Читать книгу Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian - Heinz Bellen - Страница 45
ОглавлениеNero war der Meinung, keiner seiner Vorgänger habe gewußt, was er sich alles herausnehmen könne (Suet. Nero 37, 3). So betätigte er sich als Wagenlenker und trat als Schauspieler auf (Tac. ann. 14, 14 – 15). Schlimmer aber war, daß er es wagte, Bruder (Britannicus), Mutter (Agrippina) und Gattin (Octavia) umzubringen, also mit dem Stigma des Verwandtenmörders zu leben. Ein zeitgenössischer Tragödiendichter hat in der Ermordung der Octavia (62) den Höhepunkt der Verkommenheit Neros und den Grund für seinen Sturz gesehen (Praetexta ›Octavia‹, nach Neros Tod entstanden). Tatsächlich traten mit dem Brand Roms (64, oben S. 40f.), der großen Seuche, der pisonischen Verschwörung und dem Tod der Poppaea Sabina Ereignisse ein (alle im Jahre 65), die Rachecharakter an sich zu tragen schienen, doch traf nur der Tod seiner Gemahlin Poppaea Sabina Nero persönlich, die übrigen Ereignisse brachten vielmehr der Bevölkerung Roms großes Leid. Die Brandkatastrophe zerstörte ihre Häuser, die Pest raffte 30 000 Personen jeglichen Standes dahin (Suet. Nero 39, 1), und die Aufdeckung der pisonischen Verschwörung sowie die nachfolgenden (Justiz-) Morde beraubten Rom vieler führender Männer.
Den Verschwörern, welche den altadligen C. Calpurnius Piso zum Princeps erheben wollten, war gemeinsam, daß ihnen Neros schändliches Treiben als Untergang des Staates erschien. Seine Ermordung sollte die Katastrophe abwenden (Tac. ann. 15, 50, 1). Im einzelnen waren es ganz verschiedene Charaktere, die als Akteure und Sympathisanten der Verschwörung oder auch nur als Opfer von Neros Haßgefühlen im Jahre 65 oder später den Tod fanden. Piso selbst und der designierte Konsul Plautius Lateranus waren die ersten einer langen Reihe, aus der ‘von Amts wegen’ der Konsul M. Vestinus Atticus und der Prätorianerpräfekt L. Faenius Rufus herausragten. Die römische Geisteswelt verlor mit L. Annaeus Seneca ihren vortrefflichsten Vertreter, der vergeblich versucht hatte, Neros Prinzipat eine ethische Grundlage zu geben. Seit 62 (nach dem Tode seines ‘Kollegen’ Sex. Afranius Burrus) nicht mehr im Staatsdienst, blieben ihm noch drei Jahre für seine wissenschaftlichen Studien, in denen er die Geheimnisse der Welt zu ergründen suchte (›Naturales quaestiones‹). Einen frühen Tod erlitt Senecas Neffe, der Dichter M. Annaeus Lucanus. 25jährig hatte er sich der Verschwörung angeschlossen, weil Nero ihn in seiner Dichtkunst behinderte. Lukans Epos über den Bürgerkrieg (›Pharsalia‹) hatte den Argwohn des Kaisers und seinen Neid (als Dichter, der er sein wollte) erregt.