Читать книгу Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian - Heinz Bellen - Страница 44
ОглавлениеFür den Westen hatte Augustus in Gallien mit dem Altar von Lugdunum/Lyon, der ihm und der Roma geweiht war (oben S. 14), ein Zeichen gesetzt. Ihm folgte Claudius bei der Einrichtung der Provinz Britannia. In Camulodunum/Colchester wurde ihm und der Göttin Roma ein ebensolcher Altar errichtet. Andererseits trat mit der Konsekration des Augustus eine neue Situation für seine Verehrung, nämlich als Divus, ein. Sie machte sich schon im Jahre 15 bemerkbar, als die Provinz Hispania Tarraconensis Tiberius um die Erlaubnis zum Bau eines Tempels für den Divus Augustus in Tarraco/Tarragona bat. Die Erlaubnis öffnete anderen Provinzen die gleiche Möglichkeit. Tatsächlich folgte schon bald Lusitania diesem Beispiel; der Tempel erhielt seinen Standort in Emerita Augusta/Merida. Was dem Divus Augustus zuteil wurde, konnte natürlich auch für den Divus Claudius in Anspruch genommen werden. Ihm ließ der Senat in Camulodunum einen Tempel bauen, der freilich im Boudicca-Aufstand zerstört wurde; erst danach erhielt er seine endgültige Gestalt. Keine Genehmigung wurde dem Antrag der Provinz Baetica zuteil, die nach dem Vorbild von Asia dem Tiberius und der Livia zu Lebzeiten (25) einen Tempel bauen wollte (Tac. ann. 4, 37, 1). Das Gefälle zwischen Ost und West im Kaiserkult blieb bestehen!
Die Kulthandlungen, die dem Kaiserhaus in vielfältiger Form dargebracht wurden, waren für den regierenden Kaiser zweifellos eine Versuchung, sich selbst zu überheben und das Kaisertum auf eine Bahn zu bringen, die sich vom römischen Bild des Princeps entfernte. Hinzu kam die Verführung der Macht: Caligula war überzeugt, daß ihm alles zu tun erlaubt sei (Suet. Cal. 29, 1). Dieser Kaiser war es denn auch, der durch viele seiner Handlungen das Kaisertum pervertierte, z. B. dadurch, daß er bei einer schweren Krankheit zu Beginn seines Prinzipats (37) seine 21- oder 22jährige Schwester Drusilla testamentarisch als Erbin „des Vermögens und der Herrschaft“ (Suet. Cal. 24, 1) einsetzte. Noch deutlicher zeigte er seine Hybris durch die Divinisierung seiner Schwester nach deren plötzlichem Tod im Jahre 38. Caligula stellte damit die Diva Drusilla direkt neben den Divus Augustus! In der Zwischenzeit war nämlich keine Konsekration erfolgt. Nero setzte die Depravation des Konsekrationsaktes fort, indem er 63 seine im Alter von drei Monaten verstorbene Tochter Claudia zur Diva erklären ließ! Für seine eigene Person trug er keine Bedenken, Münzen prägen zu lassen, auf denen er die Strahlenkrone trug (Rom. Imp. Coin. I2 163, Nr. 202) wie der Divus Augustus. Den stärksten Ausdruck fand Neros Selbsteinschätzung in der Kolossalstatue mit seinen Gesichtszügen, vielleicht auch der Strahlenkrone, die in der Vorhalle des Goldenen Hauses Aufstellung fand; sie war sage und schreibe 35 m hoch (Plin. nat. hist. 34, 45).