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1.2 Zweiheiten pastoraler Ortsbestimmung heute – zum Zusammenhang von Untersuchungsgegenstand und Untersuchungsmethodik 1.2.1 Pastorale Ortsbestimmungen

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Die Pastoral ist von den Begegnungen mit Menschen und von den Orten und Differenzen geprägt, an denen und in denen sie stattfinden. An diesen Orten begegnen sich Menschen und an ihnen kann auch Gott erfahren werden. Dies gibt den Orten eine Autorität, der die Pastoral nicht ausweichen kann. Dabei setzen die Orte einen Rahmen und sie spielen eine wichtige Rolle in den Diskursen, die geführt werden. Es spielt eine Rolle und hat eine Bedeutung, ob Frauen sich z. B. in einem Seminarraum, privat oder in einem Sakralraum treffen, um miteinander Liturgien zu feiern. Mit den Orten kommen jeweils eigene Perspektiven in den Blick und die Orte markieren zugleich Positionen. Der gewählte Ort zeigt, wofür man steht und worauf man sich bezieht. Die Orte stehen für Standpunkte, Perspektiven und Traditionen. Und jene, die sich an diesen Orten aufhalten, sie wählen und aufsuchen, verhalten sich unweigerlich dazu. Sie beziehen zu diesem Raum Stellung, bewusst oder unbewusst. All dies macht deutlich, dass die Ortsfrage keine Nebensächlichkeit ist, sondern von zentraler Bedeutung. Wer ich bin und was ich tue, leitet sich nicht zuletzt auch von dem her, wo ich bin. „Eine Größe über das Wo zu identifizieren, führt unweigerlich zu einer Auseinandersetzung mit dem Wer; umgekehrt aber besteht im Modus des Wer die Versuchung und auch die Chance, dem auszuweichen, was bedrängend und prekär ist“ (Sander 2007, 112).

Im Duktus dieser Arbeit wird die Frage nach den Menschen in Verbindung mit der Ortsfrage gestellt. Dieser Ansatz geht über den allgemeinen pastoraltheologischen Duktus hinaus, der sich an Institutionen und den Menschen orientiert.15 Die Orientierung an den Menschen ist richtig und gut und hat sich auch bewährt, allerdings können in Verbindung mit der Ortsfrage neue Aspekte in den Blick kommen und für die Pastoral genutzt werden (vgl. Sander 2005a, 190–194).

Jede Theologie ist von den Orten und den Menschen an diesen Orten herausgefordert. Das, was Kirche zu sagen hat, ergibt sich aus der Konfrontation mit denen, denen sie etwas sagen will. Insofern sie den (möglichen) Differenzen zwischen der eigenen Botschaft und der Realität der Orte nicht ausweicht, gewinnt sie Autorität. Dann kann sie zu einer eigenen Sprache für das Evangelium finden wie für das, was die Menschen hier und heute bewegt und betrifft. Auf dem Boden ihrer Tradition werden so Neuinterpretationen für den Glauben möglich, die Zukunft verheißen. Die Orte, zu denen sich die Kirche aufmacht, und die Orte, an denen Begegnungen stattfinden, verschärfen (oder entschärfen) die Problemlage durch die Differenzen, die dabei in den Blick kommen. Unterschiedliche Orte provozieren je verschiedene Anfragen und verlangen nach spezifischen Antworten, wenn der Autorität des jeweiligen Ortes nicht ausgewichen werden soll. An diesen Orten muss sich zeigen, ob die jeweilige Sprache für das Evangelium sich behaupten kann.

In diesem Sinn sind die Frauen ein pastoraler Ort mit Autorität in der Kirche. Sie sind Personen, die mit ihrer spirituellen Not und ihrer eigenen rituellen Praxis die Kirche, ihre Liturgien und ihren rituellen Glaubensvollzug anfragen. Frauen und die Erfahrungen, die sie machen, sind eine Anfrage an die Kirche und ihre Verkündigung. Inwiefern sie sich ihnen stellt, zeigt sich vonseiten der Kirche nicht zuletzt darin, welche Orte und damit Repräsentanz in ihr selbst sie ihnen ermöglicht. Vonseiten der Frauen ist es entscheidend, ob sie Orte in der Kirche einklagen, weil sie zum Volk Gottes gehören, oder ob sie sich zurückziehen in den privaten Raum und so der Anfrage durch die Kirche ausweichen. Die Ortsfrage ist in diesem Zusammenhang eine entscheidende Frage für das Verhältnis und die Balance zwischen der Kirche und den Frauen. Die gewählten Orte sind in jedem Fall auch ein Zeichen der Verhältnisbestimmung von Kirche und Frauen.

Vor diesem Hintergrund werden in den weiteren drei Unterpunkten spezifische Aspekte in den Blick genommen, die eine Bedeutung für die Schaffung von Balancen gewinnen können. Im ersten Punkt geht es darum, die Perspektive nicht nur auf das Gegenwärtige und Vergangene zu richten, sondern im Jetzt schon Spuren für eine mögliche Zukunft zu benennen. Dies geschieht mit dem Ziel, neue Perspektiven in die Pastoraltheologie einzubringen, die sich auf ein unerhörtes Problem beziehen. Diese Pastoraltheologie orientiert sich an der Gegenwart pastoraler Vollzüge, sofern sich in ihnen Veränderungen andeuten oder Probleme sichtbar werden. Deshalb folgt an dieser Stelle der Bezug auf die Größen von Heute und Morgen, von Gegenwart und Zukunft.

Im zweiten Unterpunkt wird ein erstes Mal auf das Denken von Michel Foucault Bezug genommen und die Relevanz des Denkens des Außen in den Mittelpunkt gerückt. Wer etwas über die Strukturen und Muster von Gesellschaften und Institutionen erfahren will, muss nach Foucault an den Rand gehen, an jene Orte, wo die ausgeschlossenen Personen und Diskurse auszumachen sind. Dieser Logik folgt die Arbeit, wenn sie ihren Fokus auf Frauenliturgie- und -ritualgruppen legt, die sich allesamt am Rand der Kirche bzw. schon darüber hinaus verortet haben. Aus diesem Grund wird das Außen als Kategorie der pastoraltheologischen Wissensform eingeführt.

Im dritten Unterpunkt wird dann der Blick auf Rituale allgemein gelegt. Diese Daten sind erforderlich, um Rituale auch tatsächlich in ihrem Sinn und ihrer Bedeutung einschätzen zu können.

Balancieren statt ausschließen

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