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Samstag, 15. September – Schwangerschaftswoche 24+1

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Eigentlich hatten wir das alles ganz anders geplant. Wir wollten nämlich auf den Tag genau heute auf dem Flughafen JFK in New York City landen. Doch dann kam mein Bauch dazwischen. Deshalb hatten wir umdisponiert und kurzerhand beschlossen, unseren letzten Urlaub zu zweit in Südtirol zu verbringen, dort, wo Michaels Eltern aufgewachsen sind, die auch heute noch eine Wohnung in Brixen besitzen. Es sollte ein ruhiger Urlaub werden, aber diese Fahrt, so routiniert wir darin eigentlich sein sollten, gestaltete sich sehr turbulent. Wer rechnet damit, dass irgendwo im westlichen Niederösterreich plötzlich ein Kleinlastwagen die Mittelleitschiene touchiert, beinahe umkippt, schlingert und sich im letzten Moment auf den Pannenstreifen retten kann? Wer rechnet damit, dass ein paar Kilometer weiter ein Warnlicht auf dem Armaturenbrett des eigenen Autos aufleuchtet? Und wer rechnet damit, kurze Zeit später, als dieses Warnlicht sich als falscher Alarm entpuppt hat, bestohlen zu werden?

Ich war schon ziemlich erschöpft, als wir bei der Raststation Lindach parkten, um eine Kleinigkeit zu essen und etwas zur Ruhe zu kommen. Wir wählten einen Tisch am Fenster, und am Ende der Mahlzeit war meine Tasche weg. Ich konnte es nicht fassen: zum ersten Mal in meinem Leben war ich bestohlen worden, dafür aber richtig. Alles war weg: mein Geld, meine Bankomatkarte, meine Kreditkarte, die Ausweise, das Handy, meine Schüssel und noch dazu mein Mutter-Kind-Pass mit den Ultraschallfotos. Wer bestiehlt eine Schwangere? Und wie war das überhaupt möglich? Kurz zuvor war der Geschäftsführer noch bei unserem Tisch gestanden und hatte uns gefragt, ob wir zufrieden seien. Er hätte den Dieb doch sehen müssen. Wir riefen die Polizei. Zwei Damen, die an uns vorbeigingen, schüttelten ihre Köpfe, „…und das in ihrem Zustand“, murmelten sie.

Die Polizisten waren sehr freundlich und nahmen meine Personalien auf. Danach sahen sie in jedem Mülleimer auf der Raststation nach, ob die Diebe die Tasche vielleicht gleich entsorgt hatten, was sie angeblich oft tun. Als das nicht der Fall war, fuhren wir auf dem Weg zum Kommissariat noch bei einem anderen Parkplatz vorbei. In einem dieser Eimer fand sich tatsächlich meine Tasche, und es war alles noch da, außer meinem Handy und fünf Euro Bargeld, die ich bei mir gehabt hatte. Unser noch namenloser Sohn begann wie wild zu strampeln und drückte seine Füße gegen meine Bauchdecke. Vermutlich spürte er meine Aufregung. Michael konnte das Baby auf der Polizeidienststelle erstmals mit seiner Hand von außen fühlen, endlich etwas Positives an diesem chaotischen Tag.

Nachdem wir das Protokoll erledigt hatten, konnten wir unsere Fahrt endlich fortsetzen, obwohl ich den Impuls verspürte, einfach wieder zurück nach Wien zu fahren. Irgendwie hatte ich ein ganz merkwürdiges Gefühl. Aber ich verwarf den Gedanken wieder. Draußen hatte sich das Licht mittlerweile verändert, es war bereits vier Uhr Nachmittag. Wir fuhren über das so genannte große deutsche Eck. Auf der Inntalautobahn bekam ich ziehende Schmerzen ganz unten im Rücken. Ich rutschte auf meinem Sitz hin und her, um eine möglichst günstige Position zu erlangen. Erst als wir die Grenze zu Italien passiert hatten, verschwanden die Schmerzen wieder und ich entspannte mich. Eine Stunde später kamen wir in Brixen an. Ich fiel erledigt ins Bett und schlief sofort ein.

Geboren in Bozen

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