Читать книгу Korruption im Krankenhaus - effektiv vermeiden, gegensteuern und aufklären - Hendrik Schneider - Страница 11
Fallbeispiel aus der Rechtsprechung, AG Landsberg, Urt. v. 16.01.2013 – 6 Ls 200 Js 141129/08:
ОглавлениеDer nicht vorbestrafte angeklagte Geschäftsführer einer zur Abgabe von Hilfsmitteln nach § 126 SGB V zu Lasten der Krankenkassen zugelassenen Firma wurde vom Amtsgericht Landsberg wegen Betruges in einem besonders schweren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Der Angeklagte hatte gegen das Depotverbot verstoßen und insbesondere »Bandagen, Vorfußentlastungsschuhe und Kompressionsstrümpfe« vertrieben. Die von verschiedensten Ärzten aus dem ganzen Bundesgebiet durch Rezept verordneten Hilfsmittel wurden den jeweiligen Patienten jeweils in den dortigen Arztpraxen oder daran angegliederten Einrichtungen vor Ort abgegeben. Das Amtsgericht sieht hierin, soweit nicht im Einzelfall ein Notfall vorlag, einen Abrechnungsbetrug: »In den vom Angeklagten anerkannten Rahmenverträgen ist insbesondere ausdrücklich geregelt, dass der Leistungserbringer die Hilfsmittelversorgung durch eigenes Fachpersonal, in eigenen Räumen vor Ort anzupassen und den Versicherten in den Gebrauch einzuweisen hat. Jegliche Zusammenarbeit des Leistungserbringers mit Ärzten zum Ziel der Ausweitung der Versorgung bzw. der Inanspruchnahme von Hilfsmitteln ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Hilfsmitteldepots in Arztpraxen. (…) Durch die Einreichung der Rezepte hat der Angeklagte konkludent erklärt gemäß den für ihn geltenden Vorschriften ordnungsgemäß abgerechnet zu haben und einen entsprechenden Irrtum bei den Sachbearbeitern der Versicherungen erzeugt. Die konkrete positive Vorstellung der Berechtigung ist bei Betrugsvorwürfen im Zusammenhang mit standardisierten auf Massenerledigung ausgelegten Abrechnungsverfahren nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass die Mitarbeiter stillschweigend davon ausgehen, dass ›alles in Ordnung ist‹ (BGH, Urt. v. 22.08.2006 – 1 StR 547/05, NStZ 2007, 213 ff., 213). Nach der Rechtsprechung des BGH im Sozialversicherungsrecht ist von der sogenannten streng formalen Betrachtungsweise auszugehen. Das heißt, dass sich der Angeklagte nicht darauf berufen kann, dass die Krankenkassen in jedem Fall auch über einen anderen Leistungserbringer als den Angeklagten dieselben Kosten für Hilfsmittel hätten erstatten müssen. Entscheidend ist, dass der Angeklagte keinen Anspruch auf die Kostenerstattung hatte und damit ein strafrechtlich relevanter Schaden in voller Höhe der geleisteten Zahlungen entstanden ist. Alles andere ist im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen.«
§ 73 Abs. 7 SGB V enthält einen sozialrechtlichen Verbotstatbestand der Zuweisung gegen Entgelt, der die entsprechenden Bestimmungen des ärztlichen Berufsrechts ergänzt. Bei beiden Gesetzen, d. h. §§ 128 und 73 Abs. 7 SGB V, handelt es sich um sogenannte »Marktverhaltensnormen«, deren Verletzung den Vorwurf unlauteren Verhaltens nach sich ziehen kann. Da die Korruptionsdelikte der §§ 299 und 299a, b StGB ein unlauteres Marktverhalten voraussetzen, sind diese außerstrafrechtlichen Normen auch von Relevanz für das Strafrecht.