliche nicht unvoreingenommen gegenüber den Flüchtlingen. Als eingefleischte Diaspora-Jugend waren die katholischen Jugendlichen in den Städten Mitteldeutschlands in geschlossenen Gruppen mit einem gewissen Maß an Elitebewusstsein organisiert, was sich abgesehen von der engagierten Sorge um die Neuankömmlinge auch in gewissen Vorbehalten gegenüber jenen ausdrückte. Diese Vorbehalte schlugen sich sogar in der Sprache nieder.290 Die religiöse Sozialisation der oft dörflich und traditionell aufgewachsenen Jugend der Vertriebenen unterschied sich sehr stark von der meist städtischen Diasporajugend. Die Vertriebenen waren geprägt durch die alltäglichen christlichen Bräuche im vertrauten Umfeld, in dem sie als volkskatholische Jugendliche aufgewachsen waren. Daher standen sie der für sie ungewohnten religiösen Praxis der städtischen Diaspora mitunter reserviert gegenüber. Die zahlenmäßige Überlegenheit der Jugend aus den Ostgebieten, oft so groß, dass die Jugendlichen der Vertriebenen in manchen Gemeinden die bisherige Jugend der Anzahl nach stark dominierten, machte allein noch keine Beheimatung aus.291 Das manchmal sehr ausgeprägte Selbstbewusstsein der Diasporajugend war auch nicht immer einladend. Schwieriger noch war die Situation auf dem Lande. Dort gab es zumeist kein katholisches Jugendleben, in das sie integriert werden konnten. Die ihrer Wurzeln beraubten Jugendlichen hatten weder eine katholische Jugendgruppe noch einen Seelsorger als Ansprechpartner.
Auf der anderen Seite mussten die einheimischen Seelsorger und die wenigen Jugendseelsorger erfahren, dass ihre bewährten Methoden der Diasporaseelsorge bei den Vertriebenen nicht in dem Maße fruchteten, wie sie es gewohnt waren.292 Vom ganzen Dorf, der ganzen Pfarrei oder der Altersgruppe begangene katholische Feiertage, die regelmäßig stattfindenden Gebetskreise, die Mitgliedschaft in den Marianischen Congregationen oder die Teilnahme an Wallfahrten gehörten zu den vertrauten religiösen Vollzügen der Jugend aus den Ostgebieten. Solche Angebote gab es in der Diaspora nicht. In Erinnerung an gewohnte Gruppenabende mit 100 Jugendlichen in Breslau oder die Wallfahrten zum Annaberg mit zehntausend Jugendlichen, bestimmt vom eigenen Gepräge des schlesischen Brauchtums, wie der besonderen Marienfrömmigkeit, mussten sich die Jugendlichen in der neuen Diasporasituation fremd vorkommen. Die Jugend in der Diaspora hingegen wuchs schon immer in einer Situation der Minderheit auf, die auch eine in sich relativ geschlossene Gruppenbildung nach sich zog. Außer dass man sich zur katholischen Jugend zugehörig fühlte, gab es also vorerst nicht allzu viele Gemeinsamkeiten.293 Beide Gruppen lebten zunächst so stark nebeneinander, dass sogar über die Bestellung eines eigenen „Flüchtlingsseelsorgers“ nachgedacht wurde.294 1948 wurde das „Dezernat für Flüchtlingsseelsorge“ mit der Aufgabe eingerichtet, die Integration der Vertriebenen zu unterstützen.295 Als nebenamtlicher Referatsleiter fungierte O. Müller. Das Dezernat bestand allerdings nur für kurze Zeit, denn es lag auch im Interesse einer geordneten Pfarrseelsorge, die verschiedenen Gruppen der vertriebenen Katholiken möglichst schnell in die bestehenden bzw. neu entstandenen Gemeinden zu integrieren.
Die katholische Jugend der Diaspora wurde von den Seelsorgern ermuntert, Kontakt zur Jugend aus den Ostgebieten aufzunehmen. Dazu zählte zunächst einmal die persönliche Begrüßung am Bahnhof durch die Jugendlichen des Ortes.296 Wer sich in die bestehenden Jugendgruppen einbringen wollte, wurde auch recht schnell integriert.297 Aber es gab auch weniger behutsamen Umgang mit den Vertriebenen. In dieser Weise konnte der Vorschlag von W. Weskamm verstanden werden, für die „Flüchtlinge“ besondere Gottesdienste abzuhalten, damit sie den religiösen Sinn ihrer Heimsuchung verstünden und sich der Seelsorge des Kommissariates bewusster einordnen könnten. Dazu wurden besondere Einkehrtage, „Missionen“ oder sogenannte „Triduen“298 für die Vertriebenen im ganzen Bereich des Kommissariates angeboten.299 Die mit den Vertriebenen ziehenden Seelsorger versuchten den Leidensbrüdern und –Schwestern, so weit es ging, Beistand zu leisten. Der Bischof vom Ermland, M. Kaller, selbst Vertriebener, oder andere versuchten als „Flüchtlingsseelsorger“ den Heimatvertriebenen bei der religiösen Bewältigung ihres Schicksals zu helfen.300 Aus den Tagebuchnotizen der Michaelgruppe von Halle-Mitte zu diesem Tag wird die von Bischof Kaller vermittelte theologische Interpretation der Vertriebenenproblematik deutlich. Die Aufgabe der Jugend unter den Vertriebenen sei es, ihr Leiden als Sühneopfer für das deutsche Volk und die sündige Welt zu ertragen. Daraus ergäbe sich zugleich die Aufgabe für die Jugend der Diaspora, die Teilnahmslosigkeit zu überwinden und die heimatlosen Brüder aufzunehmen. Die gegenseitige Bereicherung und neu gewonnene Lebenskraft drücke sich im gemeinsamen Gebet und gemeinsamer Arbeit aus.301
Die Jugend aus dem Osten hatte ihre Heimat verloren und sie stand in der Auseinandersetzung mit der Diaspora davor, auch ihre traditionellen religiösen Ausdrucksformen aufgeben zu müssen. Dem volkskirchlichen Christentum wurde zudem die besondere Vorbildfunktion der Diasporachristen gegenübergestellt. Auch wenn sie sehr pauschalisierend klingen mag, brachte die Tagebuchnotiz eines Jugendlichen aus Halle damaliges Empfinden auf den Punkt: „Die Jugend der Umsiedler kommt aus Gebieten, in denen oftmals eine Äußerlichkeit und Lauheit im religiösen Leben eingetreten ist. Sie können aus dem Geist lebendigen Glaubens, wie ihn am schönsten die Vorpostenstellung der Diaspora heranzieht, neue Kraft empfangen.”302 Die Christen der Diaspora verstanden sich als etwas Besonderes. Sie waren es, die unter schweren Bedingungen ausgehalten hatten, demgegenüber sei das christliche Leben unter volkskirchlichen Bedingungen einfacher zu gestalten gewesen. Oft hatten die Seelsorger mit der Mentalität der Jugend aus den Ostgebieten zu kämpfen. Die Erwartungen der Jugendseelsorger entsprachen nicht unbedingt den Bedürfnissen der Jugendlichen, wie Pfarrer Schmidt resignierend feststellen musste. Er beklagte sich darüber, dass eine große Schar Jugendlicher sich zurückhielte und „für eine intensive Arbeit in unserem Sinne und Formung im bündischen Stil in keiner Weise ansprechbar“ sei. Selbst in der Einschätzung der Vertriebenen wurden noch Unterschiede gemacht. Vertriebener war nicht gleich Vertriebener und Flüchtling nicht gleich Flüchtling.303 Bei manchen Klerikern hatten unter den Vertriebenen besonders die Sudetendeutschen einen schlechten Ruf.304 Derartige Stigmatisierungen verdeutlichen, dass nicht von allen Seelsorgern die besondere Problematik der heimatlosen Jugendlichen wahrgenommen wurde. Diese Haltung der Priester behinderte zugleich die Beheimatung der Vertriebenen.305 Letztendlich lösten sich erst mit dem Verschmelzen von Diasporajugend und der Jugend aus den Ostgebieten in den folgenden Jahren solche Schwierigkeiten allmählich auf.
Ungeachtet aller anderen Faktoren war die seelsorgliche Arbeit unter den Vertriebenen auch dadurch erschwert, dass ganz selbstverständliche Dinge für die religiöse Praxis fehlten. Es gab keine einheitlichen Lieder, nicht einmal eine überall gebräuchliche Melodie bei gleichem Text.306 Auch die religiösen Bedürfnisse und Frömmigkeitsformen der Jugendlichen waren verschieden. Das zeigte sich schon bei der Begrifflichkeit. So wurden in Halle die Jugendlichen darauf hingewiesen, statt wie bisher bereits üblich vom „Gottesdienst“ wieder von der „Heiligen Messe“ zu sprechen, um die Hinzukommenden nicht zu verwirren.307 Die Jugendlichen, die in volkskirchlichem Kontext sozialisiert waren, fühlten sich in dem religiös eher herausfordernden Alltag der Diaspora nicht wohl. Wallfahrten, das katholische Milieu, die vielfältigen Formen der Marienverehrung fehlten oder waren in der Diasporasituation nur lokal ausgeprägt. Die Unterschiede verstärkten die Befürchtungen der Seelsorger, dass die Flüchtlingsjugend von der relativ geschlossenen, ansässigen Jugend nicht aufgenommen werden könnten.308 Auch wenn Einzelbeispiele zeigen, dass dem nicht so sein musste, war es oft sehr schwierig, zwei derart unterschiedliche Traditionen zu verschmelzen. Der pastorale Ansatzpunkt für die Seelsorge an der Jugend aus den Ostgebieten war aus diesem Grunde in erster Linie, alle Jugendlichen zu sammeln mit dem Ziel, in jeder Gottesdienststation mindestens eine gemeinsame Jugendgruppe zu gründen und durch den gemeinsamen Glaubensvollzug die Verschiedenheit der beiden Seiten zu überwinden.309
Doch es gab nicht nur die „traditionellen“ Jugendlichen unter der Jugend aus den Ostgebieten. Auch in Schlesien gab es ähnliche Jugendaktivitäten wie in der Diaspora. Die Jugendseelsorger im Osten wurden ebenso wie in der Diaspora von Laienhelfern bei der Gestaltung von Heimabenden unterstützt. Darüber hinaus wurde aus den Jugendgruppen der Sudetendeutschen heraus ähnlich Opposition gegen den Nationalsozialismus geleistet wie anderenorts in Deutschland. Und auch die Jugend des Ostens war zum Teil durch den Einfluss der Jugendbewegung geprägt.310 Schließlich war G. Moschner Schlesier und auch der Jugendbund Quickborn hatte seine Wurzeln in Schlesien. Zumindest in den städtischen Regionen hatte Quickborn nicht unerheblichen Zuspruch bei den Jugendlichen gehabt,311 mit der Einschränkung, dass von diesen bündischintellektuellen Gruppierungen eher nur ein kleiner Teil der Jugend der Volkskirche angesprochen wurde und weniger die Masse.312 So waren für diese Jugendlichen aus den Ostgebieten liturgische Elemente wie der gemeinsame Opfergang, die „missa recitata“ oder die Feldgottesdienste nicht neu. Auch das christliche Laienspiel wurde sowohl in volkskirchlicher wie auch in der Tradition der Diaspora als Möglichkeit der Glaubensverkündigung gepflegt. An die bisherigen Traditionen anzuknüpfen aber war ihnen nicht möglich. Schließlich hatten die Vertriebenen aus den Ostgebieten nur in den Pfarrgemeinden die Möglichkeit, in begrenztem Rahmen ihr religiöses Brauchtum zu pflegen. Überall sonst war in der SBZ den „Umsiedlern“ oder „Neubürgern“ jede Art landsmannschaftlicher Betätigung untersagt, da diese Art von Aktivität als revanchistisch eingestuft wurde.
Unabhängig von den erwähnten Schwierigkeiten gab es verschiedene Anknüpfungspunkte der Seelsorge, um den Jugendlichen die Integration zu erleichtern. Neben aller Verschiedenheit fanden die Jugendlichen über die caritative Sorge zueinander, wenn auch manches Mal Beichtväter wie H. Aufderbeck im Rahmen der „satisfactio“ den Jugendlichen gute Werke an den Vertriebenen ans Herz legten und ihnen damit erst auf die Sprünge helfen mussten, auf die Fremden zuzugehen.313 Das gemeinsame christliche Bekenntnis und die gemeinsam erlittene Not in der Kriegs- und Nachkriegszeit verbanden letztlich doch mehr als dass sie trennten. Gerade in der Nachkriegsnot gab es für die Vertriebenen wie auch die Diasporajugendlichen im Rahmen der Caritas Möglichkeiten, die nicht reglementierten Nischen zu nutzen, um zu helfen und sich zugleich mit den Ankommenden zu solidarisieren. Zudem erzeugte diese Arbeit so etwas wie ein Gemeinschaftsgefühl unter den Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft. Es kam hinzu, dass im Laufe der Zeit auch die Unterstützung der mitteldeutschen Diaspora durch die katholische Kirche aus den westlichen Besatzungszonen verstärkt wurde. Dies aber schürte den Neid der FDJ, die in den ersten Nachkriegsjahren nicht über eine ähnliche materielle Basis verfügte wie die Kirchen. Mit der Zusammenfassung sozial tätiger Organisationen unter dem Dach der Volkssolidarität und dem erlassenen Verbot, Waren direkt aus den Westsektoren einzuführen, gelang es, diese öffentlich wirksame Konkurrenz der Kirchen zur FDJ einzudämmen.314
Bei allen Schwierigkeiten die sich bei dem Bemühen ergaben, die Folgen der Entwurzelung der Vertriebenen und der Flüchtlinge zu lindern, sind die Anstrengungen der katholischen Kirche, wenigstens zu einem Teil neue Alternativen für die verlorene religiöse Heimat den Jugendlichen anzubieten als mehr oder weniger erfolgreiche Versuche anzuerkennen, „die Vertriebenen in den Gemeinden zu verwurzeln“.315 Ließen diese sich darauf ein, konnten sie wenigstens so etwas wie eine religiöse „Ersatzheimat“316 finden. Entwickelte sich aus der „Flüchtlingskirche“ in der SBZ die „katholische Kirche in der DDR“,317 so war es eine der besonderen Leistungen der Jugendseelsorge im Kommissariat Magdeburg, dass „Flüchtlingsjugend“ und die Jugend der mitteldeutschen Diaspora zur katholischen Jugend zusammenwuchs. Gleiches gilt auch für die anderen Ordinariatsbezirke der SBZ/DDR.