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3. Kapitel

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Hauptkommissar Bramme schien die Sonne auf den Schreibtisch. Die Ärmel seines Hemdes hatte er lässig hochgekrempelt, die Lehne seines Stuhls bequem nach hinten gekippt und eine dampfende Tasse Kaffee mit Milchschaum griffbereit abgestellt. Während er in einer dünnen Akte blätterte, fuhr er sich mit einer Hand durch das blonde Haar und gähnte herzhaft.

„Früher Morgen und schon wieder müde? Du wirst alt!“, kam es trocken von der anderen Seite des Schreibtischs, wo Brammes Kollege Petersen mit den Füßen auf der Tischplatte dasaß. Bramme ignorierte die Bemerkung, konnte sich aber ein Schmunzeln nicht verkneifen. Er kannte seinen Kollegen lange genug, und an derlei Sprüche hatte er sich längst gewöhnt. Petersen war ein Hüne von 1,90 Metern, trug vier Ringe am linken Ohr und hatte die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ein Blick über die Akte hinweg verriet Bramme, dass er gerade dabei war, eine Prise Schnupftabak auf seinen Handrücken zu streuen. Im selben Moment wurde die Bürotür schwungvoll aufgestoßen. Petersen schrak so zusammen, dass sich der Tabak selbstständig machte und auf seine helle Hose hinunterrieselte. Gerade wollte er zu einem Fluch ansetzen, als er in dem Eindringling seinen Chef Kriminalrat Behrendtsen erkannte, der sich noch nie lange mit Anklopfen aufgehalten hatte. Notgedrungen schluckte er Fluch samt bissigem Kommentar hinunter.

„Moin, moin, meine Herren!“, der Mann im Türrahmen betrat mit Elan den Raum.

„Moin“, kam es von Bramme und dem erbost dreinblickenden Petersen gleichzeitig.

Behrendtsen zog einen Stuhl heran und ließ sich keuchend darauf nieder. Mit einem Taschentuch wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Es war ein sehr heißer Tag und das beträchtliche Übergewicht machte dem Kriminalrat schwer zu schaffen.

„Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass in wenigen Minuten Herr Peter Kartzow hier aufkreuzt“, sagte er kurzatmig. „Der Mann konnte am Telefon vor Aufregung kaum sprechen und hat etwas von einem Mord gefaselt.“

„Herr Kartzow von den Kartzow-Werken?“, Bramme legte die Akte zur Seite und griff nach seinem Kaffee. Petersen war immer noch damit beschäftigt, den Schnupftabak aus seiner Hose zu klopfen, dennoch pfiff er bei diesen Worten interessiert durch die Zähne.

„Genau. Einer der Inhaber. Die Leute schwimmen im Geld und tun eine Menge Gutes. Behandeln Sie den Mann also entsprechend.“

„Wir sind doch zu allen lieb“, stichelte Petersen und erntete dafür einen strafenden Blick von Behrendtsen, während Bramme grinste.

Draußen im Gang hob ein Tumult an. Schnelle Schritte und ein kurzes Wortgefecht drangen an ihre Ohren. Kurz darauf wurde die Tür erneut aufgerissen und ein Mann, der von Anklopfen auch nicht viel hielt, stolperte atemlos herein. Prüfend ließ er den Blick über Bramme, Behrendtsen und Petersen wandern.

„Ah, da sind Sie ja schon, Herr Kartzow!“, Behrendtsen erhob sich so schnell es sein Gewicht zuließ und bot Kartzow einen Stuhl an. „Das sind die Hauptkommissare Bramme und Petersen.“

Peter Kartzow nickte beiden kurz zu, dann setzte er sich. Er war ein junger, sportlicher Mann Anfang dreißig, leger gekleidet und mit einem Schopf jugendlicher Locken.

„Mein Bruder ist ermordet worden!“, begann er hektisch und raufte sich die Haare, woraufhin Behrendtsen Bramme einen vielsagenden Blick zuwarf.

„Wo?“, fragte Petersen und griff nach einem Notizblock.

„Auf einem Golfplatz in Abu Dhabi.“

Nun war es an Bramme und Petersen verwunderte Blicke auszutauschen, doch ehe einer von ihnen etwas sagen konnte, kam ihnen Behrendtsen zuvor.

„Es tut mir sehr leid, aber dafür sind wir nicht zuständig, Herr Kartzow.“

„Oh doch!“, der junge Mann erhob sich und überbrückte die kurze Distanz zwischen ihm und Bramme in einem einzigen Schritt. „Der Mord an meinem Bruder muss so schnell wie möglich aufgeklärt werden und dazu brauche ich den besten Kriminalisten, den es weit und breit gibt – und das sind Sie, Herr Bramme!“

„Sie übertreiben!“

„Nach allem, was ich von Ihnen gehört habe, nicht. Ich muss sofort nach Abu Dhabi und Sie begleiten mich!“

Bramme riss die Augen auf. Mit Mühe konnte er ein Lachen unterdrücken. Petersen dagegen blieb sachlich.

„Wie kommen Sie denn darauf, dass Ihr Bruder ermordet worden ist? Er könnte doch auch einen Herzinfarkt oder einen Hitzschlag erlitten haben.“

Unbeirrbar ernst zog Kartzow ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Tasche und hielt es Bramme kommentarlos hin. Zögerlich ergriff dieser das Blatt und öffnete es.

„ZAHLEN ODER STERBEN“, las Bramme halblaut vor und betrachtete die in dicken roten Buchstaben geschriebenen Worte.

„Ganz genau.“ Kartzow nickte. „Jemand will uns umbringen.“

„Wann haben Sie das bekommen?“, schaltete sich nun Behrendtsen ein und quetschte sich um den Schreibtisch herum, um den Zettel ebenfalls lesen zu können.

„Vor drei Wochen.“

„Was?“, rief Petersen entsetzt und zog damit alle Aufmerksamkeit auf sich. „Und da kommen Sie erst jetzt zu uns?? Gibt es eine Zahlungsaufforderung?“

„Nein. Wir sind keine Hosenscheißer und haben das Ganze zunächst als schlechten Scherz aufgefasst. Jetzt aber brauche ich Polizeischutz, und Sie müssen Ihren Kollegen in Abu Dhabi auf die Finger schauen. Nichts darf übersehen oder unter den Teppich gekehrt werden. Dafür brauche ich Sie unbedingt, Herr Bramme. Die Reisekosten lassen Sie bitte meine Sorgen sein.“

Für einige Augenblicke trat Stille ein. Bramme seufzte tief und wandte sich mit fragendem Blick Behrendtsen zu. Dieser fing seinen Blick auf, zögerte kurz und nickte dann bedächtig mit dem Kopf.

„Also gut!“, Bramme stand auf und ergriff Kartzows Hand. „Ich komme mit Ihnen. Wann soll es losgehen?“

Kartzow schüttelte Bramme dankbar die Hand.

„Sehr gut!“, sagte er fast euphorisch. „Unser Flug geht heute Abend. Ich muss vorher aber noch mit meiner Schwägerin Bettina reden und ihr mitteilen, dass ihr Mann tot ist.“

„Soll ich Sie begleiten?“, fragte Bramme.

„Das wäre nett!“

Bramme drückte Petersen die Akte in die Hand, die er zuvor studiert hatte, und ließ alles andere stehen und liegen. Endlich bot sich ihm wieder einmal die Gelegenheit, dem Alltagstrott zu entfliehen. Wie Behrendtsen diese Reise seinen Vorgesetzten verklickerte, konnte Bramme egal sein. Mit der Bürokratie stand er sowieso ständig auf Kriegsfuß.

Auch Peter Kartzow hatte es plötzlich sehr eilig. Vielleicht hatte er Angst, der Kriminalrat könnte es sich noch einmal anders überlegen. Er verabschiedete sich von Behrendtsen und Petersen und verließ zusammen mit Bramme das Büro.

Wasser für Abu Dhabi

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