Читать книгу Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian - Heinz Bellen - Страница 46
ОглавлениеNeros Handlanger bei dem Vorgehen gegen den Verschwörerkreis um Piso war T. Ofonius Tigellinus, Prätorianerpräfekt seit 62. Er war es auch, der T. Petronius Niger, den Arbiter elegantiae am Hofe Neros und Autor des ›Satyricon‹, in den Prozeßstrudel der Jahre 65 / 66 hineinzog. Der Konsular sollte Verbindung zu einem der Verschworenen gehabt haben. Zu einem Prozeß kam es nicht. Petronius schied aus dem Leben in derselben leichten Art, wie er es genossen hatte – auf seinem Landgut in Cumae (65). Zwei andere Kreaturen Neros, Cossutianus Capito und Eprius Marcellus, erfüllten den sehnlichsten Wunsch des Kaisers: sie klagten P. Thrasea Paetus vor dem Senat des Majestätsverbrechens an (66). Anklagepunkte ließen sich im Verhalten des stoischen Prinzipien zuneigenden Konsulars leicht finden. Im Grunde genügte schon die Tatsache, daß er dem Konsekrationsakt für Poppaea Sabina (65) ferngeblieben war, um ihn als Gegner der Kaiserherrschaft zu überführen. So war denn auch der Tod als Urteilsspruch nicht zweifelhaft. Thrasea vollzog ihn selbst: Er opferte sein Blut dem Iupiter Liberator (Tac. ann. 16, 35)!
Im Winter 66 / 67 wagte Nero es, den Mann, welchem er die Sicherung des Ostens verdankte, zu beseitigen: Cn. Domitius Corbulo wurde nach Korinth beschieden, wo Nero sich aufhielt. Als er bei seiner Ankunft hörte, daß sein Tod beschlossene Sache sei, gab er ihn sich selbst durch einen seiner hünenhaften Gestalt entsprechenden Schwerthieb. „Du verdienst ihn“, soll er zu sich selbst in der plötzlichen Erkenntnis gesagt haben, daß er einem Kitharöden gedient hatte (Cass. Dio 63, 17, 6). Tatsächlich war Nero nach Griechenland gekommen, um Triumphe seiner ‘Sangeskunst’ zu feiern, um überhaupt an allen Wettkämpfen teilzunehmen. Es genügte ihm nicht, in Neapel (64) und Rom (65) als Kitharöde aufgetreten zu sein, er wollte an den altehrwürdigen Festspielorten Griechenlands die „heiligen Kränze“ (Tac. ann. 15, 33, 2) gewinnen. 1808 waren es, die er mit nach Rom nahm (Cass. Dio 63, 21, 1). Die sonst in verschiedenen Jahren stattfindenden Spiele waren auf Neros Befehl hin alle in die Zeit seines Aufenthalts (66 / 67) zusammengelegt worden.
Nero glaubte, in Griechenland auch eine politische Mission erfüllen zu müssen, freilich eine, die ihn persönlich für alle Zeit als Philhellenen kennzeichnen sollte: Er erklärte (wohl eher 66 als 67) in Korinth die Provinz Achaea für frei (Inscr. Lat. Sel. 8794). Das war in der Tat ein großartiges Geschenk der Dankbarkeit für den Empfang, den die Griechen ihm bereiteten. Sie brauchten jetzt keine Steuern mehr zu zahlen. Hatte Nero diese aber nicht im voraus vereinnahmt durch den Kunstraub großen Stils, den er nach dem Brande Roms in Griechenland (und Kleinasien) durchführen ließ? Allein aus Delphi sollen 500 Statuen nach Rom geschafft worden sein (Paus. 10, 7, 1)! Die Freiheitserklärung als solche war anachronistisch und hatte nicht lange Bestand (unten S. 91).
In Rom reagierte die öffentliche Meinung empfindlich auf die Abwesenheit des Kaisers; Gerüchte von konspirativen Aktivitäten signalisierten Gefahr. Da hielt der Freigelassene Helius, den Nero als seinen Vertrauensmann in der Hauptstadt zurückgelassen hatte, es für angezeigt, den Kaiser in einem Blitzbesuch zur Rückkehr nach Rom zu veranlassen. Nero gestaltete seinen Einzug in die Stadt nach Art eines Triumphzuges (Suet. Nero 25, 1 – 2). Ihm wurden die Siegeskränze und ihre Herkunftsbezeichnungen vorangetragen – 1808, wie erwähnt. Er selbst trug, im Triumphwagen des Augustus stehend, den olympischen Kranz auf dem Haupt, den pythischen in der Rechten. Seinem Wagen folgten Soldaten, Ritter und Senatoren. Das Volk hatte den Zugweg (durch den Circus Maximus und über das Forum) mit Girlanden und Lichtern versehen, die Luft war voll von Wohlgerüchen. Und alle riefen: „Heil dem Olympiasieger, Heil dem Sieger in den Pythien, Augustus, Augustus“ (Cass. Dio 63, 20, 5)! Die Zeremonie endete im Apollo-Tempel auf dem Palatin.
Nero wertete offenbar die Begeisterung, mit der er in Rom empfangen wurde, als Loyalitätsbeweis, vor dem alle Warnzeichen sich verflüchtigten. Er begab sich Anfang 68 wieder in griechische Umgebung – nach Neapel. Dort erfuhr er im März vom Aufstand des C. Iulius Vindex in Gallien. Damit kamen die Ereignisse in Gang, die zu seinem Untergang führten, dem Untergang eines Künstlers, wie Nero selbst seinen Tod beurteilte (Suet. Nero 49, 1).