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c.Der Messias als Träger des Geistes
ОглавлениеÜber die künftige Wirksamkeit des Geistes tauchen in den alttestamentlichen Verheißungen zwei kooperierende Aussagen auf. Zum einen wird die Ausgießung des Geistes aus der Höhe durch den Übermittler, den Messias (Geistträger) betont. Zum anderen wird dieser Geist ausgegossen auf alles Fleisch, in die Herzen der Menschen (Joel 3,1f; Hes 36,25–27). Erwartet wird eine Geistausgießung, die sich nicht nur auf einzelne Menschen, nicht nur auf einzelne Gruppen beschränkt, sondern die sozial überschreitend ist. Der Geistträger wird zum Geisttäufer. Im Zeugnis des NT laufen diese beiden Verheißungslinien zusammen in der Person von Jesus von Nazareth. Er wird als der Messias, der Geistträger und auch der Geisttäufer bezeugt.59 Jesus wurde nicht nur vom Geist Gottes gezeugt, eingesetzt und in seiner Verkündigung und seinem Wirken als ein vom Geist Gottes Bevollmächtigter gesehen. Er ist es auch, der die Verheißung der Ausgießung des Geistes erst ermöglicht. „Die Macht Gottes, Gott als Stifter des Lebens, Geist als die größte Macht, das alles bleibt jetzt nicht mehr ‚hinter‘ den Dingen, bleibt nicht transzendent und nur erahnbar, sondern diese Macht tritt sozusagen an diesem einen Punkt in den Vordergrund, in Jesus Christus.“60
Matthäus und Lukas bezeugen, dass Joseph die Mutter Jesu vor der Geburt nicht „erkannte“, also keine menschliche Zeugung stattfand (Mt 1,18; Lk 1,34f). Maria erfährt vom göttlichen Boten: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft Gottes wird sich an dir zeigen. Darum wird dieses Kind auch heilig sein und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35). Matthäus bezeugt, dass Maria „schwanger war von dem Heiligen Geist“ (Mt 1,18; LU). Die Evangelisten begründen nicht, warum Jesus in dieser Weise empfangen werden sollte. Es entspricht aber der im AT mehrfach getroffenen Aussage, dass Gott schon „im Mutterleib“ handelt (Jes 44,24ff; 49,1ff; Jer 1,5; Hiob 31,15). Die Zeugung Jesu ist etwas Einmaliges. Die Tatsache, dass nur zwei Evangelisten die jungfräuliche Zeugung Jesu erwähnen, sollte uns nicht zu der Annahme führen, dass es sich hierbei um eine eigenwillige Interpretation handle. Vielmehr ist diese Art der Zeugung ein erstes Indiz für die himmlische Heimat des Messias. Es betont die Wahrheit, dass Jesus von Gott ausgegangen ist; die Geburt Jesu geschah nicht, weil zwei Menschen auf dieser Erde es wollten, sondern weil es Gottes Wille war und die Zeit Gottes erfüllt war. Die Empfängnis Jesu durch den Geist bezeugt den Anbruch einer neuen Wirklichkeit. Der Geist Gottes ist hier der Initiator.
Das ganze Leben Jesu, sein Tod und seine Auferstehung geschahen in der Kraft des Geistes. Das Geschehen am Kreuz Jesu ist nur in der Kraft des Geistes möglich gewesen. „Erfüllt von Gottes ewigem Geist, hat er sich selbst für uns als fehlerloses Opfer Gott dargebracht“ (Hebr 9,14). Durch den Geist wurde er als Sohn Gottes in der Auferstehung bestätigt (griech. orizo = bestimmen, bestellen zu etwas). „Durch die Kraft des Heiligen Geistes wurde er von den Toten auferweckt, und so bestätigte Gott ihn als seinen Sohn“ (Röm 1,4). In der Taufe stellt sich Jesus solidarisch unter die Sündenlast der Welt, die er trägt (Joh 1,29). Dass seine Taufe von Gott angenommen wurde, wird bezeugt durch das wahrnehmbare Herabkommen des Geistes auf Jesus. Alle drei Synoptiker berichten, dass sich bei der Taufe Jesu „der Himmel öffnete“ (Mt 2,16; Mk 1,10; Lk 3,21).61 Als der Geist Gottes wie in Gestalt einer Taube herabkam (evtl. als Symbol der Sanftheit und des Friedens oder auch der Unscheinbarkeit des natürlichen Lebens) und auf Jesus blieb, geschah die göttliche Anrede: „Dies ist mein geliebter Sohn, der meine ganze Freude ist“ (Mt 3,17). Die Salbung mit dem Geist bei der Taufe befähigte Jesus, seine messianische Sendung auszuführen (Lk 4,18f). Jesus wurde nach dem Zeugnis des Johannesevangeliums durch diesen erkennbaren Geistempfang bei seiner Taufe von dem Täufer Johannes als der zukünftige Geisttäufer identifiziert. „Und Johannes berichtete weiter: ‚Ich sah den Geist Gottes wie eine Taube vom Himmel herabkommen und bei ihm bleiben. Wer er ist, wusste ich vorher noch nicht‘, wiederholte Johannes, ‚aber Gott, der mir den Auftrag gab, mit Wasser zu taufen, sagte zu mir: ‚Du wirst sehen, wie der Geist auf einen Menschen herabkommt und bei ihm bleibt. Dann weißt du, dass er es ist, der mit dem Heiligen Geist tauft‘“ (Joh 1,32f).
Weiterhin bezeugen die Schriften des NT die Präsenz und Initiation des Gottesgeistes in der Versuchung, die Jesus erfährt. Alle drei Synoptiker betonen, dass Jesus durch den Geist in die Wüste geführt wurde. Lukas fügt noch hinzu, dass Jesus selber „erfüllt mit dem Heiligen Geist“ war (Lk 4,1). Nach dieser massiven Versuchung wartete Satan auf andere Gelegenheiten (Lk 4,13), um Jesus von seinem messianischen Weg abzubringen. Jesus tat aber in der Vollmacht und Salbung des Geistes seinen messianischen Dienst und verkündigte den Anbruch des neuen Zeitalters, den Anbruch des Königreiches Gottes (Lk 4,18). Er verkündigte nicht nur durch Worte, sondern tat auch viele Wunder; er heilte Menschen und trieb Dämonen aus. Hierin erweist er sich als der angekündigte Messias (Jes 61,1f). Die Dämonenaustreibungen geschehen durch den Geist Gottes. Jesus sagt: „Wenn ich aber die Dämonen durch den Geist Gottes austreibe, so beginnt Gottes neue Welt jetzt – mitten unter euch!“ (Mt 12,28). Jesus erweist sich als der Stärkere, der „den Starken“ bindet und ihm seine Beute nimmt (vgl. Mk 3,27). Der messianische Geistträger ging entschlossen seinen Weg, bis nach Gethsemane, bis Golgatha. Der Geist Gottes stärkte Jesus und teilte mit ihm die Todesstunde und kraft des Geistes wurde er zu neuem Leben auferweckt (Hebr 9,14; Röm 1,4).
Der Tod und die Auferstehung Jesu machten es nun möglich, dass der Geist Gottes auch auf seine Jünger und Nachfolger ausgegossen wurde. Immer wieder hatte Jesus auf die Bedeutung des Geistes hingewiesen, wenn er die neue angebrochene Wirklichkeit des Reiches Gottes erklärte. Dem fragenden Nikodemus bezeugt er, dass ein Mensch nur durch eine neue Geburt durch „Wasser und Geist“ in das Reich Gottes eingehen kann (Joh 3,5). Im Gespräch mit der Frau am Jakobsbrunnen erklärt er: „Es kommt die Zeit – ja, sie ist schon da –, in der die Menschen den Vater überall anbeten werden, weil sie von seinem Geist und seiner Wahrheit erfüllt sind. Von diesen Menschen will der Vater angebetet werden. Denn Gott ist Geist. Und wer Gott anbeten will, muss von seinem Geist erfüllt sein und in seiner Wahrheit leben“ (Joh 4,23f). Einem Menschen, der den Heiligen Geist empfangen hat, wird verheißen, dass die Kraft des Geistes gleich wie „Ströme lebendigen Wassers“ von dessen Leib fließen werden (Joh 7,37–39; LU). Nach Lk 11,13 verspricht Jesus denen, die darum bitten, den göttlichen Geist. Auch in Verfolgungszeiten würde der Geist Gottes den Jüngern beistehen (Mk 13,10f). Am deutlichsten finden wir die Verheißung der bevorstehenden Ausgießung des Geistes bei dem Evangelisten Johannes. In seinen Abschiedsreden (Joh 13–15) zeigt Jesus auf, dass seine Autorität und Vollmacht für den messianischen Dienst in seiner Abhängigkeit von Gott dem Vater begründet ist (vgl. Joh 5,19). So soll auch die Einheit der Jünger Jesu mit ihrem Herrn nach seinem Tod, der Auferstehung und der Erhöhung durch den Geist Gottes möglich werden. Viermal wird der Heilige Geist im Johannesevangelium „Parakletos“ genannt. Der Paraklet ist der Fürsprecher, der Beistand. Man kann hier auch die Assoziation eines Helfers, Freundes, Beraters oder Verteidigers sehen. Dieser Paraklet wird die Jünger lehren, trösten und erinnern. Er wird Jesus verherrlichen und sie zur Liebe befähigen.
„Wenn ihr mich liebt, werdet ihr so leben, wie ich es euch gesagt habe. Dann werde ich den Vater bitten, dass er euch an meiner Stelle einen Helfer gibt, der für immer bei euch bleibt. Dies ist der Geist der Wahrheit. Die Welt kann ihn nicht aufnehmen, denn sie ist blind für ihn und erkennt ihn deshalb nicht. Aber ihr kennt ihn, denn er wird bei euch bleiben und in euch leben. Nein, ich lasse euch nicht allein zurück. Ich komme wieder zu euch. Schon bald werde ich nicht mehr auf dieser Welt sein, und niemand wird mich mehr sehen. Nur ihr, ihr werdet mich sehen. Und weil ich lebe, werdet auch ihr leben. Dann werdet ihr erkennen, dass ich eins bin mit meinem Vater und dass ihr in mir seid und ich in euch bin“ (Joh 14,15–20).
Dieser Geist Gottes wird nicht nur an der Seite der Gläubigen sein, sondern er wird in ihnen sein. Er wird sie belehren (Joh 14,26). Der Geist wird sie in alle Wahrheit führen. Er wird keine neuen Wahrheiten offenbaren, die der Lehre Jesu widersprechen. Der Geist wird Jesus in den Gläubigen bezeugen (Joh 16,13; 15,26). Durch den Empfang der Gabe des Heiligen Geistes werden die Jünger befähigt, Zeugen für Jesus zu sein und das Reich Gottes im Geiste und in der Kraft Jesu weiterzuführen. „Ihr werdet den Heiligen Geist empfangen und durch seine Kraft meine Zeugen sein in Jerusalem und Judäa, in Samarien und auf der ganzen Erde“ (Apg 1,8). Nur im Johannesevangelium wird berichtet, dass am Abend des Auferstehungstages Jesus seinen Jüngern begegnete und dass er sie dabei anhauchte und sagte: „Empfangt den Heiligen Geist!“ (Joh 20,22).
Es gibt manche Spekulationen darüber, wie dieser Bericht zuzuordnen ist. Wie soll dieser Geistempfang mit dem verheißenden Geistempfang zu Pfingsten vereinbar sein? Handelte es sich hier nur um eine symbolische Anrührung, die den Glauben der Jünger stärken, ihre Erwartung aufrecht erhalten und ihnen die Kraft geben sollte, zu warten? Es handelt sich hier meines Erachtens tatsächlich um zwei selbständige Ereignisse. Johannes berichtet, was am späten Osterabend geschah, Lukas berichtet vom Pfingsttag. Die Umstände der Begegnung sind unterschiedlich. Am Osterabend wird der Empfang der Gabe des Geistes mit der Vollmacht, Sünden zu erlassen, verbunden. Am Pfingsttag wird die Geistausgießung mit dem umfassenden Zeugendienst verbunden. Am Ostertag werden nur die Jünger angerührt, am Pfingsttag kommt der Geist auf alle, die versammelt waren.
Hier bleiben Fragen offen, die auch durch eine sorgfältige Exegese nicht geklärt werden können. Mir scheint die Deutung sinnvoll, dass Jesus seinen Jüngern durch die Vermittlung des Geistes schon eine erste Salbung des Geistes zukommen ließ, um in dieser Zwischenzeit von Auferstehung bis Pfingsten mit ihm verbunden zu sein. Die angekündigte Ausgießung des Geistes „auf alles Fleisch“ geschah jedoch erst am Pfingsttag. Der Empfang des Geistes am Osterabend war nicht universal, sondern er galt einzelnen Personen. Die Pfingsterfahrung hingegen korrespondiert mit der schon im Alten Bund verheißenen universalen, totalen, bleibenden und unmittelbaren Ausgießung des Geistes.62