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4. Kapitel

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Der reetgedeckte Bungalow der Familie Paul Kartzow lag wie eine verwunschene Insel in einem gepflegt wirkenden Park. Rosen blühten in den verschiedensten Farben, Ziersträucher aller Art säumten den Zufahrtsweg, und in den hoch aufragenden Bäumen zwitscherten Vögel in allen Tonlagen.

Peter Kartzow trat zusammen mit Bramme an das schmiedeeiserne Tor und betätigte die daneben angebrachte Klingel. Ein leichtes Surren hob an und Bramme wandte den Kopf. Über sich entdeckte er eine Überwachungskamera mit einer beängstigend großen Linse, die surrend die Besucher erfasste. Schließlich summte der Türöffner und Kartzow drückte routiniert das Tor auf.

Wirres Hundegebell schlug ihnen entgegen, als sie den Kiesweg betraten. Eine attraktive Frau – Ende zwanzig und unübersehbar schwanger – öffnete die Tür und gab den Weg für zwei Rauhaardackel frei, die nun auf Peter Kartzow zustürmten, freudig an ihm hochsprangen und aus vollem Halse bellten. Doch Peter Kartzow hatte heute nur ein Tätscheln für sie übrig. Er trat auf die junge Frau zu, die ihn überrascht und fragend zugleich anschaute.

„Was…?“, begann sie, doch ihr Schwager umarmte sie fest und gab ihr keine Antwort.

„Peter!“ Sie schien nicht zu wissen, ob sie amüsiert, oder besorgt sein sollte. „Was ist denn los?“

„Können wir ins Haus gehen?“, fragte er zaghaft, nachdem er sich von ihr gelöst hatte. Dann winkte er Bramme herbei, der bisher unauffällig abseits gestanden und die Szene beobachtet hatte.

„Darf ich dir Hauptkommissar Bramme vorstellen?“

Bettina reichte Bramme die Hand.

„Sehr erfreut.“ Irritiert fuhr sie sich durchs Haar, dann machte sie eine einladende Geste in Richtung Flur. Die beiden Hunde sprangen zwischen ihren Beinen hindurch und sausten allen voran in das geräumige Wohnzimmer.

„Also, was führt dich zu mir?“, fragte Bettina Kartzow, kaum dass sie die Haustür geschlossen hatte. Eine Hand lag auf ihrem Bauch, ihr Gesicht drückte Besorgnis aus. „Vor ein paar Tagen die Steuerfahndung, heute die Polizei. Würdest du mir bitte endlich sagen, was los ist?“

Mit gesenktem Kopf äugte Bramme zu Kartzow hinüber, der ihn hilfesuchend anblickte. Es war unübersehbar, dass Bettinas Schwager am liebsten aus seiner Haut heraus wollte. Doch Bramme konnte ihm diese Aufgabe beim besten Willen nicht abnehmen.

„Bettina“, unbeholfen machte Peter einige Schritte auf sie zu, legte ihr einen Arm um die Schulter und schob sie zum Sofa hinüber. Als er sicher war, dass sie bequem saß und ihm nichts weiter einfiel, um Zeit zu gewinnen, seufzte er hörbar auf. „Ich muss dir eine schlechte Nachricht überbringen, und es fällt mir sehr schwer, die richtigen Worte zu finden.“

Bramme sah in Bettinas Gesicht das blanke Entsetzen aufziehen, und er flehte zum Himmel, Kartzow möge endlich auf den Punkt kommen. Sich verlegen die Haare raufend rutschte Kartzow noch ein Stückchen näher an sie heran, doch Bettina wich zurück.

„Es tut mir furchtbar leid, Bettina, aber ich komme, um dir zu sagen, dass Paul tot ist.“

Einen Moment lang schien Bettina zu schwanken, und Bramme war heilfroh, dass sie auf dem Sofa saß. In ihrem Gesicht zeigte sich keine Regung, gerade so, als ob sie diese Worte gar nicht verstanden hätte. Dann jedoch schlug sie die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen. Peter Kartzow sah erneut hilfesuchend zu Bramme hinüber.

„Frau Kartzow“, Bramme trat schnell zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Ich möchte Ihnen mein aufrichtiges Beileid aussprechen.“

„Wie ist er denn…?“, die restlichen Worte erstickten in ihren Tränen.

„Wir wissen es noch nicht genau“, erklärte Bramme rasch und setzte sich zu den beiden. „Ihr Mann ist auf dem Golfplatz zusammengebrochen.“

An Bramme gerichtet hob Kartzow eine Augenbraue, doch dieser ignorierte den Wink. Er würde einen Teufel tun und diese junge, hochschwangere Frau jetzt auch noch mit dem Mordverdacht konfrontieren.

„Herr Bramme und ich fliegen nach Abu Dhabi und klären das“, sagte Peter Kartzow und griff nach Bettinas Hand.

Noch immer rührte sie sich nicht. Kartzow drückte seufzend ihre Hand, bevor er aufstand.

„Paul war nicht nur dein Mann, er war auch mein Bruder.“

Als sie wieder draußen vor dem Bungalow standen, atmeten Bramme und Kartzow tief durch. Der furchtbaren Atmosphäre da drinnen entkommen zu sein, empfanden beide als Erleichterung. Bramme spürte mehr denn je, dass er sein Gewerbe niemals von der anderen Seite aus sehen wollte. Er war Kommissar, ein Opfer zu sein schien ihm nicht nur fern, sondern auch unerträglich. Schweigend folgte er dem niedergeschlagenen Peter Kartzow zum Wagen.

Beim Überqueren der Straße kreuzte ein Radfahrer ihren Weg. Der Mann auf dem Sattel machte einen unübersehbar heruntergekommenen Eindruck. Seine Haare bedeckten in langen Strähnen fast das ganze Gesicht, seine Kleidung war abgetragen und fleckig, das Fahrrad glich einer Rostlaube. Im Vorbeifahren erkannte er Kartzow, drehte den Kopf nach ihm um und ließ ihn nicht mehr aus den Augen, bis er hinter einer Kurve verschwand.

„Kennen Sie den Mann?“, fragte Bramme interessiert und war überrascht, dass sich Kartzows Miene noch weiter verfinstert hatte.

„Ja“, gab Kartzow mürrisch zu, „das ist Sebastian Alt, ein Mitarbeiter von uns.“

„Ein komischer Kauz“, murmelte Bramme und sah mit gerunzelter Stirn in die Richtung, in der der Radfahrer verschwunden war.

„Kann man wohl sagen!“, Kartzow machte die Fahrertür auf, und setzte sich, immer noch übellaunig, hinter das Steuer. „Aber täuschen Sie sich nicht, der Mann ist hochintelligent. Ein richtiges Genie sogar. Leider hängt er an der Flasche. Er versäuft nicht nur sein ganzes Geld, sondern auch seinen Verstand.“

Wasser für Abu Dhabi

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