Читать книгу Geboren in Bozen - Heidi Siller - Страница 7

Mittwoch, 19. September – SSW 24+5

Оглавление

Die Sonne war zurück, sie schien von der Früh an, und stundenweise herrschte wieder Hochsommer. Wir fuhren nach Elzenbaum, wo Michaels Großeltern mütterlicherseits gewohnt hatten und gingen spazieren. Auf den Wiesen waren jede Menge Traktoren unterwegs, die Bauern wollten offenbar das gute Wetter nützen. Obwohl es angenehm war, ihnen zuzuhören, und das Gras herrlich duftete, fühlte ich mich einmal mehr unruhig und besorgt. Mein Bauch war schwer, jeder Schritt strengte mich an, und die Feuchtigkeit zwischen den Beinen machte mir nach wie vor Sorgen. Wir sahen uns den alten Stadel von Michaels Großvater an, der immer noch existierte. Dann stiegen wir wieder ins Auto und wollten eigentlich übers Penser Joch fahren, doch schon nach wenigen Minuten drängte ich zur Umkehr. Ich konnte mir keinen Platz der Welt vorstellen, an dem ich mich in diesem Moment sicher und zufrieden fühlen würde. Wir machten ein schnelles Erinnerungsfoto mit dem Rosskopf im Hintergrund. Ich war an diesem überaus hellen Tag ganz in schwarz gekleidet.

Zuhause bereiteten wir eine Sauce Bolognese zu, rösteten Zwiebel und brieten Faschiertes an. Von der Pasta aß ich drei Teller und fühlte mich anschließend immer noch hungrig, gleichzeitig aber auch gefräßig und aufgebläht. Ich musste mich hinlegen und eine halbe Stunde ausruhen. Es gelang mir tatsächlich, einzuschlafen. Als ich aufwachte wusste ich sofort, dass etwas definitiv nicht in Ordnung war. Es war Monate her, seit ich meine Menstruation zum letzten Mal bekommen hatte, aber ich kannte das Gefühl, wenn sie sich ankündigte, nur zu gut. Und genau dieses Gefühl hatte ich in diesem Moment. Und es passte nicht hierher. Ich blieb mit geschlossenen Augen auf dem Sofa liegen. Solange ich meinen Zustand nicht veränderte, würde nichts passieren. Solange ich die Augen nicht öffnete, war alles in Ordnung. Eine Minute. Fünf Minuten. Irgendwann musste ich aber aufstehen und weiterleben. Vielleicht war auch alles in Ordnung. Schnell zur Toilette gehen und nachsehen. Dann aufatmen, über meine Unsicherheit, meine zwanghaft besorgten Gedanken lächeln. Im Vorbeigehen küsste ich Michael auf die Wange. Was sollte denn nicht stimmen, wir waren im Urlaub, die Sonne schien und wir erwarteten ein Baby.

Ich ging auf die Toilette. Es war gar nichts. Ich atmete auf. Na eben. Mit mir selbst nachsichtig schüttelte ich den Kopf. Langsam übertrieb ich es offenbar wirklich mit meiner Ängstlichkeit. Nachdem ich fertig war, warf ich einen Blick auf das benutzte Toilettenpapier. Und da war es plötzlich, wie befürchtet, wie der Anfang des schlimmsten Albtraums, den man sich vorstellen konnte: ein dunkelbrauner Fleck. Altes Blut. Besser als frisches Blut, das hellrot wäre. Aber es war und blieb Blut, und Blut, das aus der Vagina kommt, hat in einer normalen Schwangerschaft nichts verloren. Gut, es mochte in ein paar Prozent der Fälle beinahe nichts bedeuten, etwas Überanstrengung oder eine geplatzte Ader, aber davon ging ich nicht aus. Ich hatte doch bereits die ganze Zeit gefühlt, dass etwas hier ganz und gar nicht stimmte.

Wie gelähmt sah ich mich im Spiegel an. Ich sah mein erschrockenes Gesicht und erkannte mich kaum wieder, diese Augen waren mir ganz fremd. Und ich wusste: nun würde sich mein Leben verändern, wie es das noch nie getan hatte. Und ich war machtlos, hilflos, verzweifelt. Dennoch blieb ich noch einige Momente hier, auf der Toilette, und klammerte mich am Waschbecken fest. Solange ich hier ausharrte, neben der feuchten, duftenden Wäsche, in böser Vorahnung, aber doch für mich alleine, konnte Michael draußen an seinem Laptop sitzen und musste noch nicht zu leiden beginnen, er konnte die milde Spätsommersonne genießen, die sein Gesicht wärmte. Er dachte nicht an mich oder das Baby, und das war gut so. Jede Sekunde mehr war jetzt kostbar.

Irgendwann verließ ich die Toilette. Wie ich den Mut dazu gefunden habe, weiß ich selbst nicht mehr. „Wir müssen ins Krankenhaus“, sagte ich ohne Umschweife zu Michael, der erschrak. Natürlich. Er fragte mich, was los sei. Ich sagte ihm, dass ich ein wenig blutete. Er fragte, was das bedeuten konnte. Ich entgegnete, dass ich das nicht wisse, dass wir es unbedingt abklären müssten, sofort. Er nickte, klappte den Laptop zu und holte seine Schuhe. Er wirkte gefasst, ich hatte nichts anderes erwartet. Michael war ein besonnener Denker, er brach nicht immer sofort in Panik aus wie ich. Er dachte auch immer positiv. Ich wühlte in meiner Reisetasche. Ich brauchte ein neues Oberteil. Es war noch wärmer geworden. Ich wählte ein cremefarbenes Shirt, dass ich erst einige Tage zuvor gekauft und noch nie getragen hatte. Als ich es aus der Tasche nahm, hasste ich es sofort, ich hasste es unglaublich, weil es das Shirt war, in dem ich ins Krankenhaus fahren würde, weil ich blutete, während meiner Schwangerschaft. Ich hasste die schwarze lange Hose, die an mir klebte. Ich hasste die Haut, in der ich steckte.

Auf dem Weg zum Auto machte ich klitzekleine Schritte. Ich wusste ja nicht, ob ich überhaupt noch gehen sollte. Zum Krankenhaus Brixen war es nicht weit, vielleicht fünf Minuten. Ich glaubte zu wissen, dass etwas Furchtbares auf mich zukommen würde, aber ich wusste nicht, auf welche Weise furchtbar es sein würde. Im Krankenhaus angekommen, regelte Michael die Formalitäten, er meldete mich mit Blutungen an. Ich stand nur daneben. Wie steht eine Frau da, wenn sie während ihrer Schwangerschaft blutet?

Wir wurden zur gynäkologischen Ambulanz geschickt, wo wir warten mussten. Ich versuchte, die Fassung zu bewahren. Eigentlich musste ich wieder zur Toilette, aber ich traute mich nicht. Ich hatte Angst vor neuem Blut. Endlich holte mich eine Schwester ab. Ich musste auf die Waage steigen und ein paar Fragen beantworten. Sie war freundlich und wirkte nicht sehr besorgt. Dann wurde ich zum Doktor gerufen, einem freundlichen, älteren Herrn, weißhaarig und gelassen. Ich schilderte ihm kurz die Situation. Er fragte mich, ob ich es in den letzten Tagen „streng“ gehabt hatte. Ich musste kurz nachdenken, um zu verstehen, was er meinte, verneinte aber dann. Nein, ich hatte mich nicht angestrengt.

Im Nebenraum durfte ich mich umziehen. Gottseidank kein neues Blut in der Hose. Der Kleine trat mich wie zur Beruhigung, und vielleicht war wirklich alles harmlos. Ein paar Tage Schonung, und das Leben konnte weitergehen. Aber ich bin nicht der Typ für „das ist zwar ungewöhnlich, aber nicht besorgniserregend.“ Ich bin der Typ für Drama. Ich stieg auf den Stuhl. Der Arzt wollte Smalltalk betreiben, doch ich blieb einsilbig, hatte keine Lust, mich zu unterhalten. Dann sagte er auch nichts mehr. Er untersuchte mich lange und konzentriert. Ich merkte: es war keine Kleinigkeit, was er entdeckte. Sonst hätte er mich sofort beruhigt. Er ging zu einem Schrank und holte ein Instrument heraus. Weiter Schweigen. Meine Angst wurde noch größer.

Endlich begann er zu sprechen, und das Erste, was er sagte, war: „Ich habe leider keine guten Nachrichten.“ Bumm. Mein Muttermund hätte sich bereits geöffnet, schon zwei Zentimeter, und außerdem wäre meine Fruchtblase zu sehen. Obwohl ich ja schon vorher mit schlimmen Nachrichten gerechnet hatte, trafen mich seine Worte schwer. Er erklärte mir, dass mein Kind an der Grenze zur Lebensfähigkeit wäre. Ein kleiner Mensch, der 700 Gramm wog. Aber 700 Gramm wären doch nicht schlecht, meldete ich mich zu Wort, alles, was über 500 Gramm ist, ist doch gut, hatte alle Chancen. Da war ich offenbar im Irrtum: die Anzahl der Schwangerschaftswochen war viel wichtiger. Die magische 500-Gramm-Grenze besagte lediglich, dass die Chancen darunter verschwindend gering sind. Aber nicht automatisch, dass ein Kind ab einem halben Kilo Gewicht auf jeden Fall durchkommen würde.

Der Arzt erklärte mir, dass ich auf keinen Fall mehr aufstehen dürfte. Aber auch nicht in Brixen bleiben könnte. Für solche Situationen sei man hier nicht ausgerüstet. Ich könnte nach Innsbruck transferiert werden oder nach Bozen, in ein Perinatalzentrum. Und zwar nicht mit dem Auto, sondern mit dem Helikopter. Aber zuerst müssten wir meinen Mann informieren. Bitte nicht. Ich wollte nicht, dass seine Welt so zusammenbrechen musste wie meine. Aber natürlich hatten wir keine Wahl. Der Gynäkologe rief Michael herein und informierte ihn. Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich die Fassungslosigkeit und das Entsetzen in seinen Augen. Aber er fing sich ganz schnell. Er wollte handeln. Was war nun zu tun, was musste getan werden? Der Doktor versprach, sofort seine Innsbrucker Kollegin anzurufen. Und Michael selbst müsste einen Hubschrauber anfordern, wir waren diesbezüglich versichert. Zuvor kam Michael aber noch auf mich zu, sein Lächeln gelang erstaunlich gut. Er sagte so etwas Ähnliches wie „Tja“. Ich sagte: „Das ist alles meine Schuld.“ Er schüttelte energisch den Kopf, „Auf keinen Fall, wie kommst du darauf?“. Und außerdem würde das alles gut ausgehen. Er sagte auch noch: „Du musst jetzt stark sein.“ Ich lachte gequält. Stark? Ich? „Ich bin nicht stark“, antwortete ich. „Wir haben immer alles geschafft“, sagte Michael. Aber das waren Lappalien gewesen, im Vergleich zu dieser Situation.

Ich wurde auf dem Untersuchungsbett in ein leeres Krankenzimmer geschoben. Eine Schwester wartete dort bereits auf mich, sie sollte mir die erste von zwei Lungenreifungsspritzen verabreichen. Die Spritze wäre schmerzhaft warnte sie mich und es könne sein, dass sich das Baby in den nächsten Stunden und Tagen weniger bewegen würde. Ich nickte mit dem Kopf, nahm ihre Worte wahr und auch nicht wahr. Ich befand mich immer noch in einem Schockzustand. Dann sprach die Schwester auf Südtirolerisch mit meinem Bauch und das klang in seiner direkten Bodenständigkeit sehr zärtlich und fürsorglich. Sie nannte das Baby „Schotzl“ und bat es, noch eine Weile in meinem Bauch zu bleiben. Gleich darauf kam ein Pfleger und brachte etwas vorbei. Er sah mein wohl ziemlich verzweifeltes Gesicht und sagte zu mir, dass sicher alles gut werden würde. „Und wenn nicht“, fügte er hinzu, „dann schaffen Sie es auch.“ Merkwürdigerweise fand ich diese Worte tröstlich.

Nachdem ich eine Weile in diesem kahlen Zimmer gelegen bin und gewartet habe, dass ich den Schmerz der Spritze fühlen würde, kamen Michael und der Primar des Krankenhauses Brixen, wie er sich vorstellte, herein. Das mit dem Transfer nach Innsbruck würde nicht klappen, erklärte er. Als ich erschrak, fügte er schnell hinzu, das sei nicht so schlimm, dann müsste ich eben nach Bozen, wir seien eben in Italien. Wenn ich in Afrika wäre, dann hätte ich auch keine Möglichkeit, mal schnell nachhause zu fliegen. Ich versuchte mir vorzustellen, was mich erwartete. Ich stellte mir junge, dunkelhaarige, quirlige Krankenschwestern vor. Diesen aufgeregten Singsang, von dem ich nur die Hälfte verstehen würde. Und mich selbst, klein und verzagt, unter der Bettdecke versteckt. Ich würde mit niemandem sprechen wollen. Aber genau genommen wäre das in Innsbruck auch nicht viel anders, ich war auch keine Tirolerin. Nun gut, dann eben Bozen.

Ich wurde samt Bett in den Helikopter befördert und mir wurden Kopfhörer aufgesetzt. Dann wurde es laut und windig, aber dass wir abhoben, uns in der Luft befanden, tatsächlich flogen, das alles konnte ich im Liegen nicht wahrnehmen. Neben mir saß ein Notarzt. Auf seinem Namensschild stand Vittorio. Er sprach kein Wort, es gab auch nichts zu sagen. Irgendwann landeten wir. Wahrscheinlich war der landende Hubschrauber Gesprächsthema bei allen, die gerade rund ums Krankenhaus zu tun hatten.

Junge Leute vom Krankenhaustransport holten mich ab. Eine Frau sprach mich auf Italienisch an und lachte, als sie feststellte, dass unser beider Muttersprache Deutsch war. In Südtirol ist es oft gar nicht so leicht zu unterschieden, wer Italienisch und wer Deutsch spricht. Ab und zu verhält es sich bei Südtirolern nämlich so, dass ihr Hochdeutsch merkwürdig artifiziell klingt, das Italienisch dafür hart und hölzern. Als wären beide Sprachen fremd.

Wieder wurde ich durch ein Krankenhaus geschoben. Diesmal durch eines, das ich von außen noch nie gesehen hatte. Die jungen Männer versuchten betont locker zu sein. Sie machten ein paar Scherze. Obwohl ich das durchschaute, tat es mir gut. Als wir auf die Geburtshilfestation kamen, hörten wir Babys schreien, praktisch aus jedem einzelnen Zimmer. An einer Tür stand eine frisch gebackene Mama mit ihrem Säugling im Arm und musterte mich neugierig. Die Mitarbeiterin vom Roten Kreuz sagte zu ihrem Kollegen, wie süß und klein das Baby sei. Der Kollege gab ihr daraufhin ein Zeichen mit der Hand, dass sie ruhig sein sollte. Ich sah seine Handbewegung nicht, aber ich fühlte, was hinter meinem Rücken geschah. Da war dieses schuldbewusste Schweigen. Wegen mir. Ich wurde in kein Krankenzimmer geschoben, sondern in den Raum, wo CTGs geschrieben werden, das Zimmer direkt neben den Kreißsälen. Die Leute vom Roten Kreuz wünschten mir alles Gute und meinten es auch so, ich sah es ihnen an.

Eine italienische Schwester, quirlig, mit kinnlangen Locken, begrüßte mich, als hätte ich hier noch gefehlt, als würden alle schon lange auf mich gewartet haben; dann befestigte sie einen Gürtel um meinen Bauch. Trotz ihrer Überschwänglichkeit erschien sie mir fürsorglich und gewissenhaft. Zu ihrer weißen Hose trug sie ein orangefarbenes Shirt. Die andere Schwester, die kurz hereinkam, trug lila. Gegenüber hatte eine hochschwangere Frau schon starke Wehen. Sie übergab sich in einen Kübel und sah so aus als wären die Schmerzen sehr intensiv. Ich beobachtete sie aufmerksam und dachte, für mich ist es noch lange nicht soweit, wir haben doch erst September. Als hätte ich vergessen, warum ich hier war. Bald wurden die Gebärende und der besorgte Ehemann an ihrer Seite in den Kreißsaal gebracht. Bei mir schlug der Wehenschreiber nicht an, die Schwester war zufrieden. Kurz darauf traf Michael im Krankenhaus ein. Er hatte einen gehörigen Schreck erlitten, als man ihm am Empfang gesagt hatte, dass er zu den Kreißsälen gehen musste.

Kurz konnten wir durchatmen, dann wurde ich für eine neuerliche Untersuchung, diesmal durch eine Ärztin, abgeholt. Sie wirkte mürrisch und schroff, wies mich zuerst einmal zurecht, dass ich viel zu viel zugenommen hätte, für das Stadium meiner Schwangerschaft. Dabei war sie selbst äußerst mollig. Als ich ihr berichtete, dass der Brixner Arzt schon die Fruchtblase gesehen hätte, schüttelte sie missbilligend den Kopf. Sie glaubte ihm nicht, das war deutlich zu sehen. Nach einer ausführlichen Ultraschall-Untersuchung schien sie jedoch ihre Meinung geändert zu haben – sie drückte mir eine Broschüre über das Thema Geburt in die Hand. „Wie werden es aber zunächst einmal spontan versuchen“, bellte sie. Dann forderte sie mich auf, zur Toilette zu gehen, das wäre das letzte Mal für eine lange Zeit. Das waren keine guten Aussichten. Ich ging wie auf rohen Eiern und wagte, kaum, mich hinzusetzen. Ich dachte daran, wie ich im Alter von sieben oder acht Jahren mit einer Lungenentzündung alleine im Spital gelegen war. Und wie einsam ich mich fühlte, wenn ich nachts zur Toilette gehen musste. Ich sehnte mich nach der Schulter meiner Mutter oder irgendeiner Mutter, gegen deren Schulter ich mein Gesicht drücken konnte. Genauso fühlte ich mich in diesem Moment, wie ein kleines, verschüchtertes Mädchen, das einfach nur geborgen sein wollte.

Als ich zurückkam und mich wieder auf das Bett legte, wurde ich in ein Krankenzimmer geschoben. Das Zimmer hatte nur zwei Betten, was in Wien äußerst selten vorkommt. Im anderen Bett lag eine dunkelhaarige Frau, vielleicht etwas älter als ich. Sie grüßte mich freundlich und sprach deutsch. Es war bereits nach zehn Uhr abends, wo war die Zeit hin? Die Schwester mit den Locken erschien erneut und wollte ein paar Daten aufnehmen. Unter anderem fragte sie mich, ob ich irgendwelche Allergien hätte. Ja, gegen Bienen, erwiderte ich. Das verstand die Schwester nicht. Meine Bettnachbarin übersetzte: „Api.“ Ich bedankte mich bei ihr. Die Schwester meinte, ich solle mich nun ausruhen.

Michael fragte mich, ob er nachhause fahren oder bei mir bleiben sollte. Natürlich hatte ich Angst, alleine zu bleiben. Genauso wie ich Angst hatte, dass die Geburt jede Minute beginnen könnte. Aber er konnte nicht hier übernachten, auf einem Sessel neben mir sitzend. Wir küssten uns und mein Kuss sagte, bitte bleib, auch wenn es nicht geht, und sein Kuss sagte, ich würde so gerne, wenn ich könnte. Er stand auf und winkte mir nochmal zu. Dann hörte ich ihn draußen mit der Schwester sprechen. Sie versicherte ihm, dass das Baby heute Nacht nicht geboren werden würde.

Meine Zimmerkollegin löschte das Licht. Bald hörte ich sie gleichmäßig atmen, sie war eingeschlafen. Ich hingegen konnte nicht schlafen. Ich hatte Angst, und in meinem Unterleib brannte es, als hätte ich eine Blasenentzündung. „Auch das noch“, stöhnte ich. Außerdem traute ich mich kaum, mich im Bett zu bewegen. Die Nacht dauerte lange, ich nickte immer wieder ein und war gleich darauf wieder hellwach. Jedes Mal ein neuer Schreck, mich im Krankenhaus zu befinden, in dieser Situation. Ich sah die Nacht als sie am finstersten war, dann kurz darauf die Morgenröte eines neuen Tages.

Geboren in Bozen

Подняться наверх