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Kapitel 7

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Kai

Es machte Spaß, Riley bei der Arbeit zuzusehen. Er war richtig süß. Vielleicht war es seltsam, dieses Wort im Zusammenhang mit einem Mann zu benutzen, aber Riley war früher schon ein süßer Junge gewesen und offensichtlich hatte sich daran nicht viel geändert, nachdem er jetzt erwachsen geworden war. Es war diese Art, wie er sich vollkommen auf eine Aufgabe konzentrierte. Dann runzelte er die Stirn und leckte sich ständig über die Lippen. Und wenn er sich umsah und sein Werk betrachtete, stemmte er die Hände auf eine Art in die Hüften, die richtig schwul aussah. Aber da Riley wirklich schwul war, waren seine Eigenheiten keine Parodie, sondern gehörten einfach dazu. Sie waren persönlich und… einfach Riley.

Kai freute sich auch darüber, dass Riley nicht mehr so angespannt war wie zu Beginn. Obwohl sie ungefähr gleich groß waren, war Kai – im Vergleich zu dem zierlichen Riley – wesentlich stärker und massiver gebaut. Es war ihm anfangs vorgekommen, als würde Riley bewusst Abstand zu ihm halten, weil er sich möglicherweise vor ihm fürchtete. Aber jetzt hatte sich das geändert. Während sie gemeinsam die Hunderte von Tüten und Kisten auspackten, die Riley mitgebracht hatte, berührten sich ständig unabsichtlich ihre Schultern oder Hände. Kai fand das merkwürdig schön.

Er war von Anfang an sicher gewesen, dass es viel Spaß machen würde, Zeit mit Brendons kleinem Bruder zu verbringen. Jetzt kam es ihm vor, als ob er damit recht behalten würde.

Ein leises Lachen riss ihn aus den Gedanken und er schaute auf. Riley schüttelte den Kopf. Er hatte gerade eine Plastikkiste ausgepackt und kopfüber ins Gras gestellt. Jetzt war er dabei, eine gestreifte, kleine Stoffdecke auf der Kiste zu drapieren und zog an den Ecken, damit sie gleichmäßig lag und nicht den Boden berührte. Danach verteilte er einige Bierdeckel auf der Kiste, die aussahen, als hätte er sie aus verschiedenen Pubs zusammengesammelt. Einige alte Marmeladengläser, in denen sich Teelichter befanden, ergänzten das Ensemble. Zum Schluss stellte er eine ausgespülte und mit Wasser gefüllte Limonadenflasche in die Mitte, die einen Strauß frisch gepflückter Wiesenblumen enthielt.

»Wow«, sagte Kai und zog die Augenbrauen bis zum Haaransatz hoch. Sie schienen nicht mehr nach unten rutschen zu wollen. Riley hatte doch tatsächlich einen kleinen Kaffeetisch aufgebaut.

Riley hielt mitten in der Bewegung inne. »Hm… Ist es zu viel des Guten?«, fragte er und drehte sich unsicher zu Kai um.

Kai schüttelte den Kopf. Jetzt war er es, der lachen musste. »Nein, Kumpel. Nur… na ja. Man erlebt jeden Tag etwas Neues, nicht wahr?«

Riley kniff die Ecken seiner Tischdecke zusammen. Er schien sich über Kais Reaktion zu freuen.

»Worüber hast du eben gelacht?«, erkundigte sich Kai, während er die vielen Dosen mit Oliven, Mais und Würstchen sortierte. Bis auf das Fleisch, stammten die Konserven alle aus dem Billigsortiment verschiedener Supermärkte. Einige der Beschriftungen waren noch nicht einmal auf Englisch.

Riley sah ihn grinsend an. »Du hast vor dich hin gesummt«, sagte er. »Jedenfalls habe ich das Geräusch so interpretiert.«

»Oi!« Kai warf eines der vielen Kissen nach ihm, das ihn absichtlich verfehlte. Riley lachte laut. Seine braunen Augen glänzten in der Sonne. Für einen kurzen Augenblick grinsten sie sich nur an.

»Hallo, ihr da!«

Kai drehte sich nach dem Neuankömmling um. Es war Cameron Grinter, der winkend auf sie zukam. Seine erwachsenen Kinder begleiteten ihn. Kai richtete sich strahlend auf und wischte sich das Gras von den Knien.

»Cameron!«, rief er. »Wir haben uns schon gefragt, wo du steckst. Hast du dich an der Rezeption verirrt?«

Cameron lachte dröhnend, als er mit Daryl und Charlotte bei Rileys Zelt ankam. »Oh ja. Dafür muss ich mich entschuldigen. Wir wollten unsere Genehmigung abholen und Pamela hat sich festgeredet.« Er stieß Charlotte mit dem Ellbogen an. »Und wir wissen doch, wie Frauen sind, wenn sie ins Tratschen kommen.«

Kai stimmte verlegen in ihr Lachen ein. Die Männer von Camerons Generation waren oft – unabsichtlich – sexistisch. Sie dachten sich nichts dabei und meinten es nicht böse. Kai schüttelte ihm die Hand. »Schön, euch zu sehen.«

»Dich auch«, erwiderte Cameron. »Bist du gut angekommen?«

Kai klopfte ihm auf die Schulter und sie trennten sich wieder. »Ja, es ging recht gut. Ich bin mit dem Zug und dann mit dem Bus gefahren. Das letzte Stück musste ich trampen.«

»Du bist getrampt?«

Kai drehte sich zu Riley um, der hinter ihm stand und ihn anstarrte, als hätte er gerade den größten Schock seines Lebens erlebt.

»Klar«, sagte Kai schulterzuckend. »Ist doch keine große Sache.« Für ihn jedenfalls nicht. Für jemanden wie Riley mochte es bedrohlicher sein, wenn jemand unangenehm wurde und er sich verteidigen musste.

Kai wurde wütend bei dem Gedanken, dass jemand Riley verletzen könnte. Was – ehrlich gesagt – lächerlich war. Riley würde nicht zu einem Fremden ins Auto steigen. Es bestand also kein Grund, die Nackenhaare aufzustellen. Wirklich, dachte Kai, was ist heute nur mit mir los?

Er überspielte es mit einem Lachen. »Ich bin doch gut angekommen, oder?« Das schien Riley zu besänftigen und sie drehten sich wieder zu den Grinters um. »Hey, ihr erinnert euch doch sicher noch an Riley, nicht wahr? Er ist Phils zweiter Sohn.«

Die Zwillinge warfen sich einen kurzen Blick zu und musterten Riley, als wäre er ein exotisches Tier in einem Zoo. »Wirklich?«, sagte Charlotte. Daryl fuhr sich mit dem Daumen über die Unterlippe und neigte den Kopf, als müsste er angestrengt nachdenken.

Riley trat von einem Fuß auf den anderen. Kai hatte den Eindruck, als würde er sich gar nicht wohlfühlen. Vielleicht gehörte Riley zu den Menschen, die mit Fremden oder in größeren Gruppen Probleme hatten. Die Grinters waren zwar nicht gerade Fremde, aber er hatte sie seit Jahren nicht gesehen. Kai trat einen Schritt auf Riley zu und hoffte, dass es ihm helfen würde und er sich wieder sicherer fühlte.

»Ach du meine Güte«, sagte Cameron mit einem herzlichen Lachen. »Wer hätte das gedacht. Du hast doch nach diesem tränenreichen Zwischenfall geschworen, nie wieder einen Fuß auf einen Campingplatz zu setzen.« Er wackelte mit dem Finger in Rileys Richtung, packte ihn dann an der Hand und schüttelte sie. »Siehst du? Ich wusste immer, dass wir dich zurückgewinnen.«

Kai fand das beschissen. Er konnte sich noch genau an den Zwischenfall erinnern, den Cameron angesprochen hatte. Es war Rileys letzte Teilnahme an einem Campingausflug gewesen, bevor er bei den Pfadfindern austrat. Möglicherweise hatte Cameron es nur als Scherz gemeint, aber das war ihm gründlich misslungen. Riley wurde feuerrot im Gesicht.

Kai überlegte, wie er die Spannung wieder abbauen konnte, die plötzlich in der Luft zu liegen schien. Bevor ihm die richtigen Worte einfielen, zuckte Riley mit den Schultern und lächelte gezwungen. »Na ja, Dad wird schließlich fünfzig. Da kann man schon mal eine Ausnahme machen und sich etwas Mühe geben, oder?«

»Offensichtlich«, sagte Charlotte gedehnt und lief von einer Kiste zur anderen. »Wenn das nicht mehr als köstlich ist.« Sie hob eines der Marmeladengläser hoch. Dann ging sie wieder zu Kai zurück. »Und du hast ihm geholfen?«, fragte sie anerkennend.

Daryl schnaubte. »Nun, Kai gehört das ganze Zeug mit Sicherheit nicht.«

Damit löste er bei den Grinters wieder Gelächter aus und Kai lachte mit. Er fühlte sich dabei aber nicht wohl, weil er den Verdacht hatte, dass es als Spitze gegen Riley gemeint war. Nein, das war kein typischer Zeltplatz. Aber Riley war auch kein typischer Camper. Es war vielleicht etwas unpraktisch, aber schadete doch auch nicht, oder?

»Was treibt ihr derzeit so?«, fragte er die Zwillinge, um vom Thema abzulenken.

Charlotte steckte sich mit einem süßen Lächeln die blonden Haare hinters Ohr. Sie und ihr Bruder waren sehnig gebaut mit schmalen Hüften, prägnanten Gesichtszügen und geschwungenen Lippen. Daryls Haare waren etwas dunkler als Charlottes, aber die Ähnlichkeit zwischen ihnen und ihrem Vater war unübersehbar.

Unter Camerons Polohemd zeichnete sich ein kleiner Bierbauch ab. Seine behaarten Beine mit den knochigen Knien steckten in Kakishorts. Sein Haaransatz war schon bis zu den Ohren nach hinten gewandert und die wenigen Haare, die er noch auf dem Kopf hatte, waren kurz rasiert. Trotzdem sah man ihm noch an, dass er in seiner Jugend genauso athletisch gebaut gewesen sein musste wie sein Nachwuchs.

»Ah«, sagte er und klopfte seinen beiden Kindern auf die Schultern. »Meine beiden Schlauberger studieren noch.«

»Magister in Psychologie«, erklärte Daryl stolz.

»Wow, wie toll«, sagte Kai, der für seinen Job auch einige Semester an der Universität verbracht hatte und wusste, wie viel Arbeit hinter einem Studium steckte.

»Ihr studiert beide dasselbe?«, fragte Riley überrascht. »Fallt ihr euch nicht auf die Nerven, wenn ihr euch ständig seht?« Er lachte und Kai fiel in sein Lachen ein. Riley hatte recht. Kai liebte seine Schwester sehr, aber wenn er ständig mit ihr zusammen wäre, würden sie sich mindestens einmal in der Woche an die Gurgel gehen.

Die Zwillinge lächelten. »Wir sind eben unzertrennlich«, sagte Daryl und zog seine Schwester an sich. Charlotte nickte zustimmend.

»Hast du nicht studiert, Riley?«, fragte sie.

Riley lächelte zwar noch, aber Kai fiel die Anspannung in seinen Schultern auf. »Nein. Ich habe festgestellt, dass es nichts für mich ist«, gab er zu.

Es folgte ein verlegenes Schweigen.

Kai musste sagen, dass ihn die Grinters enttäuschten. Er hätte nicht erwartet, dass sie Riley so behandeln würden. Waren sie etwa homophob? Wenn man ihr Alter berücksichtigte und die Zeit, in der sie lebten, sollte man das eigentlich nicht mehr erwarten. Er entschied sich, die Lage zu entspannen und hatte das Glück, dass in diesem Moment Pamela Grinter auftauchte.

»Hey«, sagte er und winkte Pamela zu, obwohl sie noch fast fünfzig Meter entfernt war. Sie winkte zurück, rasselte mit einem Schlüsselbund und stieg in die Fahrerkabine des Wohnmobils. »Es sieht aus, als wäre eure Mum endlich aufbruchsbereit.«

Die Grinters drehten sich um, als der Motor angelassen wurde. »Oh, prima«, sagte Cameron.

»Endlich«, kommentierten die Zwillinge wie aus einem Mund.

»Nun, es war schön, dich zu sehen, Kai«, sagte Cameron und klatschte in die Hände. »Bis später dann.« Er nickte und folgte seiner Frau, die mit dem riesigen Wohnmobil langsam zu einem der Stellplätze fuhr.

Charlotte und Daryl sahen ihren Eltern nach, machten aber keine Anstalten, ihnen zu folgen.

»Ich nehme an, ihr wollt jetzt auch gehen und auspacken«, sagte Kai, der spürte, wie Riley neben ihm wieder unruhig wurde.

Daryl zuckte mit den Schultern und steckte die Hände in die Hosentaschen. Er und seine Schwester drehten sich wieder zu Kai und Riley um. »Vermutlich. Dann hätten wir es hinter uns.«

»Ja«, sagte Riley zaghaft. »Es ist immer besser, es gleich zu erledigen. Dann kann man sich entspannen und hat Ruhe.«

Charlotte lachte trällernd. »Ich glaube, wir haben zu viert weniger Gepäck als du allein«, sagte sie und klimperte mit den Wimpern. »Aber nach der langen Fahrt wäre es wohl wirklich die beste Idee.«

»Du weißt, dass Mum nicht glücklich ist, bis wir das erledigt haben«, stimmte Daryl ihr seufzend zu.

»Hey, Kai«, sagte Charlotte und fasste ihn am Ellbogen, obwohl er ihr schon zuhörte. »Willst du nicht mitkommen und uns helfen? Ich bin sicher, Mummy freut sich schon sehr, dich zu sehen.«

Kai war hin- und hergerissen. Er wollte bei Riley nicht den Eindruck erwecken, als würde er ihn verlassen, wollte aber auch nicht unhöflich zu den Grinters sein. Da er für diesen Urlaub auf die Hilfe seiner Freunde angewiesen war, musste er sich irgendwie bei ihnen revanchieren.

»Äh«, sagte er und sah Riley an.

Riley lächelte ihn mit strahlenden Augen an und schüttelte den Kopf. »Schon gut«, sagte er. »Ich bin hier so gut wie fertig. Und meine Familie kommt auch bald.«

»Sind sie noch nicht eingetroffen?«, fragte Charlotte und zog die Augenbrauen hoch. »Ich hätte erwartet, dass sie schon vor Sonnenaufgang aufgebrochen sind.«

Riley zuckte mit den Schultern und sah sich um.

»Das sind sie wahrscheinlich auch. Aber es gibt keinen Grund, sich zu beeilen.«

»Ich kann mir vorstellen, dass Jake einige zusätzliche Pausen braucht, nicht wahr?« Charlotte berührte ihn kurz am Arm und nickte ernst.

Riley lächelte verkniffen. »Das kann ich nicht sagen. Ich habe nur einige kurze Nachrichten bekommen. Sie haben geschrieben, sie wären bald hier«, fügte er hinzu und sah Kai an. Kai nickte. »Ich nehme an, es ist alles in Ordnung.«

»Dann ist ja alles geregelt«, rief Charlotte, hängte sich bei Kai ein und zog ihn am Arm. »Wir versprechen auch, ihn wieder heil zurückzubringen.«

»Oder auch nicht«, fügte Daryl hinzu und wackelte mit den Augenbrauen.

Kai lachte und winkte Riley zu, während Charlotte ihn wegführte. Er wollte nicht lange bleiben und Riley hatte gesagt, es wäre alles in Ordnung. Schließlich musste er sich nicht jede Minute um den kleinen Kerl kümmern.

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