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„Seyd also nicht besorgt für den morgigen Tag. Denn der morgige Tag wird schon selbst für sich sorgen. Jeder Tag trägt schon schwer genug an seiner eigenen Plage.“ Es ist die allgemeine Annahme, der Tag sey der Lauf der dahineilenden Zeiten, vom Sonnenlichte erleuchtet, welchen die dazwischenliegende Nacht unterscheidet, sie, welche durch ihre Vermittelung einem jeden Tage einen andern zum Nachfolger gibt; die Bezeichnung der künftigen Zeit aber liegt in dem morgigen Tage. Gott hat uns also verboten, um die Zukunft besorgt zu seyn. Die aus der Verminderung der Sorgfalt hervorgehende Unbesorgtheit aber ist nicht Folge der Nachläßigkeit, sondern Folge des Glaubens. Denn warum sollen wir für den morgigen Tag besorgt seyn, wenn der morgige Tag schon selbst für sich besorgt ist? Also vertreibt der für uns besorgte Tag selbst unsere Aengstlichkeit. Aber die Besorgniß ist, wie ich glaube, schon ein dem Menschen eigenthümliches Gefühl; denn diese erregt die entweder aus Sorge, oder aus Furcht, oder aus Schmerz entspringende Beängstigung. Der Tag aber ist ein Lauf der Zeit; und nur das, was das Vermögen, vorsichtig zu seyn, besitzt, ist für das Gefühl der Besorgniß empfänglich. Es wird also vorausgesetzt werden, daß der Tag ein lebendiges Wesen sey, welches sich hütet, welches vorhersieht, und welches sorgt; welches auch die eigene Plage schon für genügend hält, und nicht mit einem von aussen kommenden Fehler beladen werden soll. Aber die Natur der Sache gestattet nicht, daß man dem Tage ein Gefühl des Gemüthes zuschreibe; daß er also selbst für sich besorgt ist, daß er an seiner eigenen Plage genug hat, und daß uns verboten wird, für den morgigen Tag besorgt zu seyn, dieses alles ist in einem überirdischen Sinne gesagt. Es wird uns also befohlen, wegen der Zukunft kein Bedenken zu tragen; denn die Bosheit unseres Lebens, und die Sünden unserer Lebenstage reichen schon hin, so daß alles Nachdenken und alle Bemühung in unserm Leben auf die Reinigung von denselben und auf die Abbüßung derselben gerichtet seyn soll, damit nicht auch noch durch Mißtrauen auf die Zukunft eine unverzeihliche Gottlosigkeit begangen werde; im dem, wenn unsere Sorge aufhört, das, was kommen wird, selbst an seiner Stelle bekümmert ist, und uns durch die Vorsorge der Güte Gottes, obwohl wir nicht mehr darum besorgt sind, die Förderung zur ewigen Herrlichkeit bereitet wird.

Kommentar zum Evangelium des Matthäus

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