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Fallbeispiel aus der Praxis zur Fallgruppe der Straftaten aus Unkenntnis der Grenzen des Rechts:

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Im Anschluss an die sogenannte Honorararztentscheidung des Bundessozialgerichts vom 04.06.2019 (BSG, Urt. v. 04.06.2019 – B 12 R 11/18 R) lässt der Geschäftsführer des Krankenhauses auch die bestehenden Verträge mit niedergelassenen Ärzten prüfen. Soweit es sich um Kooperationsverträge mit einzelnen Ärzten handelt und keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden, kündigt er diese und bietet den Ärzten Arbeitsverträge an. Im Rahmen der langwierigen Verhandlungen verständigen sich die Vertragsparteien auf eine Vergütung, die der Höhe nach etwa der in der freien Kooperation gezahlten Vergütung entsprach. Auf die Nachzahlung der bis zur Vertragsänderung auf das Honorar im nicht verjährten Zeitraum (§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV) entfallenden Sozialversicherungsbeiträge wird verzichtet. Der Geschäftsführer verlässt sich insoweit auf den anwaltlichen Rat. Soweit das Krankenhaus Kooperationsverträge mit Praxen (BAG oder MVZ GmbH) unterhält, werden die freien Kooperationsverträge beibehalten.

In einer Jahre später stattfindenden Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) geht diese davon aus, bei den Kooperationen des Krankenhauses mit den einzelnen Ärzten wäre das Krankenhaus verpflichtet gewesen, die Sozialversicherungsbeiträge im nichtverjährten Zeitraum nachzuzahlen. Auch die Kooperationen mit Praxen werden als Fälle abhängiger Beschäftigung eingestuft. Wegen dieses Sachverhalts erfolgt die Abgabe an die Staatsanwaltschaft (vgl. § 6 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 4 Nr. 5 SchwarzArbG), die zunächst ein Ermittlungsverfahren wegen Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a StGB) und später wegen der angeblich überhöhten Vergütung im Arbeitsverhältnis auch ein Verfahren nach §§ 299a, b StGB einleitet.

Daneben entstehen strafrechtlich relevante Sachverhalte auch aus Kontrolldefiziten. So können die Bedingungen einer Zusammenarbeit durch einen Vertrag in rechtlich zulässiger Weise abgesteckt sein. In der Praxis ändern die mit der Umsetzung des Vertrages betrauten Personen aber einzelne Modalitäten, die sodann zu strafrechtswidrigem Verhalten führen. So kann beispielsweise für eine nach Zeitumfang vergütete Tätigkeit eine im korruptionsstrafrechtlichen Sinne angemessene Vergütung vereinbart worden sein. In der Praxis werden sodann aber die zeitlichen Grenzen nicht eingehalten. Wenn in diesem Fall die Vergütung nicht angepasst wird, gerät das vereinbarte Verhältnis aus Leistung und Gegenleistung aus dem Gleichgewicht. Diesen Konstellationen kann durch Kontrollen gegengesteuert werden. Verantwortlich sind insofern die jeweiligen Compliance-Verantwortlichen im Krankenhaus, die Verträge und Akteure bzw. Akteurinnen sowie die entscheidenden tatsächlichen Gesichtspunkte kennen sollten.

Auch im Krankenhaus kommt »harte« Vertriebskorruption vor, bei der den Beteiligten genau bekannt ist, dass sie sich im strafrechtswidrigen Bereich bewegen. Bei der Entstehung dieser Form der Wirtschaftskriminalität spielen ebenfalls günstige Tatgelegenheiten, die auf Kontrolldefizite zurückzuführen sind, eine wesentliche Rolle. Hinzu kommen personale Risikofaktoren, wie beispielsweise eine finanzielle Drucksituation. Auch kommt es zu einem allmählichen Abgleiten in die verfestigte Kriminalität, bei dem der »Lerneffekt des erfolgreichen Täters«, der lange Zeit unentdeckt bleibt, eine Katalysatorfunktion einnimmt (Schneider 2020, 6 ff.).

Korruption im Krankenhaus - effektiv vermeiden, gegensteuern und aufklären

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