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Aites, den seine Leute und unsere Schiffsherren einen König nennen, ist ein Mann von untersetzter Statur mit einem runden Gesicht und geschlitzten Augen. Ist seine Gestalt klein, so verfügt er über große Körperkräfte, heißt es. Er und seine Leute wohnen in runden Großzelten aus Stoff und Leder. Oben n der Mitte befindet sich ein Loch, durch das der Rauch abzieht, wenn drinnen gekocht wird. Auf dem Boden liegen Tierfelle und an den Zeltwänden ringsum hängen Geräte und Waffen; die Schädel getöteter Feinde sehen auf die schmausenden Zeltinsassen herab. Die Männer bekleiden sich ebenfalls mit Tierfellen, nur die Großen des Landes tragen wunderbar leichte bunte und glänzende Stoffe, die von weither kommen sollen. Alle Krieger lassen sich die Köpfe kahl rasieren, bis auf einen Zopf, der ihnen bis auf den Rücken herabfällt. An Waffen führen sie Pfeil und Bogen und lange Dolche und auf ihren kleinen Pferden sitzen sie wie festgeleimt; aber sie alle tun gar nichts und leben nur von Diebstahl oder Raub.
Dennoch hat die Gottheit uns in die Zelte dieser Bande geführt und wir genießen Gastfreundschaft, trinken eine stark riechende berauschende Milch, denn hier geben die Pferde Milch. Rinder, wenn sie welche fangen können, töten sie und verzehren sie. Wir essen geräuchertes Fleisch von Hammeln und man gibt uns ein dünnes, duftendes Getränk, welches aber nicht betäubt, sondern im Gegenteil zu Taten ermuntert. Jason und die anderen leben getrennt von uns in besonderen Zelten. Uns Knechte hat man verstreut untergebracht, und ich bin froh, wenn ich am morgen eines jeden Tages wieder die Sonne erblicke. Des Nachts kriechen ihre Weiber auf unsere Lager und geben sich uns kichernd hin, die Ehemänner hindern sie nicht daran. Wenn dies die Hetären sind, die mir mein Simon versprochen hat, so hat er keine Ahnung, wie eine Hetäre riecht, jedenfalls nicht wie ein Ziegenbock. Kürzlich sahen wir Reiterspiele. Man muss zugeben, in diesen Künsten sind sie uns mindestens ebenbürtig, ausgenommen die Thraker, die sich ebenfalls auf das reiten verstehen. Diese sind aber genau genommen keine Griechen. Danach zeigten die Männer ihre Kraft im Bogenspannen. Diese Kolcher schossen auf weit entfernte Ziele und trafen immer die Mitte der ledernen Scheibe. Selbst Aietes, der kein junger Mann ist, wusste seine Pfeile gut ins Ziel zu bringen. Nach ihm schossen Jason, Peleus, Meleager und ein weichlich aussehender Mensch namens Orpheus, der neulich schmachtend zur Lyra sang. Alle Männer aus Jasons Gefolge schossen recht mäßig, muss ich sagen, verglichen mit den Künsten der Kolcher, die übrigens auch mit Booten auf dem Wasser fahren, allerdings nicht zur See gehen. Wir Schiffsknechte waren etwas enttäuscht. Den kurzen Wurfspieß kennen die Barbaren überhaupt nicht.
Unter den Gästen sahen wir auch Frauen, unter anderem die Tochter des Aietes, ein Mädchen namens Medea, von der sie eine Menge Aufhebens machten. Sie krochen geradezu vor dieser Medea, die ein hübsches Gesicht hat, trotz ihrer Schlitzaugen und Hängebacken, aber unter einem langen grünen Gewand einen plumpen Körper verbarg. Sie sah verlebt aus, ich würde sie nicht begehren wollen, aber sie soll eine berüchtigte Zauberin sein. Gegen Ende des Wettkampfes tanzten unserer Gastgeber zu kleinen und großen Trommeln und stimmten einen misstönenden Gesang, eine Art Gebrumm an, unsere Führer zeigten wiederum ihren Waffentanz und zuletzt lag alles im tiefen Weinrausch.
Ich bin in Sorge. Wir sind nun viele Monate fort, der Winter steht vor der Tür und diese Barbaren sagen, dass er hier sehr kalt werden kann. Wir besitzen keine warme Kleidung und unsere Gastgeber scheinen unser längst überdrüssig zu sein. Wie es scheint, will uns Arietes hier ewig festhalten zur Belustigung seiner Horde, für die wir so etwas wie besonders seltene Tiere sein mögen. Unter Umständen werden wir für ein Festmahl gemästet. Seit gestern werden wir Schiffsknechte auch zur Arbeit gezwungen, ohne dass Jason sich für uns verwendet hätte. Wir zupfen Wolle, walken und waschen sie zu Filz, denn sie halten und züchten neben den Pferden auch kleine magere Schafe, die allerdings eine schöne Wolle geben. Mein Simon, der immerfort vergnügt ist, sagte: »Weshalb machst du so ein Gesicht, o Kleon? Ist es nicht schön, fremde Lände und Sitten zu kennen? Übrigens hat man dir doch leichte Arbeit gegeben, verglichen mit der Plage auf einem Schiff. Dieser Menschenfresser Arietes ist ein gemütvoller Tyrann und lässt uns nichts entbehren. Selbst unsere Nächte sind versüßt durch diese nach Schafmist riechenden Töchter Asiens. Was greinst du also, o Kleon? «
»Kannst du mir auch sagen, was hier tun, mein Simon? «
»Das könnte nur die Gottheit oder Jason«, sagte mein Wachältester.