Читать книгу Korruption im Krankenhaus - effektiv vermeiden, gegensteuern und aufklären - Hendrik Schneider - Страница 21
1.2.2 Mitglieder der Geschäftsführung des Krankenhauses als Beschuldigte
ОглавлениеMitglieder der Geschäftsführung oder der Vorstände eines Krankenhauses können zum Beispiel dann wegen Vorteilsnahme strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie im Rahmen von Bauvorhaben, bei Einkaufsentscheidungen (z. B. im Rahmen der Anschaffung medizinischer Großgeräte) oder im Rahmen des Entlassmanagements (für die Zuführung eines Patienten oder einer Patientin in die jeweilige Anschlussversorgung) Vorteile für sich oder die Betreibergesellschaft annehmen bzw. sich versprechen lassen. Entsprechende Verfahren sind aber eher selten. Schließlich ist es bei evident rechtswidrig erteilter Dienstherrengenehmigung auch möglich, dass die Geschäftsführung wegen Beihilfe zu einer Bestechlichkeit des Arztes oder der Ärztin in den unter Kap. 1.2.1 dargestellten Sachverhalten verfolgt wird.
Ein größeres Risiko ergibt sich in der Position als vorteilsgebende Person im Zusammenhang mit Kooperationen zwischen den Sektoren. Da die entsprechenden Kooperationsverträge auf Seiten des Krankenhauses durch die Geschäftsführung unterzeichnet werden, kann diese als Beschuldigte in Betracht kommen. Die Ermittlungsverfahren, die in der Praxis vorkommen, obwohl bislang noch keine veröffentlichte Gerichtsentscheidung vorliegt, richten sich dann sowohl gegen die Geschäftsführung als auch gegen den Arzt oder die Ärztin. Im Mittelpunkt stehen Fragen im Zusammenhang mit §§ 299a, b StGB, die in diesem Buch an anderer Stelle dargestellt werden (vgl. dazu unter Kap. 3.2.6). Insbesondere in diesem rechtlichen Bereich bestehen neben den korruptionsstrafrechtlichen Risiken weitere strafrechtliche Fallstricke, zum Beispiel im Hinblick auf das Vorliegen eines Abrechnungsbetruges. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Betrugsstrafrecht zur Anwendung kommt, wenn Leistungen abgerechnet werden, die unter Missachtung außerstrafrechtlicher Marktverhaltensnormen (zum Beispiel die berufs- und sozialrechtlichen Verbote der Zuweisung gegen Entgelt) erbracht wurden, ist Gegenstand einer noch nicht abgeschlossenen Kontroverse im Schrifttum (siehe Warntjen 2018, 193 ff. einerseits und Fischer 2019, 257 ff. sowie Michels 2018, 65 ff. andererseits).
Soweit korruptive Sachverhalte (von einigem Gewicht) auf Grund von Kontrolldefiziten bzw. nicht vorhandenen Compliance-Strukturen in der Entstehung begünstigt wurden oder dokumentierten Verdachtsfällen nicht angemessen nachgegangen wurde, kann die Krankenhausgeschäftsführung auch mit einem Bußgeldverfahren wegen Verletzung der Aufsichtspflicht nach § 130 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) verfolgt werden. Im Zuge der Diskussion um die Einführung des Verbandssanktionengesetzes, das sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindet, wurde hervorgehoben, dass diese Verfahren sowie Verfahren gegen das Unternehmen selbst nach § 30 OWiG in der Praxis selten vorkommen und diesbezüglich regionale Unterschiede vorherrschen. Seitdem ist zu beobachten, dass §§ 30, 130 OWiG stärker in den Fokus der Ermittlungsbehörden gerückt sind und Verfahren eingeleitet werden. Zudem kommt § 130 OWiG eine Auffangfunktion zu, wenn sich der Anfangsverdacht in Bezug auf eine Straftat nicht erhärtet hat.