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Optimismus und ein Lächeln
ОглавлениеZehn Tage nach dem Jahreswechsel wird wohl bei vielen Menschen ein Teil der guten Vorsätze schon über Bord gegangen sein. Manche werden schon wieder zur Zigarette gegriffen haben, der man strikt abgeschworen hat, andere haben vielleicht den geplanten Morgensport schon wieder eingestellt. Das sind Zeichen von Willensschwäche, aber in zwölf Monaten kann man es ja erneut versuchen.
Wichtig aber wäre es, zwei gute Vorsätze nicht aufzugeben: Der erste ist der Versuch, seiner Umwelt freundlich zu begegnen, den Mitmenschen mit einem Lächeln in die Augen zu blicken. Das macht für alle, nicht zuletzt für mich selbst, den Tag leichter. Und der zweite ist, auch in den schwierigen Zeiten den Optimismus nicht zu verlieren. Sicher, es gibt genügend Gründe, besorgt oder gar verzagt in die Zukunft zu blicken, aber ganz ohne Optimismus, ohne den Willen, die Dinge zum Guten zu wenden, ist der halbe Weg nach unten schon angetreten.
Unsere Eltern und Großeltern können ein Lied davon singen, wie man mit Optimismus und mit dem Glauben an eine gestaltbare Zukunft über Krisen hinwegkommen kann. Es ist heute gerade 70 Jahre her, dass die erste Generalversammlung der Vereinten Nationen tagte, nach einem Krieg, der 60 Millionen Menschenleben gefordert hatte und der mit dem Holocaust das schlimmste Verbrechen der Menschheit in das Geschichtsbuch des blutigen 20. Jahrhunderts eingetragen hatte. Und die UNO führte die Staatengemeinschaft zusammen und verpflichtete alle, drei Jahre nach dem Ende des blutigen Ringens, auf die Erklärung der Menschenrechte.
Sicher, das hat die Welt nicht in allen Teilen friedlicher gemacht. Stellvertreterkriege wie etwa in Korea, blutige Unabhängigkeitskämpfe und Bürgerkriege in Afrika, Errichtung von Diktaturen in Lateinamerika kosteten Millionen Menschen auch seither das Leben. Der Weltfriede war nicht eingetreten. Aber es gab ein Verhandlungsforum und eine Weltöffentlichkeit, die zumindest moralisch einschreiten konnte.
Bei uns im Land selbst packte man an, um aus Trümmern eine neue Existenz zu bauen. Bundeskanzler Figl konnte zu Weihnachten 1945 den Menschen noch gar nichts versprechen, nicht einmal Fensterkitt zum Einpassen der Glasscheiben, aber schon fünf Jahre später startete das österreichische Wirtschaftswunder, das mit Kühlschränken, Waschmaschinen, Autos und Fernsehapparaten ein neues Lebensgefühl einläutete. Klar, dahinter stand auch Hilfe von außen, aber ohne den Optimismus der Wiederaufbaugeneration wäre dieser Weg nicht gangbar gewesen.
Da gab es natürlich auch Verdrängung und Verleugnung der Mitschuld an den grausamen Ereignissen der Jahrzehnte zuvor. Aber man hatte erfasst, dass der Nachbar nicht der Feind ist, dass man sich zusammensetzen und über die Differenzen reden kann, dass die zivilisierte Diskussion sinnvoller ist als jede Gewalt. Man hatte sich zu einem Miteinander für eine gemeinsame Zukunft entschieden.
Wir haben fast vergessen, dass sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zehn Millionen Menschen auf der Flucht befanden und außerhalb ihrer Heimatländer lebten. Dazu kamen jene, die die Alliierten aus den Konzentrationslagern befreit hatten. Die Million, die damals in Österreich Zuflucht suchte, wurde in großen Lagern untergebracht und mit der Hilfe von internationalen Organisationen ernährt. Viele dieser Menschen oder deren Nachkommen zählen heute zur Elite in unserem Land. Sie haben den Integrationsprozess geschafft und in Österreich eine neue Heimat gefunden.
Es ist wirklich bewundernswert, woher die Menschen damals ihren Optimismus und ihre Zukunftsgläubigkeit nahmen. Sie stellten sich den ungeheuren Problemen, packten an und schafften es. Vor allem aber bereiteten sie meiner Generation, die in den Jahren unmittelbar nach dem Krieg geboren wurde, eine Startrampe in eine Zukunft, von der die Generationen vorher wohl nicht einmal zu träumen wagten. Materielle Sicherheit, Bildungschancen, Aufstiegswege, Mobilität, Fremdsprachen, all das lag vor uns und wurde durch den Optimismus der Vorgängergeneration bereitgestellt.
Verglichen mit der damaligen Zeit sind die Herausforderungen der Gegenwart wohl eher bescheiden. Sicher, die Wirtschaftskrise hat uns im Griff, die Zahl der Arbeitslosen steigt und der Flüchtlingsstrom, der an unsere Grenzen und durch unser Land fließt, wird nicht geringer. Wir sehen zudem einen europäischen Desintegrationsprozess, der Menschen wie mich, für die Europa das große Friedensprojekt war und ist, erschreckt. Wir wissen heute auch nicht, ob unsere Kinder ein vergleichbares Ausmaß an materieller Sicherheit erreichen können, wie es für uns Selbstverständlichkeit war. Und wir sehen eine Politikergeneration, der wir die Lösungskompetenz für die Zukunftsfragen nicht wirklich zutrauen. Das macht auch Töne stark, die wir schon für Vergangenheit hielten, die ganz sicher aber keine zukunftsweisenden Signale für Österreich, für Frankreich, für Polen oder Ungarn sind. Das ist alles nicht erfreulich, aber es sollte und darf kein Grund zu Resignation und Pessimismus sein. Die Wirtschaft kennt das Gesetz der sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Wenn wir also eine düstere Zukunft erwarten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie tatsächlich düster wird, sehr viel größer, als wenn wir positive Signale und Hoffnung ausstrahlen.
Gehen wir daher das neue Jahr mit Schwung und Optimismus an. Packen wir an, seien wir solidarisch, hilfsbereit und freundlich. Strecken wir die Hand aus, wenn wir Menschen in Not sehen, und schenken wir unserer Umwelt ein Lächeln. Das kostet gar nichts, macht aber für alle den Tag schöner und das Leben ein ganz klein wenig leichter.
Sendung vom 10. Jänner 2016