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191. August Lewald1

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Herbst 1829

Ich hatte nach dieser ersten Entrevue* [im Oktober 1827] Heine lange nicht gesehen, als er mich einst aus meinem Nachmittagsschlummer aufweckte. Ich war überrascht. Er kam, wie er mir sagte, meine Wohnung kennenzulernen, um sie zu mieten, wenn sie ihm konvenierte*, da er gehört hatte, daß ich sie verlassen wollte. Sie war ihm aber zu geräuschvoll, wie er sich bald überzeugte. Er litte sehr an den Kopfnerven, sagte er, und deshalb müsse es stets ganz still um ihn sein.

Dieses Kopfnervenleiden ist von vielen in Zweifel gezogen worden; man sagt, er kokettiere damit, und sein: „Ach! ich bin sehr krank!“, womit er jedes Gespräch anfängt, habe eigentlich nichts zu bedeuten. Damen wollen sogar behaupten, es geschähe bloß, um dabei mit der Hand an die Stirne zu fahren, und so diese feine, weiße Hand bemerken zu lassen, worauf sich der Dichter nicht wenig einbilde. Ich will der letzteren Behauptung nicht geradezu widersprechen...

Ich glaube an Heines Kopfleiden. Seine Konstitution ist schwächlich; er wird oft plötzlich glühend rot, ohne äußere Veranlassung; er ist fast immer in einem gereizten Zustande; seine Art zu leben kann eben nicht für Leute, die ihre Gesundheit sehr in acht zu nehmen haben, zur Nachahmung empfohlen werden. Heine schlief mehrmals bei mir, und nicht nur die Uhr in seinem Schlafzimmer mußte dann entfernt, sondern selbst die im Nebenzimmer gänzlich zum Schweigen gebracht werden. Dies Ticktack und Schlagen hätte ihn so stark angegriffen, wie er versicherte, daß er am andern Morgen das stärkste Kopfweh gehabt haben würde...

Heines erster Besuch war nur kurz, aber dennoch erfreute er mich. Es lag viel Schmeichelhaftes für mich darin, wie dieser ausgezeichnete Mensch* mich aufgesucht hatte; es war mir augenscheinlich, daß er mit mir in nähere Berührung zu kommen wünschte.

Ich sah ihn von nun an öfter in Hamburg; er gefiel sich so gut in meinem Hause, daß er mir bald täglich seinen Besuch machte.

Er forderte mich auf, mehrere Novellen, die ich in früherer Zeit verfaßt hatte und die in der Abendzeitung, im Morgenblatte und an andern Orten abgedruckt waren, zu sammeln und herauszugeben. Er interessierte sich auf das freundschaftlichste dafür und sprach mit seinem Verleger Julius Campe, der sie annahm.

Ich habe es ihm oft lachend gesagt: „Er lade den Fluch der Lesewelt auf sich, wenn ich nun nach und nach, gleich andern Novellisten, so ein fünfzig Bändchen zutage fördern sollte.“ Dem ersten Bande Novellen, der die ältern enthielt, folgte bald der zweite. Die fünf, die ihn füllten, wurden schnell hintereinander geschrieben, und Heine nahm sich die Mühe, sie im Manuskripte, mit dem Bleistifte in der Hand, zu lesen und mir seine Bemerkungen darüber mitzuteilen. Die Begebenheiten in Polen forderten mich auf, mehrere Erlebnisse aus jenem Lande zu Papier zu bringen und unter dem Titel „Warschau“ herauszugeben. Auch dieses Manuskript sah Heine durch. „Das ist keine Novelle,“ sagte er, „Sie müssen es anders nennen.“ Und er erfand den Namen „Zeitbild“ dafür, wie er früher „Reisebilder“ erfunden hatte und wie er später „Zustände“ erfand. Diese Benennungen haben seitdem alle das Bürgerrecht erhalten.

[Nach Erscheinen der „Novellen“ empfahl Heine das Buch Lewalds warm an Menzel (9. Dezember 1830), obgleich er mit diesem kaum noch freundschaftlich stand, und in einem Brief an W. Alexis (17. Januar 1831) stellt er Lewald das Prognostikon, „daß er einst in seinem Fache zu den beliebtesten Schriftstellern gehören werde.“]

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