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Grundnahrungsmittel Brot

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Obwohl unsere Gesellschaft viele arme Menschen kennt, und obwohl das Ausmaß der Armutsgefährdung erschreckend hoch ist, leben wir in einem der reichsten Länder der Welt. Österreich ist im Durchschnitt also Teil der Wohlstandsgesellschaft, wenn das auch nur ein ganz schwacher Trost für jene ist, die sich am unteren Ende der Skala befinden und die ohne fremde Hilfe ganz ernsthafte Probleme haben würden.

Wohlstandsgesellschaften sind Wegwerfgesellschaften. So war vorige Woche in der Kleinen Zeitung zu lesen, dass uns das Ende der Brot-Zeit ins Haus steht. Brot landet zu 20 Prozent im Müll, also einer von fünf Brotlaiben wird nicht gegessen, sondern entsorgt. Mich hat der Artikel ziemlich nachdenklich gemacht. Meine Generation ist überwiegend mit der von den Eltern vermittelten Überzeugung groß geworden, dass man keine Lebensmittel und vor allem kein Brot wegwirft. Wir verarbeiten heute noch altes Weißbrot zu Knödelbrot oder Brösel und heben altes Schwarzbrot für die Pferde einer Freundin auf. Im Müll landet Brot nur dann, wenn es schimmlig geworden ist, was aber selten vorkommt.

Stärker als die meisten anderen Nahrungsmittel ist Brot symbolisch aufgeladenes Kulturgut. Es spielt seine Rolle im religiösen Ritus, und die wundersame Brotvermehrung ist eine der schönen biblisch überlieferten Legenden. Brot hat zudem starke regionale Zuschreibungen. Wer in Amerika gelebt hat, der weiß, dass man nichts vom alten Kontinent so vermisst wie gutes Brot. Und schon in Wien ist es nicht einfach, ein Brot zu finden, das den Vorstellungen des Auges, der Nase, des Gaumens und manchmal auch des Ohres, wenn es so schön knacken soll, entspricht. Und in der Erinnerung an die Kindheit und Jugend spielt Brot eine größere Rolle als alle Fleischspeisen oder Geburtstagstorten.

Wenn im oberen Lavanttal die Tante auf ihrem kleinen Bauernhof die Laibe aus dem Holzofen holte, war die ganze Umgebung von einem Duft erfüllt, der unbeschreiblich gut war. Noch lange Jahre fuhren wir dort hin, um einen Laib mitnehmen zu können in die großen Städte. Damit war ein Stück von zu Hause bei uns, wurde guten Freunden angeboten, um sie teilhaben zu lassen an der kulinarischen Erinnerung. Mich treibt es zumindest jeden zweiten Samstag auf den Markt am Kaiser-Josef-Platz, wo es Brot zu kaufen gibt, das dieser Erinnerung an alte Zeiten zumindest nahe kommt. Und das wird aufgegessen, es hält auch locker zehn Tage, ohne an Qualität zu verlieren. Und es steht so für mich symbolisch für die ganze Angebotspalette an naturnahen Produkten, die der Markt bietet. Wir essen nur Eier, die wir dort kaufen, das Gemüse der Saison, die prächtigen Hühner und die Beeren, die Früchte und die Pilze. All das wird regional produziert, geerntet und in der Region verkauft. Die Fische kommen aus der Weizbachklamm, die Äpfel aus Eggersdorf, das Brot aus Hitzendorf und das Gemüse aus Hausmannstätten.

Und da schreckt die Nachricht auf, dass wegen der großen Brände in Russland auch bei uns das Brot teurer werden soll. Das wird wieder die Armen besonders treffen. Sicher, es gibt den Weltmarkt, und die Getreidebörsen waren schon historisch Orte der sozialen Konflikte, an denen sich, wie früher vor den Getreidespeichern der Wucherer, die Wut der Hungernden entladen konnte. Und es ist auch verständlich, dass bei allen regionalen Bemühungen manche Rohstoffe nur am Weltmarkt zu erhalten sind. Die Versuche, diesen durch soziale Projekte und spannende Initiativen zu unterlaufen, sehen sich mit ganz anderen Problemen konfrontiert. So droht gerade ein Vorzeigeprojekt, nämlich Kakaobohnen fair zu produzieren und in Lateinamerika Kleinbauern zu helfen, von der Kokainmafia loszukommen und ein gesundes Produkt wie Kakao selbstbestimmt zu erzeugen, an der Gewalt vor Ort zu scheitern. Da ist viel Geld im Spiel und natürlich auch einfach sehr viel Spekulation. Der Weltmarkt ist ja nicht nur ein realer Ort des Austausches von Waren oder Dienstleistungen gegen Geld, er ist Ort von fiktiven Geschäften, künstlich erzeugten Verknappungen, von Umtrieben im Graubereich von Seriosität und Moral. Der Wächter mit dem Schwert vor den Getreidelagern im alten China, der Schieber der Dreißigerjahre, der den Schwarzmarkt bediente, haben längst den anonymen Anzugträgern Platz gemacht, die mit Produkten handeln, die sie nie gesehen haben.

Die Globalisierung ist Realität und das ist auch der Weltmarkt. Aber wir sind nicht gezwungen, uns all den Regeln, die er vorgibt, zu unterwerfen. In vielen Punkten unseres Konsumverhaltens sollten wir einfach regionaler agieren. Man muss nicht das ganze Jahr Paradeiser essen. Aber jetzt wachsen sie in meinen eigenen Töpfen und die Bauern am Markt haben Steigen voller prächtiger Früchte. Man kann die heimischen Erdäpfel im Frühjahr abwarten und der Salat ist bei uns ohnehin besser als überall sonst und nicht vergleichbar mit den in Plastik eingeschlossenen Importwaren. Regionale Lebensmittel zu kaufen ist meist gesünder, ökologisch sinnvoller und nicht teurer, als hier auf das globale Angebot zu setzen. Die Glitzerwelt eines amerikanischen Supermarktes mit Lebensmittelabteilungen, die oft die Gesamtgrößen unserer größten Einkaufsmärkte übertreffen, gaukeln 24 Stunden lang an 365 Tagen im Jahr die Verfügbarkeit aller Produkte vor. Die Ökobilanz ist dann vernichtend, und der Geschmack ist großteils beim Transport entwichen.

Regional zu handeln ist kein Gegensatz zum globalen Denken. Man kann die Weltzusammenhänge sehen, man kann die Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten nutzen und trotzdem nicht nur aus sentimentaler Erinnerung an die eigene Jugend, sondern aus durchdachter Entscheidung regional agieren. Ich freue mich jedenfalls über die wenigen Produkte im eigenen Garten und über die erfreuliche Vielfalt, die es derzeit auf dem Markt gibt. Und ich genieße es, den Jahreszeiten entsprechend die Bandbreite unseres Landes auch auf meinem Teller zu finden.

Sendung vom 29. August 2010

Meine Gedanken zur Zeit

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