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Ich muss diesem Bericht, den ich für meine Kinder und Enkel zur Ermahnung und Belehrung geschrieben habe, als Augenzeuge eines einfachen Mannes, einen Anhang geben. Jahre nach meinem Entschluss sesshaft zu werden – ich habe ihn ausgeführt und mich wohl dabei befunden – besuchte mich Simon, mein Wachältester auf der Argo. Wir beiden Alten saßen zusammen und erinnerten uns der Tage in der Kolchis. Den Mund voller Zwiebeln aus meinem Garten, Brot aus Mehl von meinem Acker, und Wein, den ich selber gekeltert habe, sahen wir uns in die Augen. Simon fährt noch immer zur See, er ist heimatlos, seine Kräfte haben nachgelassen, aber er ist ein berühmter Mann geworden, dem nachgefragt wird, ein unvergleichlicher Steuermann, wenn es in den Pontos geht. Seine Erfahrungen auf den Meeren scheinen den Schiffsherren trotz seines Alters die Heuer wert. Ich fragte ihn, ob es die Argo noch gäbe und er fragte zurück, ob ich jene Argo meine, die Athena für Jason aus dem Holz der heiligen Eichen von Dodona in Passagai und den Fichten vom Berge Pelion gebaut habe?

»Genau die meine ich«, sagte ich, »dass die Gottheiten irgend etwas mit Jason vorgehabt hatten, habe ich immer geglaubt. «

Simon lächelte skeptisch.

»Und Jason? Gibt es ihn noch? Was man auch sagen kann, er war eine ausgezeichneter Seemann«, sagte ich.

»So hast du nichts gehört? « fragte mein Simon, und als ich verneinte, berichtete er, was ich hier hersetze. Es hat der arme Knabe Absyrtus ein schlimmes Ende von der Hand seiner Schwester gefunden; er wurde nicht, wie ich damals wähnte, als Geisel gegen uns ausgetauscht, sondern von seine Schwester ermordet und zerstückelt. Dies geschah auf der Insel vor der wir damals eine Nacht lang festlagen.

»Aber warum denn? « fragte ich entsetzt über das Ungeheuerliche ihrer Tat.

»Um die Verfolger aufzuhalten. Sie stellte den Kopf und die Hände des Jungen oben auf dem Felsen für ihren Vater sichtbar auf, und verstreuten die übrigen Teile der Leiche am Strand, und ihr Plan ist auch aufgegangen, wie du weißt, o Kleon,« sagte mein Simon. »Aietes hat sehr an dem Knaben gehangen und wollte ihm ein anständiges Grab geben, deshalb sammelten sie die Leichenteile ein. Sie war eine Hexe, ein furchtbares Weib, aber sie liebte diesen Jason ganz ohne Zweifel ... Deinen Wein kann ich nur loben; ist noch etwas davon im Schlauch? «

Während er trank, während er sich eine große Zwiebel schälte, sie in den Mund schob und zu kauen begann, dachte ich an diese Mordtat und dankte den Göttern dafür, mit heiler Haut davongekommen zu sein, obschon mir der Knabe leid tat.

»Wie machst du es, dass deine Zwiebeln so groß und fest werden und einen so vorzüglichen Geschmack bekommen, o Kleon? Ich würde gern davon mitnehmen, wenn es dir passt und natürlich nur, wenn du welche entbehren kannst. «

Auf meine Frage, wo sich diese Mörderin jetzt aufhalte, und ob sie noch mit Jason verheiratet sei, setzte mein Simon erneut an.

»Sie hat in der Tat eine Zeit lang mit Jason gelebt, oder er mit ihr, bis er ihrer überdrüssig wurde, sie wegjagte und eine Königstochter zur Frau nahm, Glauke, ein Kind Kreons, hier in der Nähe, also in Korinth. Mich wundert es, dass du nie davon gehört hast. Es ist eine merkwürdige Geschichte mit einer Vorgeschichte, so wie sie jetzt in ganz Griechenland erzählt wird. Jason hatte einst gewünscht, dass ihm Medea seinen Vater verjüngte, und diese verfluchte Zauberin flößte dem Alten einen Absud ein, worauf er zum Jüngling wurde. Nun gab es aber zwei Männer in Korinth mit Ansprüchen an die Herrschaft, nämlich Aison, den sie gerade verjüngt hatte und Pelias, den Onkel Jasons, von dem ich dir seinerzeit erzählt habe. Die Töchter des Pelias, die dem Jason die Herrschaft missgönnten, gedachten ein gleiches an ihrem Vater zu vollziehen, weil Medea den Aison verjüngt hatte...

Ich kann dein Brot nur loben, o Kleon; besitzt du Kenntnis eines besonderen Backverfahrens? «

Verstört schüttelte ich den Kopf und bat ihn, seine Erzählung nicht ständig zu unterbrechen.

»Viel zu erzählen ist nicht mehr. Diese dummen Weiber – hast du Töchter, o Kleon, hoffentlich nicht - brachten ihren Alten um, weil sie nichts von der Zauberei verstanden. Allerdings von Medea angestiftet. Nun war Jason Alleinherrscher, als er diese Heirat mit Glauke betrieb, wie ich dir schon erzählt habe. Er vermählte sich mit der Tochter Kreons und verstieß Medea. Das hätte er besser unterlassen. Diese schenkte der Braut ein Hochzeitsgewand; die legte es an und verbrannte darin. Und das war noch nicht alles, diese verfluchte Asiatin ließ Feuer auf den Palast Kreons regnen, verbrannte den Alten, und tötete und zerstückelte ihre beiden Kinder, die sie mit Jason gezeugt hatte, dann zauberte sie sich einen Drachen und einen Wagen und fuhr auf du davon, Jason seiner Verzweiflung überlassend. Das ist nun wirklich alles. «

»Beim Zeus«, entfuhr es mir, »ein tolles Stück. «

»Das kann man wohl sagen«, nickte mein Simon, »du erinnerst dich wohl noch daran, dass Jason seinerzeit bei den Kolchern einige Proben seines Mutes ablegen musste? Nein? Dann höre! Er säte Drachenzähne, aus denen Krieger wurden, die er der Reihe nach im Kampf besiegte; er pflügte mit Stieren und tat Dinge, die von den einfältigen Kolchern bestaunt wurden, wobei natürlich Medea ihre Hand im Spiele hatte. «

»Mit Stieren hat er gepflügt? « fragte ich. »Stiere ziehen nicht regelmäßig genug, das gibt keine saubere Furche. Deshalb verschneidet man sie doch zu Ochsen. Das weiß doch jeder Bauer. Wann und wo soll denn das gewesen sein? «

»Das weiß ich nicht«, antwortete mein Simon, »ich bin nicht dabei gewesen, und überhaupt hat es niemand gesehen, wie bei solchen Mähren üblich. Im Übrigen waren es Feuer speiende Stiere. Man sagt, Jason hab seinen Tempelraub nur mit Hilfe dieser Zauberin begehen können, die ihm eine Salbe gab, mit welcher er den Drachen, der den Schatz bewachte, einschläferte. Das übrige weißt du, wir flüchteten Hals über Kopf und die Gottheit schenkte uns eine glückliche Heimkehr...

Nebenbei bemerkt, vergiss bitte nicht, einen Schlauch mit Wein für mich bereitzulegen, dass wir es morgen, wenn ich aufbreche, nicht etwas vergessen. «

»Ich werde es nicht vergessen. Da hat dieses Mistweib also geholfen, ihren Vater zu bestehlen und seinen Sohn, ihren Bruder, getötet und zerstückelt? «

Es gab mir einen Ruck, ich gedachte meiner eigenen Kinder, auch fielen mir Streitigkeiten aus der Nachbarschaft ein, wo sich Söhne gegen ihre Väter und Töchter gegen Mutter und Vater aufgelehnt hatten, dass sie vom Areopag verurteilt und von uns gesteinigt werden mussten.

»Ich mochte diese Medea nicht«, sagte ich, »sie sah verlebt aus, als ob sie schon durch viele Hände gegangen war. «

»Sagte ich schon, dass sie auch die Töchter des Pelias anstiftete, ihn zu töten, zu zerstückeln und zu kochen, die Töchter den eigenen Vater, freilich in Unwissenheit, was sie taten? «

Mein Simon nahm einen tüchtigen Schluck Wein und sagte zufrieden: »Brot, Zwiebeln und Wein, vielleicht noch ein Stück Schafs- oder Ziegenkäse, wenn du welchen hast, es muss aber nicht sein, darüber geht nichts, o Kleon. Was ich noch sagen wollte, den Töchtern dieses Pelias ist eigentlich kein Vorwurf zu machen. «

»Und wegen all dieser Sachen trennte sich Jason von Medea? « Mich überlief es eiskalt, zu denken, dass ich, eine ehrlicher Seemann mit einer solchen Familie zu tun gehabt hatte.

»Unsinn, du wirft alles durcheinander. Jason und Medea gingen doch zunächst nach Korinth, er vermählte sich später mit Glauke. Muss ich noch sagen, dass Medea dieser Glaube ebenfalls tötete? «

»Und zerstückelte? Beim Styx!«

»Davon ist mir nichts bekannt«, sagte mein Simon gelassen, »Möglich wäre es. Man sagt, Glauke ist verbrannt. Medea litt an einem Zerstückelungskomplex. Immerhin ist Jason nicht zu tadeln, als er sich von ihr trennte, abgesehen davon, dass ihm der Tod seines Onkel Pelias schließlich sehr gelegen kam. «

Ich nickte, dann fiel mit ein, dass mein Simon vielleicht auch etwas über den Verbleib des Schatzes wusste, den wir geraubt hatten.

»Was war es doch gleich, welchen Schatz brachten wir aus der Kolchis heim? « fragte ich.

»Was für einen Schatz? Das Fell? Meinst du das? «

»War es ein Fell? Wegen eines gewöhnlichen Felles wären wir um die halbe Welt gefahren? Das ist nicht dein Ernst, mein Simon! «

Er zuckte die Schultern. »In den Kisten mag Gold gewesen sein, aber an für sich sollte Jason nur das Fell holen, das eines Widders und zwar eines goldenen. Ich glaube, so fing diese Geschichte überhaupt an. Die Gottheit schenkte der Nephele einen goldenen Widder. Die wusste damit nichts anzufangen. Ihr Sohn Phrixos brachte den Schafbock in die Kolchis, opferte ihn der Gottheit und hängte das abgezogene goldene Fell im Hain des Ares auf. Jason wiederum sollte es zurückbringen. «

»Bei den Göttern, ein goldenes Fell? Ich habe noch nie einen Widder mit einem goldenen Fell gesehen und ich züchte doch seit langem Schafe. «

Gleichmütig trank mein Simon und begann ein Lied zu summen.

»Na, sie war aber auch ein schönes Schiff, diese Argo, « sagte ich.

»Gewiss«, sagte Simon, »man baut heute nur noch so. Von den Symplegaden, die wir besiegt haben und einigen anderen Abenteuern, die uns begegnet sind, könnte ich dir noch erzählen, wenn du willst und falls noch Wein da ist. Sie gehen in Griechenland von Mund zu Mund. «

»Für dieses Mal wollen wir es genug sein lassen, mein Simon. «

Er lächelte und ich sah doch einen großen Ernst auf seinem Gesicht, das eines alten Fahrensmannes und während er von seinen anderen harmloseren Abenteuern berichtete, vergaß ich, dass die Heuer schlecht gewesen und der Schiffsherr mürrisch war und erhaben auf uns herabsah, und ein Dreckstück von Weib mitgeschleppt hatte.

»Glaubst du, dass es Schafböcke mit einem goldenen Fell gibt? « fragte ich.

»Möglich ist alles; wie du sagst, hat die Gottheit eben die Hand im Spiele. Oben in den Bergen des Kaukasus«, fuhr mein Simon fort, »waschen sie feinen Goldstaub aus dem Flusssand, so fein, dass sie ein Fell als Sieb nehmen, um es aufzufangen. Die größeren Goldkörner – sie sind immer noch so winzig wie ein Staubkorn - kann man mit den Fingern herausklauben, aber die ganz feinen bleiben in dem Fell hängen. Mit der Zeit nehmen diese Haarsiebe einen goldenen Schimmer an, und es ist ein erstaunlicher Anblick, kann ich dir versichern, wenn man diese Felle zum trocknen aufgehängt sieht, aber es nichts Ungewöhnliches dabei. Das goldenen Fließ, wer weiß...

Du wolltest etwas Käse holen, o Kleon, falls welcher da ist. «

Ich holte ihm den Käse und er aß. Im Westen ging die Sonne unter, sie färbte den Himmel blutrot. Im Osten dunkelte es. Dort lag der Hellespont, das Tor zum Pontos. Ich rief meine Enkelkinder, um ihnen den Seemann zu zeigen, mit dem ihr Großvater in den alten Tagen des Ruhmes und der Unsterblichkeit auf Heldenfahrt zu den Kolchern gegangen war, denn ich kann es nicht leugnen, ich war schließlich doch stolz dabei gewesen zu sein.

Denk mal!

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