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Kapitel 5 Schwarz und Weiß Schwarz und Weiß

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Frau Katrin Falkenstein, die Leiterin der Initiative in Leipzig arrangierte ein Treffen mit Prof. Dr. Schroeder, einem anerkannten Psychotherapeuten der Universität Leipzig. An dem Gespräch nahmen - neben Frau Falkenstein und mir - Herr Bodo Schleede und Frau Jutta Lerch teil.

Das Gespräch werde ich nicht vergessen. Prof. Dr. Schroeder betrat den Raum, begrüßte uns und sagte als Erstes zu mir: "Herr Kollege, ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen."Ich verstand die Bemerkung nicht und fragte nach dem Grund: Seine Antwort:"Das, was Sie tun, wäre eigentlich meine Arbeit. Ich bin Psychotherapeut und Sie sind Ingenieur."

Er erzählte von den Wertvorstellungen in der alten DDR und der teilweise etwas unkritischen Einstellung zahlreicher Bürger in diesem Lande zur Abtreibungsproblematik.

Ich versuche im Folgenden, die Aussagen von Prof. Dr. Schroeder in direkter Sprache wiederzugeben:

"Heute haben sich unsere Wertvorstellungen gewandelt. Wenn ich in meinen Terminkalender rein schaue, dann treffe ich in vielen Sitzungen mit Frauen im Alter ab 40 zusammen. Viele dieser Termine haben mit Depressionen zu tun. In vielen Fällen kann man diese Depressionen durchaus in einen Zusammenhang mit früheren Abtreibungen in Verbindung bringen.

Viele junge Menschen sind sich der Spätfolgen der Abtreibung nicht bewusst. Ich sage diesen jungen Menschen immer: Es gibt einen Schwarzen Weg und einen Weißen Weg.

Der Schwarze Weg lässt sich wie folgt beschreiben. Die junge Frau wird schwanger, sie treibt nicht ab. In diesem Falle ändert sich ihr Leben. Sie verliert vielleicht ihre Beziehung, die finanzielle Situation verändert sich, die Diskobesuche und andere Annehmlichkeiten fallen weg, es drohen Konflikte am Arbeitsplatz und mit den Eltern....kurz gesagt: es gibt ein total anderes Leben. Dieses Leben ist unbekannt und scheint damit auf den ersten Blick dunkel =Schwarz.

Der Weiße Weg hingegen, also die junge Frau treibt ab, ändert scheinbar aus kurzfristiger Sicht wenig in ihrem Leben. Alles scheint zu bleiben, wie es ist. Keine Probleme in den Freundschaften und Beziehungen, kein Ärger am Arbeitsplatz, die Eltern erfahren nichts davon, man kann das volle Leben weiter auskosten.

Doch dieser Weiße Weg entpuppt sich im Nachhinein oft als der Schwarze Weg.

Keine Frau wird jemals vergessen, dass sie ihr Kind abgetrieben hat. Der Verdrängungsprozess ist schmerzhaft, es erfordert eine gewaltige Kraft mit sich ins Reine zu kommen, die Seele in Harmonie zu bringen. Hier fängt meine Arbeit an."

Ich bin ein Mann und kann mich daher nur unzureichend in die Seele einer Frau hineindenken. In Erinnerung sind mir jedoch die Fernsehaufzeichnungen über Gespräche mit posttraumatisierten Vietnam-Veteranen. Im Gedächtnis haften geblieben ist mir der Satz eines gebrochenen Mannes:

"Diesen elfjährigen Jungen, den ich in Vietnam erschossen habe, werde ich nie vergessen. Er erscheint mir jede Nacht in meinen Träumen. Ich wusste, dass er unschuldig war."

Unsere Gesellschaft hat diesen wertvollen Menschen nach Vietnam geschickt. Er hatte in seinem Leben gelernt: "Du darfst nicht töten."

Wir, unsere Gesellschaft haben sich darüber hinweg gesetzt, dieser Mann ist mit vielen anderen posttraumatisierten Soldaten allein gelassen worden.

Wie verhält sich eigentlich unsere Bundeswehr? Werden die jungen Soldatinnen und Soldaten betreut, intensiv und richtig betreut, wenn ihre Seele angegriffen ist, nachdem wir sie in den Krieg geschickt haben? Konnte ich nicht im Radio hören, dass die Bundeswehr zu wenig qualifizierte Psychologen und Psychotherapeuten hat? Wie sorglos gehen wir mit jungen Menschen um!

Wer denkt an die Mütter und Väter, Frauen, Ehefrauen und Kinder, die das Wertvollste ihres Lebens verloren haben: Ihre Tochter, ihren Sohn, ihren Ehemann und Partner, ihre Kinder? Lassen wir die nicht allein, mit all ihren Sorgen und Nöten?

Wir haben kein Recht auf dieser Welt, Menschenleben zu zerstören. Oft denke ich an die alte Weisheit

" Wer Krieg sät, wird Krieg ernten,

wer Hass sät, wird Hass ernten,

wer Frieden sät, wird Frieden ernten,

wer Liebe sät, wird Liebe ernten."

Ist diese Weisheit nicht älter als das Christentum, der Islam, das Judentum, der Buddhismus.......?

Frieden zu säen und bedingungslose Liebe zu geben, ist weitaus schwieriger, als "drauf zuhauen". Friedvolle Lösungen sind intelligente Lösungen. Das gilt für Familien, Freunde, Arbeitskollegen, Gesellschaften, Staaten..... und Anna.

Über jeden Todeskandidaten in dieser Welt werden tausende Berichte geschrieben. Bürger gehen auf die Straße und betteln um das Leben dieses Menschen. Es werden Petitionen eingereicht, Urteile werden angefochten. Der Angeklagte wird befragt......................

Anna, diesem kleinen Lebewesen ermöglicht man das nicht. Sie hat keinen Anwalt und keinen neutralen Richter.

Deswegen sollten wir unsere Gesellschaft ändern. Wir sollten sensibler werden im Umgang mit jungen Menschen und ihren Familien- ihre Sorgen und Ängste verstehen. Wir sollten auf sie zugehen, so wie diese Frau, die Nora einfach ansprach. Wir sollen ihnen helfen!

Warum stürzen in diesem Lande viele Menschen in die Armut, wenn sie entscheiden: Wir werden Mama und Papa. Ein Kind braucht beides: Die Mama und den Papa und darüber hinaus das Nest: Oma, Opa, Freunde,........

Es darf nicht sein, dass in diesem reichen Lande allein aus wirtschaftlichen Gründen eine Vielzahl unserer Kinder einfach abgetrieben wird.

TABU Anna möchte leben

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