Читать книгу Die Normalität des Absurden - Heinz Schneider - Страница 22

Оглавление

Die ersten Wochen bei der Volkspolizei

Zwei Tage später trug ich die damals noch dunkelblaue Uniform der Volkspolizei, kam nach Schwerin in die Dienststelle Stern-Buchholz. Schon nach wenigen Tagen sah ich innerhalb dieser Einheit einige DDR-Panzer vom Typ T-34 und schnell wurde mir klar, dass es sich gar nicht um eine Polizeiformation, sondern um eine neue, im Aufbau befindliche Armee handelte, die zudem offensichtlich schon seit einigen Jahren als „Hauptverwaltung für Ausbildung“ bestanden hatte.

Ich verpflichtete mich zunächst für drei Jahre, mein erster Dienstgrad war „VP-Anwärter“. Ich lernte zu schießen, zu marschieren, den Schrank in Ordnung zu halten, und erfüllte auch die sonstigen militärischen Übungen zur vollen Zufriedenheit meiner Vorgesetzten. Im Politunterricht erfuhren wir viel vom „Klassenfeind“, der jenseits der Demarkationslinie die Deutsche Demokratische Republik ständig bedroht. Diese Propaganda wiederholte sich in stets monotoner Weise, war allen hinreichend seit Jahren bekannt und wirkte bald ausgesprochen langweilig. Manche Kameraden schliefen beim Politunterricht regelmäßig ein. Zudem war der Intelligenzgrad mancher Politoffiziere damals erstaunlich niedrig, sodass man es als ehemaliger Oberschüler schwer hatte, diese stundenlange „Belehrung“ im Sinne einer typischen Schwarz-Weiß-Malerei bei voller Konzentration über sich ergehen zu lassen.

Als Verbündete der ruhmreichen Sowjetunion galten auch wir stets als die Sieger der Geschichte, während aus der Sicht der DDR der Westen in Form der Bundesrepublik nur die Politik der verbrecherischen Nazis fortführte und alle positiven Veränderungen im Osten Deutschlands, wie die Bodenreform, die demokratische Schulreform, die Enteignung der Kapitalisten usw., rückgängig machen wollte. Aber wir als die legitimen Vertreter der deutschen Arbeiterklasse würden dem Machtstreben unserer Klassenfeinde schon einen Riegel vorschieben und unsere Republik wirkungsvoll – gemeinsam mit der Sowjetunion – schützen und im Bedarfsfall mit der Waffe in der Hand verteidigen. Denn niemandem sollte es erlaubt werden, das Rad der Geschichte jemals zurückzudrehen. Dafür würden wir schon sorgen.

Ich war damals der Meinung, dass wir in der DDR eine Armee brauchten, und betrachtete die Republik als die einzige nur denkbare positive Nachkriegsalternative für unser geschundenes Land. Natürlich bemühte ich mich um gute militärische Leistungen. In meinem Inneren aber war ich, von unseren verantwortungsvollen, hochintelligenten Dömitzer Lehrern, wie Dr. Schimke und Hermann Harras, dazu erzogen, eher ein Pazifist. Das aber behielt ich geflissentlich für mich. Es war auch sicher besser so.

In Korea tobte ein schrecklicher Krieg und die dortige Volksarmee befand sich auf dem Rückzug, nachdem die USA in dieses Gemetzel eingegriffen und die Nordkoreaner aus dem fast vollständig eroberten Süden der Halbinsel wieder zurückgedrängt hatte. Auch die sogenannten chinesischen „Volksfreiwilligen“ konnten einen Sieg der bereits geschwächten Nordkoreaner nicht herbeiführen, sodass der Krieg am 27.7.1953 mit einem Waffenstillstand am 38. Breitengrad ungefähr dort endete, wo er begonnen hatte. Die Kommunisten hatten eine schwere Niederlage erlitten. Gott sei Dank blieb dem geteilten Nachkriegsdeutschland, vermutlich aufgrund der Erfahrungen aus Korea, ein ähnlich hartes Schicksal erspart.

Des Öfteren dachte ich an meine Mitschüler, die sich sicher mit gemischten Gefühlen nach ihren letzen Sommerferien jetzt auf ihr Abitur und ein Studium vorbereiteten. Gerne wäre ich dabei gewesen. Dass ich auch im Rahmen der Armee meinen einstigen Traumberuf, Arzt, ergreifen könnte, stand damals noch absolut in den Sternen. Allerdings wurde ich später kein Truppenarzt, da mich die NVA noch vor Beginn des Staatsexamens wegen eines „nicht klassenmäßigen Verhaltens“ am 7.3.1958 zwangsexmatrikulierte und aus ihren Reihen ausschloss. So konnte ich mein Studium als Zivilstudent erst nach einjähriger „Bewährung in der Produktion“ fortsetzen und 1959 in Greifswald beenden.

Immerhin wurde ich nach der Rückkehr aus Priemerwald (s. u.) innerhalb der Kasernierten Volkspolizei in Stern-Buchholz zum Sanitäter ausgebildet, worüber ich sehr froh war. Mein Lehrer und Ausbilder war damals der Internist Hauptmann Dr. H.-U. Krüger, den ich fünfzehn Jahre später als Bezirksdiabetologe von Schwerin wieder traf, während ich als Chefarzt einer Diabetesabteilung im Kreiskrankenhaus Prenzlau inzwischen die gleiche Funktion im Bezirk Neubrandenburg ausübte.

Die Normalität des Absurden

Подняться наверх