Читать книгу Denk mal! - Helmut H. Schulz - Страница 9
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Der Winter her ist grausam und endlos lang, scheint es, aus der Ebene weht ständig ein eisiger Wind, mehr ein Sturm, welcher nadelscharfe Kristalle aus Eis aufwirbelt. In den Zelten der Barbaren verlöschen die Feuer nicht, die sie mit getrocknetem Mist, den sie während des Sommers sorgfältig sammeln, unterhalten. Indessen zieht der Rauch nicht so schnell ab, wie es wünschenswert ist. Sollte ich mich jemals an meine Fahrt in die Kolchis erinnern, wird mir wahrscheinlich als ersten ein durchdringender Gestank einfallen. An Nahrung fehlt es uns nicht, aber man reicht es uns nicht mehr mit der gleichen Gastfreundschaft wie ehedem.
Jason und Schiffsherren sind verschwunden, mit ihnen ist auch Aietes mit seiner Kriegerhorde fortgezogen, und ich nehmen an, dass sie irgendwo auf Raub ausgehen, da diese Kolcher nichts tun, keine Äcker bestellen, sondern ihre Tiere auf die höher gelegenen Almen treiben und sie dort sich selbst überlassen. Von ihrem Vieh verwerten sie alles; das Fleisch wird in Streifen geschnitten und auf Vorrat getrocknet, die Sehnen zu starken Stricken gedreht und aus Knochen- und Hornstücken bauen sie ihre kleinen starken Bögen. Viele von uns Schiffsknechten sind erkrankt etliche an einem unbekannten Fieber gestorben, und die Barbaren ließen ihre Leichen fortschaffen, wie wir vermuteten, um Teile davon aufzuessen. Alle sehnen sich fort und nach Hause oder wenigstens an Bord der Argo, die vielleicht längst vom Sturm zu Trümmer zerschlagen worden ist.
»Noch wahrscheinlicher ist es«, ließ sich mein Simon dazu vernehmen, »dass die Schiffsherren mit der Argo entflohen sind und uns hier zurückgelassen haben. «
»Was das betrifft, mein Simon, so gibt es keinen Ort, wo sie sich sehen lassen dürften. Bedenke, wie viele Tage wir gewandert sind, ehe wir auf diese Barbaren stießen. «
Aber ich wusste sehr gut, dass es viele Gelegenheiten gibt, um sich zu verstecken, falls man abwarten kann und die Freiheit liebt. Und vielleicht kehrt Jason auch mit dem Kolcherkönig zurück, beladen mit Raub, den sie teilen. Wir arbeiten schwer; die Herden der Barbaren sind ständig auf Wanderschaft. Manchmal gehen die Tiere bis hoch hinauf in die Berge, oder sie steigen herunter von den vereisten Almen, je nachdem, in der Hoffnung Futter zu finden. Wir müssen die Tiere auf den kleinen Pferden führen, und ich bin ein recht guter Reiter und Hirt geworden, aber diese Tätigkeit ist gefährlich, nicht so angenehm wie in Arkadien, wo man unter einer Eiche liegt und träumt, wenn man Ziegen hütet, es Pan überlassend, die Tiere zu beaufsichtigen, die er zum Dank beschlafen mag, was eine merkwürdige Art Nymphen ergeben soll. Trauer, Krankheit und Trübsal suchen uns heim. Niemand ist unter uns, der den Vogelflug deuten kann oder aus den Eingeweiden des Opfertieres unser Glück oder Unglück herauslesen könnte, abgesehen davon dass diese kleinen zottigen Viecher von der Gottheit als Opfer kaum angenommen werden.