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Sonntag, 23. September – SSW 25+2

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Sonntag ist der schlimmste Tag der Woche, der nur noch schlimmer wird, wenn man im Krankenhaus liegt.

Unzählige Familien kamen auf Besuch, um neue Babys willkommen zu heißen, mit blauen und rosaroten Luftballons, Geschenken und Blumen. Alle waren aufgeregt und freuten sich, die größeren Geschwister, die Cousins und Cousinen. Manchmal verirrte sich ein kleines Kind in unser Zimmer, schaute sich neugierig um, warum es hier nicht so beschwingt zuging, bis es vom Vater oder Onkel gerufen wurde. Kleine Italiener in modischen Hemden und Pullundern. Die Mädchen in Cordröcken und Ringelstrümpfen. Sie machten so viel fröhlichen Lärm, der gemeinsam mit der stickigen Luft, die zum Fenster hereinkam, kaum zu ertragen war.

Kaum zu ertragen waren mittlerweile auch die Antibiotika-Infusionen geworden. Sie brannten auf meinem Handrücken wie Feuer, dabei hatten die Schwestern ohnehin schon die Seiten gewechselt. Ich bin nicht sonderlich empfindlich, aber dieses Brennen war so intensiv, dass ich die Wände hochgehen hätte können. Ich wusste nicht, ob so starke Schmerzen in meinem Zustand gut waren. Meine Arme waren völlig rot und blau gestochen, eine Schwester meinte, ich wäre ein regelrechtes Nadelkissen, und das nach so wenigen Tagen.

Manchmal – deswegen hatte ich sofort ein schlechtes Gewissen – wünschte ich mir nur eines: diesen Bauch los zu sein und wieder mit Michael in unserer gemütlichen Küche zuhause zu stehen. Pasta zu kochen. Gemeinsam zu essen und über den Tag zu reden. Ohne Kind und der ganze Geschichte, die wir jetzt erlebten. Wenn es schlecht ausginge, würden wir sie mit uns herumtragen bis ans Ende unseres Lebens, bis zum Ende unserer Beziehung. Wir haben ein schönes Leben gehabt, vorher. Wieso waren wir dieses Wagnis eingegangen? Wieso hat uns niemand gesagt, wie gefährlich das eigentlich war?

Ich hatte immer gewusst, dass die ersten drei Monate kritisch sind und das Baby vielleicht nicht bleiben will. Das weiß jeder, und damit lebte man, dieser Gefahr stellte man sich. Aber danach passiert doch normalerweise nichts mehr. Zumindest nicht mir. Ich bin diejenige, die eine Klasse wiederholt hat, ein Jahr vor der Matura. Ich bin die, die 22 Monate gebraucht hat, um schwanger zu werden, ja. Aber ich bin doch nicht diejenige, die eine Frühgeburt hat. Ich bin die mit der unkomplizierten Schwangerschaft. Die, die stolz mit riesigem Bauch spazieren geht. Die, die sich immer darauf gefreut hat, ihr Baby treten zu spüren. Die weiß: wenn ich etwas gut kann, dann ist es schwanger sein. Ich bin nicht diejenige, die Blutungen hat, die nicht aufstehen darf, die 600 Kilometer von der Heimat entfernt im Krankenhaus liegt.

Später kam Michael gemeinsam mit den Schwiegereltern zu Besuch. Wir beratschlagten uns. Mein Schwiegervater sagte, ich sei zu geduldig. Ich sollte von den Ärzten eine Entscheidung einfordern. Vielleicht könnte ich ja doch nach Wien verlegt werden. Seit meiner Ankunft war ich nicht mehr untersucht worden. Und liegen konnte ich zuhause doch auch. Ich fühlte mich zwar wohl in Bozen, denn ich wurde ernst genommen und korrekt behandelt. Aber Michael musste bald wieder arbeiten gehen. Und dann wäre ich hier richtig alleine, die Tage würden noch langsamer vergehen. Daher stimmten wir meinem Schwiegervater zu. Wir würden die Ärztin morgen nach einem Transfer nach Wien fragen.

Geboren in Bozen

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