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1.3 Das Personenverkehrssystem

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Das moderne Personenverkehrssystem bildet einen vielseitigen Baukasten aus Hilfsmitteln von Beinen und Armen bis zu Großraumflugzeugen. Es steht zur Verfügung, um uns Menschen unsere natürlich gegebene Reichweite zu erweitern, noch fernere Ziele zu erreichen, den Zeitbedarf zu minimieren und somit besonders schnell oder möglichst häufig unterwegs zu sein, die Mitnahme von Mitreisenden oder Gepäck zu ermöglichen, besonderen individuellen Komfort zu genießen oder mit wenig Geld möglichst weit zu kommen. Damit ist das Personenbeförderungssystem ein Spiegel der vielfältigen menschlichen Bedürfnisse nach Ortsveränderung. Für praktisch jeden Bedarf gibt es ein passendes Angebot am Verkehrsmarkt. Mehr noch: Gerade im 20. Jh. haben es die Marketingstrategen der Verkehrswirtschaft geschafft, die Reise selbst – ursprünglich ja nur Mittel zum Zweck, um an „ein Ziel zu kommen“ – unter dem Motto „Freude am Fahren“ und anderen Botschaften zum Gegenstand der Lust zu machen.



1.3.1 „Der Werkzeugkasten der Mobilität“.

Die Differenzierung der technischen Hilfsmittel zur Unterstützung der persönlichen Mobilität von Menschen ist vielfältig. Möglicherweise führen Probleme und Faszination der vielen technischen Hilfssysteme sogar dazu, dass wir Menschen heute beim ersten Gedanken an den Werkzeugkasten der persönlichen Mobilität eher an ein Auto als an die eigenen beiden Beine denken. Die modernen Hilfsmittel unseres Werkzeugkastens des Personenverkehrs ziehen erstaunlich viel Aufmerksamkeit auf sich; vermutlich bewirkt ihre schiere Existenz eine grundlegende Verhaltensänderung bei uns Menschen. Anstatt sich mit der Vielfalt auseinanderzusetzen und sie entsprechend der jeweiligen Situation optimal einzusetzen, sind viele Menschen auf der Suche nach der einen bequemen Universallösung. Denn noch bequemer als die Nutzung vieler Werkzeuge entsprechend ihrem besten Einsatzzweck ist es, gar nicht nachdenken zu müssen und jedes Mal alles richtig zu machen. Das Automobil– billig in Anschaffung und Nutzung – scheint ein solches universelles Verkehrsmittel zu sein. Mit den kleinen technischen Meisterwerken lässt sich der Bäcker um die Ecke ebenso erreichen wie der Urlaubsort am anderen Ende des Kontinents. In dieser Form scheint der Pkw die erste universelle Mobilitätsmaschine der Menschheit überhaupt zu sein. Nutzungshäufigkeit, Verhalten und kultureller Einfluss des Pkw scheinen diese Behauptung zu stützen.

Zahlreiche Erhebungen der vergangenen Dekaden zeigen, dass die Deutschen den Motorisierten Individualverkehr mittels Pkw für die Realisierung ihrer Personenverkehrsbedürfnisse eindeutig bevorzugen. Zudem werden zahlreiche kurze Wege zu Fuß zurückgelegt, die jedoch aufgrund der geringen Weglänge wenig Anteil an der Verkehrsleistung haben. Umgekehrt verhält es sich bei den Reisen mit dem Flugzeug: Ein nur verschwindend geringer Anteil an den zurückgelegten Wegen wird statistisch betrachtet mit dem Flugzeug zurückgelegt. Wird aber das Flugzeug genutzt, werden erhebliche Weglängen zurückgelegt, so dass der Anteil des Luftverkehrs an der gesamten Verkehrsleistung recht hoch ist.

Reine individuelle Personenverkehrsmittel spielen heute praktisch keine Rolle mehr, wie z.B. das Vorhalten eines eigenen Reitpferdes und eigener Pfade, eigener Träger samt Chaise oder Sänfte. Wenigstens die Bereitstellung von sicheren und funktionsfähigen Verkehrswegen erfolgt durch das Gemeinwesen. Auch Fahrzeuge oder Verkehrsdienstleistungen werden im Personenverkehr von Dritten bereitgestellt und müssen nicht zwangsläufig selbst beschafft und betrieben werden.

In den entwickelten Staaten der Welt gibt es im Wesentlichen drei Realisierungsmöglichkeiten für den Personenverkehr: Zum einen gibt es das Fahren mit dem eigenen Kraftfahrzeug auf Straßen, die durch Dritte – meist vom Staat – zur Nutzung bereitgestellt werden. Diesen Angebotstyp nennt man den „Motorisierten Individualverkehr“. Der zweite Angebotstyp ist der öffentliche Personenverkehr, bei dem Verkehrsunternehmen i. d. R. mit staatlicher Erlaubnis Verkehrsdienstleistungen für die Allgemeinheit erzeugen. Daneben existieren zahlreiche Fortbewegungsmöglichkeiten auf eher kurzen Distanzen, die als „nicht-/schwachmotorisierte Mobilitätsformen“ subsummiert werden können – oft in Abgrenzung zum Motorisierten Individualverkehr auch Nichtmotorisierter Individualverkehr genannt. Darunter versteht man im Wesentlichen den Fußverkehr, der in einigen Gegenden der Welt zum Gang von der Wohnung zum Parkplatz oder zur nächsten Haltestelle verkommen ist – oder als Sport- und Freizeitbetätigung nur noch ein Nischendasein fristet. In technisch und industriell wenig entwickelten Ländern dieser Erde spielen die nicht-/schwachmotorisierten Mobilitätsformen jedoch eine deutlich größere Rolle – ob man mit dem Reittier, mit dem Fahrrad oder einfach zu Fuß unterwegs ist. Alle diese Erscheinungsformen sind mit dem Fußverkehr verwandt. Ihnen gemeinsam sind niedrige Geschwindigkeiten und Massen, verhältnismäßig geringe Tragkraft und i. d. R. eine große Witterungsabhängigkeit. Damit fallen diese Mobilitätsformen meist nicht in die strenge öffentliche polizeiliche oder versicherungsrechtliche Organisation und Aufsicht. Einfache und günstige technische Mittel und externe Energiezuführung können durchaus zum Einsatz kommen, wie z.B. Fahrräder mit elektrischem Hilfsantrieb.

Das Buch vom Verkehr

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