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Montag, 17. September – SSW 24+3
ОглавлениеWir haben uns entschieden, Klausen zu besuchen, einen Ort, den ich bisher nur von der Durchfahrt kannte. Klausen liegt etwas südlich von Brixen und ist eine mittelalterlich anmutende Stadt, in der Albrecht Dürer auf seiner Italienreise Station machte und die er auch in Studien festhielt. Am frühen Nachmittag waren wir die einzigen Gäste. Michael probierte in einem kleinen Outdoorshop eine Fleecejacke an. Dann fotografierten wir uns gegenseitig an einem Brunnen und sahen uns die Fotos auf dem Display an. Ich sah sehr unförmig aus, mein Bauch war auf eine beunruhigende Art und Weise gewaltig. Ich fand, dass ich schon einmal schöner schwanger gewesen war. Danach spazierten wir den Fluss entlang. Wir begegneten auch hier niemandem. Wir führten ein oberflächliches Gespräch. Traurig waren wir nicht, aber auch nicht richtig heiter, vielleicht lag es an der Jahreszeit, dass wir so sehr mit uns selbst beschäftigt waren. Und sicher auch an meinem Zustand. Nachdem ich beinahe zwei Jahre frustriert gewesen war, war ich nun seit sechs Monaten glücklich, aber auch grüblerisch.
Am späteren Nachmittag ging es nach Meran. Dort herrschte sehr viel Trubel. Wir bekamen noch den allerletzten Platz auf einem zentrumsnahen Parkplatz. In Meran wurde gerade viel umgebaut und renoviert. Es war hektisch und staubig. Wir spazierten die Promenade entlang und setzten uns dann auf eine Bank nahe der Etsch. Wir legten die Füße auf die Balustrade und fotografierten unsere Beine, wie wir das im Jahr zuvor in Cannes auch gemacht hatten. Damals sah ich ganz anders aus, meine Beine waren nackt, braun gebrannt und voller Sand, ausgestreckt, grazil. Jetzt waren meine Füße angeschwollen, und ich trug meine abgetragene Umstandshose, sowie bequeme Sneakers.
In Cannes wohnten wir in einem kleinen, stilvollen Hotel, das wir durch Zufall im Vorbeifahren entdeckt hatten. An dessen Rezeption klebten Fotos von Richard Gere und George Clooney, auch wenn das wie ein Klischee klingt. Wir saßen auf unserem geräumigen Balkon und sahen aufs Meer hinaus, doch wir trugen eine Sehnsucht in uns, seit unserer Hochzeit in Las Vegas zwei Jahre zuvor, und wir schienen Geduld zu brauchen. Am Abend gingen wir in die nahe gelegene Bar, die von einem schwulen Paar betrieben wurde und tranken unsere Cocktails. Es war sehr gemütlich dort. Ein Hund kam vorbei, ich sprach aufmunternd auf ihn ein, er trottete er auf mich zu und legte mir seinen Kopf in den Schoß. Michael grinste. War das ein Zeichen? Am nächsten Morgen bekam ich auf der Zimmertoilette meine Periode und konnte nicht aufhören zu weinen. Am liebsten hätten wir aufgegeben, uns ein Kind zu wünschen, es tat unserer Beziehung nicht gut. Doch das funktionierte nicht.