Читать книгу Das Buch vom Verkehr - Hendrik Ammoser - Страница 15
Postwesen aktuell
ОглавлениеIm Zuge der radikalen technologischen Veränderungen im Bereich des Nachrichtenverkehrs haben sich auch Märkte und Politik in Europa gewandelt. Die oftmals staatlichen Postanstalten waren in der Regel sowohl für den Postbrief- und Paketdienst und als auch für die Telekommunikation, den Rundfunk zuständig sie waren sogar mit Aufgaben des Bankwesens sowie mit der Personenbeförderung mittels Postbus betraut. Im Zuge der Entstaatlichung des Postsektors wandelte dieser Wirtschaftszweig sein Gesicht innerhalb kürzester Zeit grundlegend.
Als „Post“ bezeichnet man ursprünglich eine spezielle Organisationsstruktur („Anstalt“, z.B. Unternehmen), die dauerhaft und regelmäßig ein flächendeckendes Produktionssystem in einem bestimmten Territorium, einem Postgebiet, betreibt. Damit werden Postdienstleistungen erbracht, welche i. d. R. die Ortsveränderung von stofflichen Nachrichten (Briefe, Zeitschriften, Zeitungen) und nicht-stofflichen Nachrichten (Sprachdienste, Telegramme, Datenübertragung) sowie adressierter Kleingüter (Päckchen, Pakete) in einer definierten Güte und Qualität umfassen.
Die Zugangsschnittstelle zwischen Kunde, Dienstleistung und Postanstalt kann durch Holdienste oder verschiedene Postannahmestellen, wie z.B. Sammelbriefkästen, realisiert werden. Die Abgangsschnittstelle ist realisierbar durch Zustellungsdienste oder verschiedene Postempfangsstellen, z.B. Zustellbriefkasten oder Paketzustellanlagen. Im Fernmeldewesen wird die Zu- bzw. Abgangsschnittstelle z.B. durch eine Telefonsteckdose oder eine Funkschnittstelle realisiert. Die Behandlung des Postgutes (Sortieren, Bündeln) erfolgt i. d. R. in Netzknoten bzw. Poststationen. Durch Verknüpfung von Versender, Poststationen auf Zwischenstrecken und Empfänger werden durchgehende Postverbindungen geschaffen. Für die Realisierung des eigentlichen physischen Transports des Postgutes auf den Zwischenstrecken werden die jeweils verfügbaren und am besten geeigneten (eigenen oder fremden) Verkehrsmittel mit ihren Wegen und Einrichtungen (Transportsysteme, Leitungs-, Funktechnik) genutzt. Die Kunst besteht in der optimalen Anordnung von funktional differenzierten Poststationen (Relais, wie z.B. Sammel- und Sortierstationen), so dass ein hierarchisch strukturiertes Verkehrsnetz das gesamte Postgebiet bedarfsgerecht erschließt. Mit dem Postsystem werden Postdienstleistungen produziert, so dass ein Postgebiet während einer Betriebsperiode regelmäßig und nach fest definierten Qualitätskriterien bedient wird. Dieses Angebot kann gegen Bezahlung durch Nutzer der Post wahrgenommen werden.
Kommerzielle Kurier- und Logistikdienstleister arbeiten im Unterschied zu einer „echten“ Postanstalt im Bedarfsbetrieb, d.h., die Dienstleistung wird immer nur dann erbracht, wenn auch tatsächlich eine Nachfrage besteht. Ein Postbetrieb arbeitet demgegenüber im Fahrplanbetrieb, d.h. innerhalb einer Betriebsperiode werden planmäßig Postdienstleistungen erstellt – unabhängig davon, ob für einen konkreten Fall eine profitable Nachfrage besteht. Das bedeutet, dass z.B. ein Briefkasten im Laufe einer Fahrplanperiode immer durch einen Mitarbeiter aufgesucht und geleert wird (je nach Plan z.B. täglich, mehrmals täglich, wöchentlich, monatlich …), ganz egal, ob aktuell keine, nur eine, zehn, 100 oder 1000 Sendungen abzuholen sind. Ebenso werden Fernmeldeanlagen dimensioniert und bereitgestellt. Zudem erschließt ein echter Postbetrieb das ihm zugeordnete Postgebiet für eine definierte Betriebsperiode vollständig in einer vorher definierten Güte mit Zu- und Abgangsschnittstellen.
Auch wenn ein flächendeckendes leistungsfähiges Postsystem zweifelsohne hohe volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Vorteile mit sich bringt, besteht an dieser Stelle ein erhebliches Risiko für den Postbetrieb hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Rentabilität des Postsystems. Aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen heraus wird ein Postbetrieb ein Postsystem anstreben, das eine ausgewogene Mischung aus hoch produktiven Netzelementen mit einem hohen Durchsatz und solchen mit einer hohen Bedeutung für die Territorialerschließung zur Steigerung des Gesamtwertes des Postsystems enthält. Dem gegenüber wird ein kommerzielles Unternehmen wenig Interesse daran haben, strukturschwache Regionen mit viel Fläche, langen Wegen und wenig Verkehrsaufkommen in das Postgebiet zu integrieren, wenn das erforderliche Verkehrsaufkommen nicht zu erwarten ist.
Die Leistungsmerkmale des „echten“ Postbetriebs werden seit der Liberalisierung der ehedem staatlichen Infrastruktursysteme den Universaldiensten zugeordnet. „Universaldienst“ im engeren Sinne ist eine Dienstleistung oder Einrichtung, die der gesamten Bevölkerung zugänglich sein, in Umfang und Qualität staatlich garantiert und erschwinglich sein soll. Der Universaldienst umfasst v.a. Leistungen, die aus unternehmerischer Sicht nicht wirtschaftlich wären, i. d. R. öffentlich bestellte und finanziell abgesicherte Dienstleistungen zur Grundversorgung der Bevölkerung mit Infrastrukturdienstleistungen (Müllabfuhr, Elektrizität/Energie, Gesundheit, Polizei, Verkehr, Kultur …), ggf. durch Regulierungsbehörden überwacht. „Universal“ meint Dienstleistungen, die für eine Mehrheit der Bevölkerung sowie für eine Vielzahl von Anwendungen nutzbar sind (im Unterschied zu Spezialdienstleistungen). Für den Sektor Post- und Fernmeldewesen in Deutschland sind Universaldienstleistungen gesetzlich geregelt im Grundgesetz, in der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) sowie im Telekommunikationsgesetz (TKG). Dort werden Anforderungen an bestimmte Postdienstleistungen des Briefdienstes, des Paketdienstes und des Zeitungs- und Zeitschriftenversands definiert – so z.B. hinsichtlich der Charakteristik des Annahme- und Zustellnetzes sowie hinsichtlich der Laufzeiten.
1.2.3 Postdienstleistungen. a) Paketannahme im Paket-Shop eines Dienstleisters; b) Briefannahme in einem Sammelbriefkasten; c) Annahme in einer Paketstation; d) Sendungssortierung im Briefzentrum Münster; e) Auslieferung im Kahn im Spreewald; f) Auslieferung per Fahrradbote.
Postdienstleistungen sind laut deutschem Postgesetz folgende gewerbsmäßig erbrachte Dienstleistungen:
1. die Beförderung von Briefsendungen,
2. die Beförderung von adressierten Paketen, deren Einzelgewicht 20 Kilogramm nicht übersteigt, oder
3. die Beförderung von Büchern, Katalogen, Zeitungen oder Zeitschriften, soweit sie durch Unternehmen erfolgt, die Postdienstleistungen erbringen.
1.2.4 Entwicklung des weltweiten Briefverkehrs 1980–2011.
Die Beförderung nicht adressierter Briefsendungen oder der Transport von Paketen mit einem Einzelgewicht größer 20 Kilogramm sind daher keine Postdienstleistungen im rechtlichen Sinne.
Laut Weltpostverein generierte der Postsektor im Jahre 2010 Einnahmen in Höhe von 331 Milliarden USD. Dabei wird etwa die Hälfte des Umsatzes mit der Briefpost erwirtschaftet. Die andere Hälfte des Umsatzes stammt aus anderen Postdienstleistungen, u.a. Paket- und Logistik- sowie Postfinanz-dienstleistungen. Weltweit haben die Postdienstleister in jenem Jahr 376 Milliarden Briefsendungen und etwa 6, 1 Milliarden Paketsendungen bearbeitet! Allerdings macht sich seit Jahren ein Strukturwandel in unserer Kommunikation bemerkbar: Im Jahr 2001 wurden weltweit die meisten Briefe befördert – 434 Milliarden Sendungen. Seit den 1990er Jahren schwankt das jährliche Sendungsaufkommen und geht in zahlreichen Ländern spätestens seit dem Jahre 2005 kontinuierlich zurück.
Auf den Postmärkten in Deutschland wurde nach Angaben der Bundesnetzagentur im Jahre 2011 ein Umsatz von etwa 26, 4 Milliarden Euro erwirtschaftet. Über 16 Milliarden Briefe wurden allein im lizenzpflichtigen Segment befördert. Auch 20 Jahre nach der Postreform spielt die Deutsche Post AG eine wichtige Rolle im deutschen Postwesen: Im lizenzpflichtigen Briefmarktsegment haben die Unternehmen der Deutschen Post Gruppe einen Umsatz von 8 Milliarden Euro erwirtschaftet, während Wettbewerber im gleichen Marktsegment etwa 0, 9 Milliarden Euro umgesetzt haben. Wenn man die Außenumsatzerlöse am Telekommunikationsmarkt mit etwa 58 Milliarden Euro im Jahr 2012 in Relation setzt, werden die Verhältnisse im Post- und Fernmeldewesen deutlich.