Читать книгу Sportsozialarbeit - Heiko Löwenstein - Страница 10
1.2 Begriffliche Klärung und Ziele der Sportsozialarbeit
ОглавлениеZur Beschreibung sozialpädagogischen Handelns, in dem Sport als Medium genutzt wird, werden in der Literatur verschiedene Begrifflichkeiten genutzt, von sportbetonter über sportorientierter bis zu sportbezogener Sozialer Arbeit etc. Eine einheitliche Benennung hat sich bislang nicht durchgesetzt. Alle Begriffe betonen die Soziale Arbeit und fügen den Sport attributiv als Medium in der Sozialen Arbeit hinzu. Im vorliegenden Buch wird von Sportsozialarbeit gesprochen. Damit soll zum einen Anschlussfähigkeit an international übliche Sprachregelungen hergestellt werden (Sport Social Work). Zum anderen werden durch diese sprachliche Regelung erste Bemühungen betont, die Soziale Arbeit als Bezugsdisziplin der Sportwissenschaft, analog z. B. zur Sportpsychologie, zu etablieren. Während die Soziale Arbeit die Sportwissenschaft bereits als eine ihrer Bezugsdisziplinen nutzt, bestehen seitens der Sportwissenschaft, anders als beispielsweise in den USA, bislang wenig Bemühungen, die Soziale Arbeit als mögliche Bezugsdisziplin zu sehen bzw. anzuerkennen. Unlängst gibt es jedoch einen Vorstoß der Deutschen Sporthochschule Köln, die mit dem Weiterbildungsangebot »Sport in der Sozialen Arbeit« die Bedeutung sozialarbeitswissenschaftlicher Wissensbestände für die Sportpraxis hervorhebt (DSHS, 2019).
Eine allgemeingültige Definition von Sportsozialarbeit liegt bislang nicht vor, eine begriffliche Diskussion gibt es nur in Ansätzen, häufig dient der in der Sportpädagogik formulierte sogenannte Doppelauftrag Erziehung im und durch Sport als Anknüpfungspunkt. Im vorliegenden Buch wird mit der Darlegung eines theoretischen Bezugsrahmens Sozialer Arbeit anhand ausgewählter Theorien und Konzepte ( Kap. 4) der Versuch einer sozialpädagogischen begrifflichen Annäherung unternommen. Mit der Darlegung verwandter disziplinärer Zugänge wie z. B. der Bewegungspädagogik ( Kap. 6) wird die Verhältnisbestimmung zwischen Bewegung, Sport und Körper als Teil der begrifflichen Auseinandersetzung betont. Das Autorenteam versteht die Überlegungen als Ausgangspunkt für Austausch und Diskussion.
Gemäß den Ausführungen des Sportwissenschaftlers Michael Krüger zu Sport und Sozialer Arbeit im »Handbuch Sozialer Arbeit« wird dem Sport eine hohe soziale Bedeutung im Sinne des sozialen Lernens und der Persönlichkeitsentwicklung bis hin zu emanzipativen Wirkungen beigemessen (Krüger, 2003, S. 1813ff). So kann Sport u. a. dazu beitragen, die Bedeutung von Regeln für das Zusammenleben zu vermitteln, aber auch deren Aushandlung einzuüben, den Umgang mit Sieg und Niederlage in Wettkämpfen zu erlernen oder soziale Rollen spielerisch zu erproben. Diese Lernprozesse können sowohl unbewusst als auch intendiert eingesetzt werden (ebd., S. 1816). Dies kommt im sogenannten Doppelauftrag Erziehung zum und im/durch Sport zum Ausdruck. Während Erziehung im Sport Erziehungsprozesse in den Blick nimmt, die in sportlichen Kontexten per se, d. h. unintendiert ablaufen, sind mit Erziehung durch Sport Erziehungsprozesse gemeint, bei denen Sport bewusst als Instrument eingesetzt wird (ebd., S. 1816). Neben diesen pädagogischen Motiven wird in den Sportwissenschaften mit der Formel Erziehung zum Sport auch ein sportbezogenes Motiv verfolgt, das auf die Erschließung der Sportkultur und der darin enthaltenen Werte wie Leistung, Teamgeist oder Fair Play zielt. Dadurch sollen persönlichkeitsbildende Effekte erzielt werden (DOSB, 2009, S. 5; Baur & Braun, 2003). Um die soziale Wirkung des Sports zu entfalten, ist die pädagogisch verantwortliche Inszenierung und die Reflexion des Sportgeschehens notwendig (u. a. DOSB, 2009, S. 5).
In der Sozialen Arbeit wird Sport gemeinhin als ein Medium oder spezifischer Zugang zur Umsetzung sozialpädagogischer Zielsetzungen, ähnlich wie z. B. die Kunst oder das Theater, bezeichnet und ergänzt in dieser Bedeutung das sozialpädagogische Handlungsrepertoire (siehe u. a. Krüger, 2003; Welsche, Seibel & Nickolai, 2013). Sportsozialarbeit wird dabei nicht als einfache Rezeption sportpädagogischer Ansätze in der Sozialen Arbeit verstanden und lässt sich auch nicht z. B. unter bewegungs- oder erlebnispädagogische Ansätze subsumieren. Das Sozialpädagogische der sportorientierten Sozialarbeit ist weder allein die Zielgruppe noch das soziale Setting. Eine Verwebung mit sozialpädagogischen Handlungsansätzen wie der Lebensweltorientierung oder der Sozialraumorientierung und die Einbeziehung der Lebenswelt außerhalb des professionellen Settings, z. B. Familie oder Schule, machen Sport zum Bestandteil eines integrierten Unterstützungsprozesses mit dem sozialpädagogischen Ziel der Förderung von Teilhabe und Lebensbewältigung. Eine Schnittstellenbestimmung zwischen Sport und Sozialer Arbeit wird mit dem Selbstverständnis der Sozialen Arbeit, d. h., aus den Strukturen und Logiken dieser Disziplin heraus vorgenommen, sportwissenschaftliche Zugänge werden ähnlich wie Wissensbestände der Soziologie oder der Sozialmedizin einbezogen (Steffens & Winkel, 2017, S. 293). Dabei wird die Definition Sozialer Arbeit durch die International Federation of Social Workers (IFSW) zugrunde gelegt.