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173. Rahel Varnhagen86

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11. März 1829

[Rahel an Varnhagen, Berlin:] Heine sehe ich fast nicht; er wälzt sich so in sich herum; sagt, er muß viel arbeiten; ist fast erstaunt, daß ihn so etwas Reelles, als des Vaters Tod, der Mutter Leid darüber, betraf; meint, er hätte außerordentlich mit diesem „herrlichen“ Vater harmoniert, sei ganz von ihm verstanden gewesen; und wohnt tief in die große Friedrichsstraße, über die Brücke hinweg, dem Klinikum und den Kasernen gegenüber – eine Art Festung – viel zu weit. Aussehen tut er gesünder; klagt beinah nicht wieder; aber es ist manche sonst vorüberfliegende Miene festgestellt zwischen seinen Zügen, die ihnen nicht wohltut; so im Munde ein Zerren, wenn er spricht, was ich sonst – auch schon – fast als eine kleine Grazie bemerkte, obgleich es nie schön Zeugnis gab. Glaube nicht, daß ich persönlich zu klagen habe; die Wahrnehmungen gewinnen nur, wenn sie zur Mitteilung gestaltet werden müssen, eine festere Form, als all dergleichen haben kann, und soll: im Leben selbst, fließt alles, wie sein großer Strom ...

Viertel auf zwei. Heine war hier, als ob er gekommen wäre zu bestätigen, was ich schrieb. Er ist so zerstört von des Vaters Tod. Ein anderer empfindet das nicht so: z. B. seine Geschwister. Er wollte gegen Goethe sprechen: ich mußte lächeln; es ging nicht. Er wollte Gans tadeln; es ging nicht. Er wollte Wit-Dörring loben; das machte ich ganz zuschanden, und ihn mit. Er wollte Lindners Schreiben tadeln: ich bewies ihm das Gegenteil. Lauter kurzgestellte Persönlichkeiten. Proben. Vor allem diesen las ich ihm Deinen Gruß, der machte ihn betreten: er dachte, es hätte Dir jemand etwas von ihm gesagt: da Du schriebst, er solle sich auf Dich verlassen usw. Das war der einzige Ernst bei ihm. Dabei rochen seine Stiefel nach Schuster, seine Kleider nach stockig. Also Fenster nach ihm aufsperren...

[Rahel an Varnhagen, 13. März:] Es ist sonderbar, daß Du mir in dem gestrigen [Brief] von Wit-Dörring geschrieben hast, und ich Dir vorgestern. Dieser fliegende stechende tolle Mistkäfer. Wir wollen dann auch nie wieder von ihm sprechen. Auch darum, weil ich nie mehr so gut ihn bezeichnen werde, als vorgestern für Heinen. (Welcher ihn auch bis zum besten deutschen politischen Schriftsteller hinauftrieb; denn nur er, Du und Gentz schrieben so; Lindner hätte keine Ideen. Auch von Heine wird es ganz verachtungswürdig, so, ohne Grund und Boden; und ohne alle Rechtschaffenheit, zu sprechen.)... Vorgestern abend sprach ich mit Mad. Cotta von Heines Besuch und Gespräch. Und da sagte mir die, fast zornig: in ihrer Gegenwart würde er sich nicht unterstehen, von dem Menschen so zu sprechen. Er hätte Heinen den offenbarsten Schaden getan. Plötzlich, durch seinen Umgang: und man beschuldige Heinen, ihm Materialien zu seinem Buche geliefert zu haben – ich glaube, ein zweites, neueres – das Ärgste, was sich sagen läßt. Heine – sag’ ich – wird sich immer von neuem besudlen; denn auch dem ist’s genug, ein Ärgernis zu geben; sollte er auch selbst, als kotiger Arlequin oder Henker, umherlaufen müssen. Glaube ja nicht, daß ich minütlich auf ihn aufgebracht bin. Auf meine Ehre nicht! Ich sehe ihn nur.

Michael Beer ist in französischen Blättern wegen seines Struensee gelobt, welcher übersetzt ist: da sagte Heine: „So lange er lebt, wird der unsterblich sein.“ Von der Bachschen Musik, die er vorgestern auch hörte, sagte er – sagte er, ist hier zu viel –, er hätte acht Groschen Profit dabei; einen Gulden kostete sie, und für einen Taler hätte er sich ennuyiert. Sehr gut das erste auch. Voilà ce que vous me demandez; de ses bonmots! [im Brief vom 8. März]. – Auch ich hatte Langeweile in dieser Musik.

[Das Wort über Beer „Solange er lebt“ usw. war offenbar ein stereotyper Witz Heines; er richtete ihn bald darauf gegen Platen in den „Bädern von Lucca“, Kap. XI, und später gegen Meyerbeer, vgl. „Lutetia“ vom 20. April 1841. – Mit dem politischen Abenteurer Wit von Dörring hatte Heine in München viel verkehrt; 1827 begannen Wits „Fragmente aus meinem Leben und meiner Zeit“ zu erscheinen, in denen auch Dr. Lindner, mit dem Heine in München die „Neuen politischen Annalen“ herausgab, eine Rolle spielte. Lindner polemisierte gegen Wit im „Ausland“. Das Buch Wits, von dem Rahel spricht, ist eine ebenfalls 1827 erschienene Verteidigungsschrift für den Herzog von Braunschweig, den „Diamantenherzog“. Genaueres über Wit enthält mein Vor- und Nachwort zu der Neuausgabe der Witschen Memoiren: „Der Lebensroman des Wit von Dörring“, Leipzig 1912.]

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