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2.3.1 Unterrichtlicher Schulsport

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Schulsportunterricht erhält durch landeseigene Rahmenlehrpläne und -richtlinien seine Konkretisierung. Er wird mit durchschnittlich zwei bis drei Schulstunden pro Woche unter der Leitung einer akademisch ausgebildeten Sportlehrkraft an allen Schulformen verpflichtend durchgeführt. Dabei wird Sportunterricht im Klassenverband, in Kursform, koedukativ oder geschlechtergetrennt unterrichtet. Schulsport nimmt eine besondere Stellung ein, da er der einzige obligatorische Sport für alle Kinder und Jugendlichen ist (DOSB, 2009).

Kenntnisse schöpft der Schulsportunterricht mehrheitlich aus der Sportpädagogik und -didaktik ( Kap. 6.1). Konkrete Ziele, Aufgaben und Inhalte ergeben sich v. a. aus den Richtlinien staatlicher Bildungspolitik und -verwaltung. Für die Koordinierung länderübergreifender Angelegenheiten im Bereich des Schul- und Hochschulsports ist die Kultusministerkonferenz (KMK) zuständig. In den Ländern liegt die Zuständigkeit bei den Bildungs- bzw. Wissenschaftsministerien. Landesspezifische Rahmenlehrpläne dienen dabei als Grundlage für die Ausgestaltung des Sportunterrichts an den jeweiligen Schulstandorten. Auch die eigene sportliche Biographie der Schulleitung, der Lehrkräfte und des weiteren pädagogischen Personals an Schulen beeinflussen die inhaltliche Gestaltung des Schulsportunterrichts (Schulz, 2014, S. 178f; Laging, 2003, S. 546).

Leitidee und Legitimierungsgrundlage für den Schulsport war seit den 1990er Jahren der Gedanke des erziehenden Sportunterrichts nach Balz (1992). Im Sinne eines Doppelauftrags (Erziehung zum und im/durch Sport) hat dieser Gedanke in Lehrpläne Einzug gefunden (Prohl, 2010, S. 176f). Vorreiter war das Land NRW, dessen fachdidaktischer Konsens bundesweite Verbreitung fand.

Im Zuge enttäuschender Ergebnisse bei internationalen Leistungsvergleichsstudien wie z. B. PISA 2000 wurden Bildungsstandards und Kompetenzen als Allheilmittel einer neuen Unterrichtssteuerung angepriesen, die u. a. eine bessere Kontrolle der Lernergebnisse begünstigen sollen (Aschebrock & Erlemeyer, 2014, S. 204f). Neuerdings trifft daher der erziehende Sportunterricht auf das Konzept kompetenzorientierter Kernlehrpläne. Diese Kompetenzwende löste heftige Kritik v. a. unter Sportpädagogen und -pädagoginnen aus, da man befürchtete, dass bisherige Grundsätze des erziehenden Sportunterrichts verloren gingen. Einige Sportwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen verweisen in diesem Kontext darauf, dass sich kompetenzorientierte Standards im Schulsportunterricht häufig auf sportmotorische Fähigkeiten und Fertigkeiten beschränken. Die kognitiven, sozialen, emotionalen und motivationalen Dimensionen sportlichen Handelns würden dabei kaum berücksichtigt, was in einen geschmälerten Bildungsanspruch des Schulsports münden könne. Auch fehle es meist an konkreten Hinweisen und Konzepten zur Unterrichtsgestaltung (ebd.; auch Ruin & Stibbe, 2014, S. 172). Aschebrock & Erlemeyer (2014, S. 204f) sehen jedoch durchaus auch Anknüpfungspunkte von kompetenzorientierten Kernlehrplänen an bestehende Konzepte des erziehenden Sportunterrichts und an etablierte pädagogische Prinzipien und Perspektiven.

Ergebnisse einer umfassenden Studie zum Schulsport (SPRINT, 2006) unter der Leitung von Brettschneider zeigen, dass der Sportunterricht Nachholbedarf hat, was sich an einigen Themen festhalten lässt. Als kritisch herausgestellt wurden u. a. die vermehrte Durchführung von fachfremd erteiltem Unterricht. Auch wird von hohem Unterrichtsausfall, z. T. durch Mangel an Sportstätten oder nicht adäquater Vertretung, berichtet (Heim et al., 2006, S. 68ff). Ergebnisse stellten außerdem eine soziale Selektivität in der Teilhabe am Sportunterricht fest. Schüler und Schülerinnen der Hauptschulen seien laut einer Zusammenfassung der SPRINT Studie

»dabei dreifach benachteiligt: Sie erhalten den geringsten Umfang an Sportunterricht, dieser wird in größerem Umfang als an anderen Sekundarschulen fachfremd unterrichtet und sie treiben in der Freizeit und im Verein weniger Sport« (Gerlach et al., 2006, S. 118).

Diese Andeutungen zur Korrelation von sozioökonomischem Status und Bildung und der Teilhabe an Sportgelegenheiten werden im Kapitel 3.3.2 dieses Lehrbuchs weiter ausgeführt, sie sind aber für den Schulsportunterricht, der aufgrund seiner Verpflichtung die Chance hätte, alle Kinder und Jugendlichen zum regelmäßigen Sporttreiben zu bewegen, ernst zu nehmen. Weiterhin wird in der SPRINT-Studie das Festhalten an tradierten Sportformen wie Fußball, Leichtathletik oder Turnen mit Leistungsbezug kritisiert. Trendsportarten und innovative Bewegungsformen würden eher selten aufgenommen (Gerlach et al., 2006, S. 114f; Prohl & Krick, 2006, S. 28f). Dies wird auch in anderen Studien (Albert, 2017; Ruin & Stibbe, 2014) bestätigt und ist aus Sicht der Sportsozialarbeit, die für eine mehrperspektivische Erschließung der Sportkultur plädiert, kritisch zu betrachten.

Cachay et al., (2010, S. 250f) bemängeln, dass das Sportstudium nicht ausreichend auf die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung vorbereitet, sondern methodisch-didaktische Hinweise mehrheitlich auf sportpraktische Fähigkeiten ausgerichtet sind. Die Aussagen der SPRINT-Studie wurden zum Anlass für die Entwicklung gemeinsamer Handlungsempfehlungen der KMK und des DOSB (2007; erweitert 2017) genommen, welche Empfehlungen zum Schulsport im Allgemeinen, aber auch zum Sportunterricht lieferten. Eine Schnittstelle zu sozialpädagogischen Zielen wird hier sichtbar. Benannt werden u. a. die Öffnung des Sportunterrichts hin zu einer zeitgemäßen Bewegungs- und Sportkultur, Berücksichtigung individueller Schüler- und Schülerinnenkompetenzen unter Hinzunahme von didaktisch-methodischer Vielfalt, die Einbeziehung von Schüler- und Schülerinneninteressen sowie die Ausrichtung der Leistungsbeurteilung an individuellen Kompetenzen. Inwieweit diese Empfehlungen schon umgesetzt werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund fehlender Untersuchungen nicht zu beurteilen. Anknüpfungspunkte können für die Sportsozialarbeit gesehen werden, um den hier benannten Herausforderungen interdisziplinär zu begegnen. Der außerunterrichtliche Schulsport und weitere sportliche Angebote im Kontext Schule können dafür gute Gelegenheiten bieten und werden im Folgenden betrachtet.

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