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Keine Disziplin mehr
ОглавлениеDie beiden Leutnants sind noch sehr jung. Der eine fuchtelt, leise sprechend, dem anderen mit der Hand vor dem Gesicht herum. Aber diese Hand hat nur den Daumen und die beiden anderen Finger daneben. Der kleine und der vierte Finger sind so sauber und so glatt, wie mit einem Rasiermesser abgeschnitten.
»Also wie es vorjehn soll, raus aus’n Wald, da schmeißt sich doch der eine Kerl, so ein dickes Schwein … ein Familienvater von mindestens achtunddreißig, statt dessen im Dickicht hinter einen Baum, und is nich von der Stelle zu bringen. Und der Russe funkt so mit seinen beiden Maschinengewehren, einfach wie ‘n Fächer, janz niedrig über ’n Boden hin. Also, es war jradezu ein Anblick für Jötter: wie nun das dicke Schwein da, wie ein Kahn, den sie an den Pfahl jebunden haben, und der nu in der Strömung hin und her schwankt, mit den Jarben so mitgeht. Ich zieh’ meinen Dienstrevolver und halt ’n über ihn. Aber in dem Augenblick kommt eine neue Garbe. Und der Mann, der sich schon halb aufgerichtet hat, schmeißt sich wieder hin. ›Auf, du Hund‹, schreie ich und will abdrücken. Ehe ich also noch den Finger krumm machen kann, geht der Kerl hoch wie so ’ne Spannerraupe, und dann streckt er sich. Ich wundere mich noch, mein Revolver liegt auf seinem Rücken. Aber mit den zwei Fingern hier dran. Beide Schüsse also erstmal durch den dicken Baum. Ihm der eine mitten in die Stirn und hinten an der Wirbelsäule wieder raus. Und mir haut’s meine zwei Finger hier weg.«
Ein Matrose steigt am Savignyplatz ein und setzt sich still in die Ecke. Er hat keine Fahrkarte. Aber das macht nichts mehr. Die beiden jungen Leutnants sehen zu ihm hinüber. Er grüßt nicht, sieht über sie fort. In Charlottenburg klettert er wieder heraus mit Bewegungen, als ob das Abteil ein Mastkorb wäre.
»Also ich sage dir«, meint der Dreifingrige: »Diese Schweineflotte hält keine Disziplin mehr. Das kann den schönsten Kladderadatsch noch jeben.«