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3. DIE BEWÄHRUNGSPROBE DES KAISERTUMS

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(68 / 69 n. Chr.)

Läßt man das Kaisertum mit der Schlacht von Actium (31 v. Chr.) beginnen, so bestand es im Jahre 69 n. Chr. genau 100 Jahre – als Herrschaft eines einzelnen über das Imperium Romanum. Dieses Jahr aber sah vier Inhaber des Kaisertums – nebeneinander und gegeneinander, anders ausgedrückt: es war ein Jahr der Bürgerkriege. Bedenkt man, daß Augustus dem Kaisertum mit der Überwindung der Bürgerkriege seinen stärksten Legitimitätsfaktor verschafft hatte (oben S. 8. 23f.), so kann man ermessen, welche Bedrohung für die Institution als solche das Vierkaiserjahr bedeutete: Es stellte das Kaisertum als Garanten des Friedens in Frage. Nun mußte sich zeigen, ob die Prinzipatskonzeption des Augustus aus sich selbst, d. h. mit den in den hundert Jahren ihres Bestehens entwickelten Mechanismen der Machtausübung, die Krise, in die sie geraten war, meistern könnte.

Die Krise des Kaisertums hatte Nero heraufbeschworen. Die Art, wie er sich seit 62 gerierte, war seiner Princepsstellung in höchstem Maße abträglich und brachte den Staat insgesamt in Gefahr. In der pisonischen Verschwörung (65) hatte sich die römische Opposition artikuliert; sie war erstickt worden (oben S. 63f.). Drei Jahre später (68) ergriff der Statthalter der Gallia Lugdunensis, C. Iulius Vindex, die Initiative zum Sturz des entarteten Kaisers. Vindex war ein romanisierter Gallier und rühmte sich, eine Anhängerschaft von 100 000 Mann zu haben. Sozusagen in ihrem Namen – Sequaner, Häduer, Arverner – machte er sich anheischig, den Römern zu Hilfe zu kommen – mit der Kreierung eines neuen Kaisers. Dabei hatte er Ser. Sulpicius Galba, den Statthalter der Hispania Tarraconensis, im Blick, mit dem er in Verbindung getreten war. Galba wehrte zwar seine Akklamation zum Imperator ab, gab aber durch Änderung seiner Statthalterbezeichnung zu erkennen, daß er sich von Nero lossagte. Legatus senatus ac populi Romani nannte er sich jetzt, nicht mehr legatus Augusti (Suet. Galba 10, 1).

Nero sah natürlich nicht tatenlos zu, wie in Gallien und Spanien an seiner Herrschaft gerüttelt wurde. Zunächst ließ er von Neapel aus (oben S. 65) Vindex zum hostis erklären, später (im April), als er wieder in Rom residierte, auch Galba. Die Hostiserklärung des Senats gegen Vindex rief den Befehlshaber des obergermanischen Heeres, L. Verginius Rufus, auf den Plan. Er zog mit seinen Truppen (drei Legionen und Auxiliareinheiten) von Mogontiacum/Mainz nach Vesontio/Besançon und lieferte Vindex eine Schlacht, in der 20 000 Gallier fielen. Vindex gab sich selbst den Tod. Dann trat etwas Unerwartetes ein: Das siegreiche römische Heer rief seinen Feldherrn zum Imperator aus! Und damit nicht unklar bliebe, was die Soldaten bezweckten, rissen sie die Bilder Neros von den Feldzeichen und nannten ihren Feldherrn „Caesar“ und „Augustus“ (Cass. Dio 63, 25, 1). Verginius Rufus aber bestritt den Soldaten das Recht zur Kaisererhebung, dieses komme allein dem Senat und dem römischen Volk zu. Er blieb bei dieser Einstellung auch nach seiner Rückkehr ins Hauptquartier (Mogontiacum), als die Soldaten ihm erneut das Kaisertum antrugen. Er habe, so sagte er später (97) im Rückblick auf sein Leben, die Herrschaft dem Vaterland überantwortet, statt sie selbst zu ergreifen (Plin. min. ep. 10, 6, 4). Im Gegensatz zu Verginius war Galba durchaus bereit, der an ihn ergangenen Aufforderung, das Kaisertum zu usurpieren, Folge zu leisten. Er hob zu der einen damals in Spanien stehenden Legion eine zweite aus und verschaffte sich Geld durch Veräußerung von Neros spanischem Grundbesitz. Durch den Tod des Vindex verlor Galba dann aber die Unterstützung Galliens, auf die er gebaut hatte. Um so mehr bemühte er sich nach Vesontio, Verginius Rufus brieflich für seine Pläne zu gewinnen und die Soldaten der Rheinarmee durch Geldzahlungen sich geneigt zu machen. Ein Erfolg war ihm hier nicht beschieden. Wohl aber gestalteten sich die Dinge in Rom zu seinen Gunsten, und zwar hauptsächlich deshalb, weil der Prätorianerpräfekt C. Nymphidius Sabinus den Prätorianern 7500 Denare je Mann versprach, wenn sie Galba zum Imperator akklamierten (Plut. Galba 2, 2).

Als Nymphidius Sabinus die Imperator-Akklamation Galbas vorbereitete, war abzusehen, daß Neros Tage so oder so gezählt waren. Es hatte sich nämlich auch L.Clodius Macer, der Kommandeur der legio III Augusta in Africa, von ihm losgesagt, so daß zu befürchten stand, daß das für Rom lebenswichtige Getreide aus dieser Provinz (oben S. 21) ausblieb. Wie Galba (oben S. 66) gab auch Clodius Macer seinem Titel einen ‘republikanischen’ Anstrich: PRO PRAE(tor) AFRICAE nannte er sich auf seinen Münzen und gab vor, sie „auf Senatsbeschluß“ zu prägen: S C (Rom. Imp. Coin. I2 196, Nr. 41). Neros Notstandsmaßnahmen sorgten für zusätzlichen Zündstoff: Die Bürger Roms wurden aufgefordert, sich zum Kriegsdienst zu melden. Wer Sklaven besaß, mußte eine bestimmte Anzahl zur Aufstellung militärischer Formationen abgeben. Allen Ständen wurde eine Vermögenssteuer auferlegt, den Unbemittelten eine Jahresmiete abverlangt (Suet. Nero 44, 1 – 2).

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