Читать книгу Wasser für Abu Dhabi - Hermann Mezger - Страница 11
10. Kapitel
ОглавлениеEinige hundert Kilometer entfernt machte Jutta Alt gerade Feierabend. Auch sie stand hinter einem Tresen, der jedoch lange nicht so prunkvoll war wie der im Emirates Palace Hotel: Sie arbeitete in der Kantine der Kartzow-Werke. Ihre Kundschaft bestand überwiegend aus Arbeitern, die ihr oft eindeutige und anzügliche Komplimente machten. Daran war sie zum Teil selbst schuld, denn sie offerierte ihre nicht unbeträchtliche Oberweite allzu offenherzig. Ansonsten führte sie ein strenges Kommando und galt als herrisch. Ihren Laden hatte sie jedenfalls fest im Griff. Nur in ihrem Privatleben schien das nicht zu funktionieren, denn sie schaffte es einfach nicht, ihren Mann vom Saufen abzuhalten. Sie dachte oft daran, Sebastian in die Wüste zu schicken, aber leider war kein Ersatz in Sicht. Angebote für ein Schäferstündchen gab es zwar genug, doch wenn schon denn schon, müsste das Verhältnis von Dauer sein. Insgeheim hoffte sie immer noch, durch eine der zahlreichen Schnapsideen ihres Mannes irgendwann einmal reich zu werden.
Gähnend machte sie die Geldschublade auf und begann, die Scheine zu zählen. Dabei träumte sie wieder einmal davon, was man mit diesem Geld alles anfangen könnte. Sie musste hier raus, so viel stand fest. Sie wusste nur noch nicht wie. Plötzlich fiel ein Schatten auf sie. Im ersten Moment erschrak sie, denn um diese Zeit durfte niemand mehr die Kantine betreten, doch dann blickte sie direkt in das lächelnde Gesicht ihres Mannes.
„Basti!“, rief sie erschrocken aus und musterte ihn von oben bis unten. „Wie siehst du denn wieder aus?! Was willst du hier?“
„Darf ein Mann seine Frau nicht besuchen?“
„Ich weiß schon, was du suchst. Hast wohl kein Bier mehr zu Hause!“
„Quatsch! Natürlich habe ich Bier zu Hause! Nein, ich habe gehört, Paul Kartzow sei ums Leben gekommen. Was reden denn die Leute so?“
„Es war wohl Mord“, sagte sie ungerührt und hielt inne, die Banknoten zu zählen. „Das ging heute rum wie ein Lauffeuer.“
„Und was sagst du dazu?“, hakte Sebastian nach und ließ sie nicht aus den Augen.
„Willst du hören, dass es mir leidtut?“, keifte sie und fuchtelte mit einer Hand in der Luft herum. „Nein, tut es nicht. Dir etwa? Nach allem was er dir angetan hat!? Obwohl“, sie machte eine Pause, als ob sie sich jedes Wort genau überlegen müsste, bevor sie es aussprach, „ein Denkzettel hätte es auch getan.“
Betreten schaute Sebastian auf seine zerkauten Fingernägel hinab und biss sich auf die Unterlippe. Wohl wissend, dass seine Frau keinen Widerspruch duldete, zögerte er mit der Antwort.
„Er hätte mich damals auch rausschmeißen können.“
„Damals“, äffte sie ihn nach, schob mit der Hüfte schwungvoll die Schublade zu und griff nach einem schwarzen Lederportemonnaie. „Das gibt ihm noch lange nicht das Recht, dich zu bescheißen.“
„Tote soll man in Ruhe lassen. Es soll auf einem Golfplatz in Abu Dhabi passiert sein.“
„Da kannst du mal sehen, welch ein Luxusleben der geführt hat!“
„Du konntest es doch ganz gut mit ihm.“
„Jetzt übertreibst du aber! Ich habe seiner Sekretärin hin und wieder ein paar Sachen besorgt, das ist alles. Zerbrich dir nicht den Kopf darüber. Die Firma wird schon nicht untergehen. Fahr nach Hause und reg dich ab. Ich komme gleich nach.“