Читать книгу Deutscher Novellenschatz 16 - Hermann Schmid - Страница 8
ОглавлениеEmmy an Charlotte.
Ohne weitere Einleitung setze ich meine Mitteilung fort, wo sie zuletzt endete. Bald nach R. verließ uns auch Victor. Ich gedachte seiner mit herzlicher ruhiger Zuneigung. R's dagegen mit Sehnsucht, mit Unruhe, mit der Gesamtheit von Gefühlen, welche zum Glücke des Lebens wenig förderlich sind. Alles rief ich mir zurück, er hatte sich immer gut, freundlich, liebenswürdig erwiesen, während von mir der Friede ohne Anlass von seiner Seite gebrochen worden war.
Ludwigs Scharfsinn erriet ohne Zweifel den Kampf in meinem Inneren, er sprach oft und ungezwungen von beiden Freunden. Ich sah, sagte er mir einst, voraus, wie Alles kommen würde, aber gewisse Erfahrungen kann man Niemandem ersparen. Es liegt in der Unvollkommenheit des Daseins, dass ein so unschuldiges, beglückendes, friedliches Verhältnis, wie es zwischen dir und R. stattfand, wo jeder Morgen das Glück des vergangenen Tages frisch und entzückend zurückbringt, dass ein solches nicht bestehen kann, dass es mit Schmerz, mit Nachrede, mit Tränen enden muss. Man möchte glauben, die Vorsehung wolle uns mit ernster Lehre darauf hinweisen, dass wir das Liebenswürdigste sehen und würdigen müssen, ohne es uns zueignen zu können. Das sind die Sterne, die wir anerkennen, aber nicht begehren dürfen. Deine ganze Phantasie ist von R.'s Bilde erfüllt, er ist für Frauen ein Irrlicht, dessen glänzender Schimmer ins Verderben lockt. Dein Herz wird aber einst von Victors Bild erfüllt werden, der dich wahrhaft liebt, mit dem du glücklich sein kannst. — Schwerlich wärst du es je mit R. geworden, zu lebhafte Leidenschaft für ihn möchte dich und auch ihn unglücklich machen; nie würde er sich auf dem hohen Standpunkt haben behaupten können, den deine Verblendung ihm angewiesen. — Lass die ganze Rückerinnerung mild in deiner Seele auftauchen, gedenke seiner ohne Groll und, wenn es sein kann, ohne Leidenschaft. Glaube nicht, dass auch er dich gänzlich vergessen habe; oft wird er deiner nicht gedenken, aber doch kommen Stunden, welche dein liebes Bild vor seine Seele führen mögen. —
Ein halbes Jahr verging, ich dachte jetzt mit Ruhe an R.; da brach das entsetzliche Unglück auf mich her. Ludwig ward als Sekundant eines Freundes zu einem Zweikampfe veranlasst, welcher die Folge hatte, dass er lebensgefährlich in der Brust verwundet wurde. — Oh der teure, geliebte Freund! wie lebensfrisch schied er von mir, wie glänzten im kühnen Selbstvertrauen die lieben Augen, welche mir den letzten Gruß zuwinkten! Ein Bild des Todes, mit erloschenem Blick, wurde er zurückgebracht. — Wie es möglich gewesen, begreife ich nicht, aber zwei Tage nach diesem traurigen Ereignisse traf R. bei uns ein. Die Dämmerung war schon tief herabgesunken, ich stand trostlos am Fenster, da erblickte ich durch Dunkel und Nebel eine Gestalt, die ich an Gang und Haltung unter Tausenden erkannt haben würde. Der Arzt war gerade anwesend, er ging R. entgegen, sie hatten eine lange Unterredung miteinander, und durch denselben wurde er bei Ludwig eingeführt, der nicht sprechen durfte, sich kaum regen konnte. Er kam darauf zu mir und sah sehr ernst und ergriffen, aber nicht wild aus. So wie Alles steht, sagte er mit erzwungener Fassung, bleibt uns Nichts übrig, als unsern Schmerz zu bekämpfen und Alles für Ludwig zu tun, was in unsern Kräften steht. Gewiss lieben Sie ihn genug, um sich bezwingen zu wollen. — Von da an teilte er meine Sorge für meinen Bruder mit einer Hingebung, wovon die Erinnerung mich noch jetzt ergreift. Tage — Nächtelang, saß er in einem Lehnsessel neben Ludwigs Bette, ohne ein Wort zu reden, ohne Bücher, da die tiefe Dämmerung des Krankenzimmers alles Lesen unmöglich machte. Nur in dem blitzenden Aufschlag des Auges verriet sich der unruhig arbeitende Geist im Inneren; äußerlich war er durchaus ruhig; sanft und leise in jeder Bewegung. Schweigend, vergehend in Jammer saß ich ihm gegenüber; wenn etwas zu holen, zu veranstalten war, deuteten wir es uns durch Zeichen, durch leise geflüsterte Worte an. Wir handelten im vollkommensten Einverständnis, ach! und dachten doch vielleicht nie weniger aneinander, als in der tiefen Einsamkeit dieser schmerzlichen Stunden. Am Morgen vor Ludwigs Tode legte ich einen Strauß frischer Rosen auf sein Bett, er versuchte zu lächeln, aber auf die Blumen blickend, stieg eine Träne in seinem Auge empor. Da überwältigte mich der lange bekämpfte Schmerz, ich sank an seinem Lager hin, legte den Kopf auf seine liebe Hand und weinte im bittersten, bittersten Jammer. R. war zugegen, aber ließ es geschehen; ein leiser Seufzer, der sich Ludwigs Brust entrang, brachte mich zur Besinnung. Ich las an dem Tage in R.'s Blicken, dass er jede Hoffnung aufgegeben habe. Der Arzt gab mir die Bestätigung am Abend, denn er sagte im Fortgehen: Wenn der Kranke reden will, so hindern Sie ihn nicht daran, es kann ihm nicht mehr schaden. Während der Nacht sagte Ludwig, der anscheinend heftiges Fieber hatte: Jetzt schiffe ich mich ein nach jener schönen Insel, die jenseits liegt, oh wie blühend ist Alles! Komm mit mir, Emmy. R. hatte sich vorgebeugt, eine Träne aus seinem Auge fiel auf meine Stirn, ich — wie gerne hätte ich mich mit eingeschifft, weit, weit von dieser Welt hinweg! — Ganz erschöpft, ermattet, wie ich war, überwältigte mich einen Augenblick der Schlaf, da fühlte ich mich rasch emporgehoben, R. hielt mich in seinen Armen aufrecht; ich wusste sogleich, was mir bevorstand. — Ludwigs schon verdunkelte Augen irrten suchend nach mir umher, er schien die Arme erheben zu wollen und sagte leise, aber vernehmlich: Meine Schwester, mein Engel! Ein Laut des Schmerzes entrang sich meiner Brust; er hörte ihn nicht mehr. — In demselben Augenblick ward die Tür geöffnet, und Victor trat ein. — Von dem was in den nächsten vierundzwanzig Stunden geschah, habe ich auch nicht die leiseste Erinnerung. Am darauf folgenden Morgen fand ich mich in meinem Zimmer; meine eigenen Tränen, die auf meine gefalteten Hände fielen, brachten mich zur Besinnung. Nach einiger Zeit ließ R. sich bei mir melden. Er sah bleich und sehr ernst aus und setzte sich mir schweigend gegenüber. Was wird jetzt aus Ihnen? fragte er nach einer Pause. Ich schüttelte den Kopf: wer kann in solchen Augenblicken an sich denken? Das ist gleichwohl sehr zu überlegen, sagte er wie vor sich hin. Ich hätte gewünscht, fuhr er fort, einen sehr trüben Tag hier zubringen zu können, aber es ist mir unmöglich. Ihnen wird es auch recht sein, dass Victor, der Ihnen so nahe steht, jede Veranstaltung trifft. Leben Sie wohl, und Gott sei mit Ihnen. Ich gehe jetzt, den letzten Abschied von dem liebsten Freunde zu nehmen. — Halb unbewusst stand ich auf und folgte ihm, er sah verwundert aus, schwieg aber, und als wir an die Treppe kamen, fasste er meinen Arm und führte mich, als fürchte er, ich werde hinab stürzen. Er öffnete die Tür zu Ludwigs Zimmer; das Bild des tiefsten Friedens wurde dort uns zu Teil. Oh gewiss, Engel hatten diese Augen geschlossen! — R. legte die Hand auf die erkaltete Rechte des treuesten aller Menschen und sah wie beteuernd empor, dann verließ er mit verhülltem Gesichte das Zimmer. Ich hörte noch das Fortrollen seines Wagens; es war der letzte, tief ergreifende Schmerz, der mich fortan in Bezug auf ihn betroffen hat.
Victor verließ mich gleich nach meines Bruders Bestattung; herzlich teilte er meinen Kummer; was aus mir werden würde, war noch unentschieden, vorläufig konnte ich dort im Hause bleiben.
Einige Wochen vergingen mir in der schmerzlichsten Trauer, da erhielt ich einen unbeschreiblich gütigen Brief von Herrn Steffano, mit dem Vorschlage, als seine zweite Tochter in seinem Hause zu leben, bis zu der Zeit, wo mein Bräutigam eine passende Anstellung erhalten haben werde. Ich war dieser Familie gänzlich unbekannt und habe nie bezweifelt, dass ich R.'s Vermittlung diese Zufluchtsstätte verdanke. Er selbst hat es, obwohl wider seinen Wunsch, halb eingestanden, denn als er vor einiger Zeit mit flüchtigem Hinblicke auf mich äußerte: Ich vergebe Beleidigungen, aber nie vergesse ich sie, fragte ich, nicht ohne Bewegung: Haben Sie niemals eine Kränkung mit Gutem vergolten? Er stutzte und entgegnete auf sehr einnehmende Weise: Wenn ich jemals etwas Gutes veranlasste, so bedarf es der Anerkennung nicht, der Lohn liegt im Gelingen.
So kam ich in dieses gesegnete Haus und würde vergebens den Eindruck auf mein Wesen beim Betreten dieser Räume zu schildern unternehmen. Jegliches ist hier ansprechend, wohltuend, beglückend. Gediegener Wohlstand macht sich überall bemerkbar, Jedwedes ist vortrefflich in seiner Art; in jeder Räumlichkeit waltet Ordnung, aus dem Schmucke der Zimmer leuchtet verständiger Geschmack hervor; nirgend ist Überflüssiges, überall das Wünschenswerte. Und die Menschen, die herrlichen, beglückenden Menschen! — Mir ward die liebevollste Aufnahme, mir, welche ich noch vor kurzem mich dem verwehten Blatt vom Baume verglichen hatte, das, jedem Schicksale preisgegeben, durch Sturm und Wetter wer weiß wohin geführt werden wird. — Sophie, welche einige Jahre älter ist, nahm sich meiner zärtlich und mitleidig an. Meine Jugend, mein natürlich heiterer Sinn waren ihr hilfreich, die arme kleine Blume hob ihr Haupt nach und nach wieder empor im Sonnenschein des Lebens. Im Hause waltete der heiterste Friede, wir lebten im Ganzen einsam, aber angenehm.
Nach einiger Zeit erhielten wir einen neuen Hausgenossen an Herrn Sternheim, einem Associé des Hauses Steffano. Er ward auf eine Weise angekündigt, welche mich vermuten ließ, dass der Wunsch vorhanden sei, ihn noch mit andern Banden daran zu knüpfen. Endlich erschien er. Kaum wüsste ich ihn zu beschreiben: groß und schlank, eine offene Stirn, ein angenehmer Mund und schöne Augen, sobald Gefühl sie belebt; wenn ihn etwas lebhaft ergreift, oder man ihm gefällt, hat sein Ausdruck etwas Einnehmendes. Ich sehe ihn oft an, zu ergründen, was er denkt, denn er spricht außerordentlich wenig, wenngleich sehr gut. Während der ersten Tage sagte er fast nichts, er schien zuvor einen ruhigen, vollständigen Eindruck des Ganzen in sich aufnehmen zu wollen. Herr Steffano behandelte ihn mit väterlicher Güte, Sophie war völlig unbefangen, indessen ich ihn mir sehr aufmerksam betrachtete. Er war der erste mir bekannte Mann, welcher einige Tage mit zwei jungen Mädchen hinbrachte, ohne eine Spur von Gefallsucht zu zeigen. Die Ruhe dieser Persönlichkeit zeigte sich nicht verletzend, in der Zurückhaltung war kein Hochmut sichtbar, man erkannte, dass dem Allen etwas Besseres, Gediegeneres zum Grunde lag. — Seine Gegenwart war uns lieb, es lag nichts Störendes darin; Menschen, welche dem Anscheine nach mit sich einig sind, verbreiten Ruhe und Frieden um sich her.
Sophie, welche höchst offen gegen mich ist, bekam zuweilen Briefe, von deren Inhalt ich jedoch nie das Mindeste erfuhr. Nach dem Empfange derselben pflegte eine Art Verklärung sich über ihr ganzes Wesen zu verbreiten, sie war noch milder, lieblicher als gewöhnlich. Da endlich hieß es, der Neffe des Herrn Steffano werde bei uns eintreffen; den Anstalten nach, welche Sophie traf, hatte es das Ansehen, als ob man einen Fürsten erwarte. Wir liefen Treppe auf Treppe ab; Dieses war nicht gut oder angemessen, Dieses habe ihm nie gefallen, Jenes sei nicht zweckmäßig; aus dem Geräte aller Fremdenzimmer wurde das Beste ausgewählt. Die schönsten Topfgewächse, prächtige Vasen voll Reseda und Monatsrosen, dem Letzten, was die Jahreszeit noch bot, schmückten sein Wohnzimmer. Vortreffliche Bücher wurden aufgestellt, und die zierlichste Dame hätte da wohnen mögen, wo doch am Ende Niemand residieren sollte, als ein eben von der Universität entlassener Student, mit allen den burschikosen Gewohnheiten, welche solchen lieben und vortrefflichen Leuten eigen zu sein pflegen. Glücklicherweise endete die Dunkelheit unsere Veranstaltungen, ich wusste kaum mehr wo mir der Kopf stand; jedes Stück war wenigstens zehnmal umgesetzt. Dass hier mehr als ein Vetter erwartet werde, mutmaßte ich so ziemlich, aber nie hatte ich erfahren, dass man so fürchten kann, was unsere Liebe erweckt hat.
Spät am Abend traf R. ein; dass er es war, errietest du längst. Sein erster Blick war für Sophie, sein erster Gruß für den Oheim. Ich habe oft darüber nachgedacht, wie es möglich sein mag, selbst in einem mit Menschen angefüllten Raum, gleich beim Eintreten in denselben auf die Augen zu treffen, welche man sucht. Das sind unerklärliche geistige Befähigungen, und freundlich scheint mir der Gedanke, dass es Gefühle gibt, welche Kräfte der Seele wecken, die uns unbewusst in uns schlummern.
Mich bewegte R.'s Anblick tief, ein geliebter Schatten zog an meinem inneren Blick vorüber; die unerklärliche Erschütterung, die uns erfasst, wenn wir, selbst vorbereitet, wiedersehen was uns einst lieb, vielleicht das Liebste war, das Alles ergriff mich mit unwiderstehlicher Gewalt. Nur für einen Augenblick, dann hob ich den Blick frei und ruhig empor. Sei es, dass er fürchtete, ich werde Sophie verraten, wie sehr er sich bemüht habe, mir zu gefallen, sei es, dass bei dem Bewusstsein, mich in glücklicher Lage zu wissen, dieses übermütige Herz die Erinnerung an eine erlittene Kränkung wieder aufnahm, sein Benehmen gegen mich war kalt und fremd. Gelassen ließ ich es geschehen, meine Eitelkeit begehrte seine Billigung nicht, nur mein Herz hatte sie einst gewünscht. —
Ein leidenschaftliches, geheimnisvolles Verständnis zwischen ihm und Sophie entfaltete sich meinen Blicken. Den Grund des Geheimnisses in diesem Verhältnisse vermochte ich jedoch nicht abzusehen. — Während der ersten Tage war R. Alles was man Liebenswürdiges sein kann; heiter, sanft, anerkennend und geistvoll; nach und nach, und so wie der Zauber der Neuheit sich etwas zu verlieren begann, trat seine Eigentümlichkeit wieder mehr ans Licht. Seine geistvolle Lebendigkeit schuf jetzt für uns ein völlig neues Dasein, — ein glücklicheres? — das will ich nicht behaupten. — Seine ewigen Launen, seine nie zu befriedigenden Wünsche, seine eigentümliche Auffassungsgabe erhalten Alles um ihn her in Unruhe und Spannung. — Jetzt bin ich daran gewöhnt, im Anfange erschütterte es mich immer, wenn Sophie, die nur in dem Gedanken an ihn lebt, mit dem Lächeln eines Engels fragte: Ist es dir so angenehm? gefällt es dir? und er dann misslaunig entgegnete: Es ist ganz abscheulich, durchaus verkehrt! — Bei einer solchen Veranlassung sagte ich einst: Es ist immer gut seine Freunde zu kennen, und so will ich Ihnen doch sagen, dass ich wünschte, Sie verliebten sich einmal so recht aus Herzensgründe und so recht hoffnungslos, und würden hinreichend geplagt, um ein klein wenig demütiger zu werden. — Er lächelte und erwiderte ruhig: Ich danke für den freundlichen Wunsch, bedaure aber, dass er nicht in Erfüllung gehen wird. Selbst wenn ich so liebte, wie Sie es begehren, würden weder Sie noch irgend Jemand es jemals gewahren. Ich erkenne die Leidenschaft an, aber zu ihrem Sklaven macht sie mich nicht. —
Sternheims Gegenwart berührte R. anfangs sichtlich sehr unangenehm, er nahte ihm stolz und übermütig ; Jener war weder kalt noch warm, sondern völlig gelassen. Nie sah ich zwei Menschen mit so verschiedenen, aber hervorleuchtenden Eigenschaften. Beide sind ihrer Muttersprache auf eine Weise mächtig, wie man dieses selten anzutreffen pflegt. R. spricht stets mit vollkommenem Bewusstsein seines Gegenstandes, der gleich dem Entwurf eines Gemäldes sich vor ihm darstellt, an welchem er mit Geschick und Gewandtheit die verschiedenartigsten Farben anbringt. Die ganze Reichhaltigkeit unserer Sprache sich zu Nutzen machend, fesselt er durch die lebendigste Darstellungsart, hin und wieder auch den weniger gewählten Ausdruck nicht verschmähend. Sternheim dagegen, dessen tiefe Bildung unverkennbar ist, hat eine einfache, angenehme Wortsetzung, welche ihm durchaus eigentümlich ist und unwillkürlich den Gedanken einflößt, dass er die Rede für seine Zwecke brauche, aber nicht missbrauche. — Er ist jetzt mitteilender und, durch R. angeregt, zuweilen heiter und launig. Diesen haben wir in der letzten Zeit weniger gesehen; er ist überall wohl aufgenommen und huldigt verschiedenen hübschen Mädchen und Frauen auf eine Weise, welche Sophie tief zu schmerzen scheint. Zuweilen kehrt er, wie von Reue ergriffen, von Überdruss gesättigt, in unsern Kreis zurück, doch aber nur, um ihn bald wieder zu verlassen. Herr Steffano sieht dem Allen bekümmert zu, er scheint seinen Neffen nicht sehr zu lieben, wenigstens nicht hinreichend, um ihn sich zum Schwiegersohn zu wünschen. In solcher Beziehung würde Sternheim ihn ganz beglücken, den er liebt und dem er vollkommen vertraut. Er sagte mir vor einigen Tagen: Danken Sie Gott, mein liebes Kind, dass sie Braut sind, R. würde sonst nicht ruhen, bis er Ihnen gefiele, und dabei ist leider wenig Glück! Ich errötete und schlug die Augen so eilfertig nieder, als ob die ganze Vergangenheit darin lesbar sei. Dieser Brief ist zu einem Buche angewachsen, und so schließe ich für heute, ganz ermüdet, aber dich in Gedanken aufs Zärtlichste begrüßend.