Читать книгу Wasser für Abu Dhabi - Hermann Mezger - Страница 3
2. Kapitel
ОглавлениеDer Geruch neuer Ledersitze schlug Ali al Das entgegen, als er die Tür seines sündhaft teuren Geländewagens öffnete, um einzusteigen. Unter seinem Gewicht ächzte das Leder und er genoss das sanfte PLOPP, das zu hören war, als die Fahrertür ins Schloss fiel.
Ali al Das war ein athletisch gebauter, selbstbewusster Mann in den besten Jahren, der es mit dem Instinkt eines Tigers, dem Verstand eines Fuchses und dem Gedächtnis eines Elefanten in jahrelanger Arbeit zum Polizeichef von Abu Dhabi gebracht hatte. Die Brust seiner Uniform zierten Verdienstorden und Abzeichen aller Farben und Formen, sodass niemand hätte übersehen können, mit wem er es zu tun hatte. Heute jedoch trug er Zivil. Er mochte es nicht, wenn Leute schon aus großer Entfernung sehen konnten, dass die Polizei anrückte.
Als er nun wieder einmal in die Einfahrt des Emirates Palace einbog, hielt er vor Ehrfurcht die Luft an. Dieses Luxus-Hotel kam dem Traum aus Tausendundeiner Nacht am nächsten. Palmen, Sträucher und Blumen in allen Farben, verschlungene Spazierwege und eine exotische Vogelwelt verwandelten den Außenbereich wahrlich in einen Palastgarten. Dahinter erhob sich das Hotel in majestätischer Größe, mit hochaufragenden Stockwerken, kleinen Türmen und in ihrer Mitte, die innen mit Silber und Gold ausgelegte riesige Kuppel, die es an Höhe und Schönheit mit der des Peterdoms in Rom spielend aufnehmen konnte. Betont langsam fuhr al Das die Einfahrt hinauf und spähte dabei durch die Windschutzscheibe, bis er an der Pförtnerloge stoppte. Dem Pförtner streckte er durch das Fenster seinen Ausweis entgegen, dann machte er sich auf den Weg zum überdachten Eingang des Hotels hinauf.
Ein Dutzend Diener mit weißen Handschuhen standen dort in Reih und Glied, um die ankommenden Gäste in Empfang zu nehmen. Einer von ihnen machte al Das sogleich mit einer Verbeugung die Wagentür auf. Der Polizeichef ließ sich nicht lange bitten, stieg aus und ließ den Schlüssel stecken. Sofort setzte sich ein anderer Mann hinter das Steuer des Wagens und fuhr ihn weg. Ohne sich umzudrehen durchschritt al Das die riesige Eingangstür und ging auf spiegelglattem Marmorboden in das lichtdurchflutete Innere. Die Rezeption ließ er zunächst rechts liegen und blieb erst stehen, als er direkt unter der gigantischen Kuppel stand. Mit stolzgeschwellter Brust betrachtete er die vor Edelmetallen nur so strotzende architektonische Meisterleistung. Lange bewunderte er diese Kostbarkeit, dann besann er sich auf seine Aufgabe, machte kehrt und steuerte die Rezeption an, hinter der eine außergewöhnlich hübsche junge Frau ihn bereits lächelnd erwartete.
Karin Holm behauptete gern, sie habe einen sechsten Sinn für gewisse Dinge. Sie arbeitete schon lange genug als dienstbare Seele im Emirates Palace, um gewisse Dinge einfach zu wissen. Hoch gewachsen, blond, charmant und mit ausdrucksstarken meerblauen Augen zog sie die Blicke der meisten Gäste auf sich, die an der Rezeption vorbeikamen. Doch so sehr die Leute sie auch anstarrten, sie war es, die beobachtete. Kein Gast entging ihrem aufmerksamen Blick. Ein leichtes Humpeln bei einem älteren Herrn? Sofort den Liftboy kontaktieren. Eine Dame mit nur einem Ohrring? Dem Zimmermädchen Bescheid geben, die Augen offen zu halten. Eiserne Disziplin gepaart mit fundierten Sprachkenntnissen verliehen ihr eine natürliche Autorität.
Als Ali al Das nun direkt auf sie zusteuerte, schrillten bei Karin bereits sämtliche Alarmglocken. Polizei im Haus war ein heikles Thema, zumal jetzt, da die Lobby voller Gäste war. Mit geübten Handgriffen öffnete sie den Durchgang hinter der Rezeption und winkte al Das in das dahinterliegende Büro. Als der Polizeichef seinen Ausweis aus der Tasche zog, winkte sie ab.
„Ich weiß, wer Sie sind“, sagte sie, verschränkte die Arme vor der Brust und sah al Das direkt ins Gesicht. „Was immer Sie herführen mag, Diskretion ist in unserem Hause oberstes Gebot.“
„Deshalb bin ich auch in Zivil und alleine gekommen.“
Al Das musste lächeln. Diese Frau verstand etwas von ihrem Beruf, doch das Gleiche nahm er auch für sich in Anspruch.
„Nennen Sie mir auch den Grund Ihres Besuches?“
„Einer Ihrer Gäste, Herr Kartzow ist tot.“
Karins Professionalität wurde auf eine harte Probe gestellt, sie löste die Verschränkung ihrer Arme und sah al Das erschrocken an.
„Ein Verkehrsunfall?“, ihre Stimme klang wenig hoffnungsvoll. Es schien, als habe sie bereits alles vor Augen, was dieses Ereignis bedeuten konnte.
„Schön wär’s“, al Das seufzte. Er überlegte kurz, doch dann entschied er sich dafür, ihr nicht mehr zu sagen, als sie unbedingt wissen musste. „Ich schicke Ihnen die Spurensicherung vorbei. Die sollen sich mal in seinem Zimmer umsehen.“
„Herr Kartzow hatte kein Zimmer“, sagte sie pikiert und reckte stolz das Kinn. „Er hatte eine Suite. Da fällt mir ein, dass ich ihn ja bei der Konferenz abmelden muss!“, sagte sie und fuhr sich mit einer Hand durch ihr blondes Haar.
Al Das wurde hellhörig.
„War Herr Kartzow ein Teilnehmer der Weltklimakonferenz?“
„Herr Kartzow war nicht nur ein Teilnehmer, sondern auch einer der Redner. Er wollte hier ein neues Kraftwerk vorstellen. Das ist eine ziemlich große Sache und streng geheim. Zu diesem Zweck hat er sogar ein Demonstrationsmodell aufgebaut und uns eindringlich darauf hingewiesen, dass niemand dieses Modell sehen darf.“
Sofort speicherte al Das diese Information in einer mentalen Notiz und schärfte sich ein, sie bei nächster Gelegenheit weiterzugeben. Dann hielt er Karin die Hand hin.
„Danke, das wäre es fürs Erste. Bitte sorgen Sie dafür, dass niemand die Suite betritt, bis meine Leute kommen.“